Montag, Oktober 7

Der Kauf eines IT-Unternehmens nährt erneut Zweifel an der Expansionsstrategie der Post. Das Parlament will dem aggressiven Gebaren des Staatsbetriebs nun Einhalt gebieten.

Im Stammgeschäft mit den Briefen und den Ein- und Auszahlungen erodieren die Umsätze, darum will die Post in anderen Bereichen wachsen. Insgesamt 1,5 Milliarden Franken will der Bundesbetrieb gemäss seiner Strategie «Post von morgen» in Zukäufe investieren – ein grosser Teil davon soll in den Aufbau des digitalen Geschäfts fliessen, so etwa in E-Health oder E-Government.

Laut der Post läuft bei der gigantischen Shoppingtour alles nach Plan: Es sei gelungen, das Ergebnis des Bereichs «Kommunikations-Services» um 2 Millionen Franken zu verbessern, frohlockte das Unternehmen vergangene Woche. Das zeige, dass die Weichen richtig gestellt worden seien. Ein genauerer Blick auf die Zahlen entlarvt die Aussagen der Post indes als realitätsferne Firmen-PR: Bei einem Betriebsertrag von 82 Millionen Franken betrugen die Verluste in der neu geschaffenen Sparte im ersten Halbjahr immer noch 37 Millionen Franken (2023: 39 Millionen Franken). Die Post gerät damit mehr und mehr in Erklärungsnot. Denn ursprünglich waren für 2024 schwarze Zahlen in diesem Bereich vorgesehen.

Fragen wirft auch die letzte von rund einem Dutzend Übernahmen im Kommunikationsbereich auf. Im Juli übernahm der Staatskonzern die Mehrheit an der Diartis-Gruppe. Das Softwareunternehmen aus Lenzburg zählt über 100 Mitarbeitende und bietet Fallführungssoftware für öffentliche Verwaltungen und Institutionen an.

Gemäss Branchenkennern befindet sich das Unternehmen in einer schwierigen Phase der Neufindung und wies vor dem Besitzerwechsel Finanzierungsprobleme auf. Vor einem Jahr entschied sich der Kanton Bern, Diartis durch eine Lösung eines Konkurrenten zu ersetzen – dies, obwohl das Unternehmen versprach, seine bisherige Software bald durch eine modernere Lösung zu ersetzen. Davor musste die Softwareanbieterin bereits einen Rückschlag hinnehmen, weil sich die Städte Basel, Bern und Zürich entschieden, gemeinsam eine neue Software für die Fallführung von Sozialämtern zu entwickeln, statt weiterhin auf eine Diartis-Lösung zu setzen.

Post-Übernahmen sind eine Blackbox

Mittlerweile ist auch die Politik auf den jüngsten Deal der Post aufmerksam geworden. Für den Aargauer FDP-Nationalrat Matthias Jauslin stellt sich die Frage, ob es sich nicht um eine riskante Akquisition handle. «Die Post kauft ein Unternehmen, das scheinbar veraltete Produkte im Portfolio hat, in letzter Zeit gewichtige Kunden verloren hat und mitten in einem Reorganisationsprozess steckt. Das ist mit erheblichen wirtschaftlichen Risiken verbunden.» Der Unternehmer forderte in einer Interpellation, dass der Bundesrat Transparenz zur Übernahme von Diartis schafft, wie auch zu den zuvor getätigten Akquisitionen der Bürosoftware-Herstellerin Klara und des digitalen Aussenwerbers Livesystems.

Ob diese neuen Töchter Gewinne oder Verluste schreiben und wie hoch die Risiken für die Steuerzahler sind, geht aus den Geschäftsberichten der Post nicht hervor. Die finanziellen Dimensionen der Akquisitionen seien ein «Postgeheimnis» geblieben, kritisiert Jauslin.

Der Bundesrat betont in seiner Antwort auf die Interpellation, dass die Strategie der Post umfangreiche Massnahmen vorsehe, um die wegbrechenden Erträge aus dem Kerngeschäft zu kompensieren und die wirtschaftliche Lage des Konzerns zu stabilisieren. Dieser Schritt bedinge hohe Investitionen und sei mit Risiken verbunden. Eine von externer Stelle beurteilte Überprüfung habe aber ergeben, dass die Post diese Risiken angemessen handhabe.

Im Parlament sieht man das anders. Dort stösst der Kaufrausch des gelben Riesen auf verbreitete Skepsis. Nach dem Nationalrat stimmte im Mai auch der Ständerat einer Motion des EVP-Nationalrats Thomas Rechsteiner zu, die den Expansionsdrang der Post bändigen will. Sie fordert, dass jede Übernahme der Post künftig vom Bundesrat genehmigt werden muss. Zudem müssen Akquisitionen gegenüber dem Parlament begründet werden. Derzeit laufen laut Bundesrat die Arbeiten für die Umsetzung der Motion.

Parallel dazu will auch die Wirtschaftskommission des Nationalrats dem gelben Riesen zusätzliche Daumenschrauben anlegen. Sie hat eine Subkommission gebildet, die einen Gesetzesvorschlag ausarbeiten soll. Das Ziel: Bundesbetriebe wie die Post sollen mit ihrer Finanzkraft nicht länger ungehindert in Märkten wildern können, die von privaten Anbietern eigentlich schon gut abgedeckt sind. Vielmehr soll künftig klar geregelt werden, welche Dienstleistungen sie ausserhalb ihres Leistungsauftrages noch erbringen dürfen. Bis Ende Jahr sollen die Arbeiten gemäss der «Schweiz am Wochenende» abgeschlossen sein – danach geht der Vorschlag in die Wirtschaftskommissionen und in die beiden Kammern.

Hängig sind zudem auch zwei Aufsichtsbeschwerden, die vom Softwareunternehmen Abacus beziehungsweise von Aussenwerbung Schweiz eingereicht wurden. Beide Branchenakteure wollen sich damit auf juristischem Weg gegen die Einkaufstour der Post zur Wehr setzen. Doch ist bis heute unklar geblieben, welche Behörde überhaupt für die Frage zuständig ist, ob die jüngsten Vorstösse des gelben Riesen in neue Geschäftsfelder gesetzlich erlaubt sind.

Löchrige Aufsicht

«Die Post ist ein Unternehmen ohne Aufsicht», sagt der Abacus-Chef Claudio Hintermann auf Anfrage der NZZ. «Weder die Postcom noch das Bundesamt für Kommunikation fühlen sich zuständig für die Post und ihre Geschäfte ausserhalb des Leistungsauftrags.» Zugleich würden die Gerichte seit Jahren einen Entscheid verschleppen, der die Frage beantworten soll, wer eigentlich die Aufsicht über die Zulässigkeit der Post-Aktivitäten wahrnehme.

Auch an der Übernahme der Diartis-Gruppe im Juli übt Hintermann scharfe Kritik: «Ein Staatskonzern, der ein Unternehmen kauft, das sowohl technisch als auch generationenmässig eine Baustelle ist, geht damit beträchtliche Risiken ein. » Er habe den Eindruck, dass die Post einkaufe, was sie gerade finde, ohne dass dahinter eine Strategie erkennbar sei.

Die Post selber hält auf Anfrage fest, dass die Diartis-Gruppe profitabel sei. Es gebe Entwicklungsprojekte, die das Unternehmen nun angehe, um eine neue Produktgeneration auf den Markt zu bringen. «Solche Projekte sind üblich in der Softwarebranche», sagt der Sprecher Stefan Dauner. Er betont, dass die Übernahme von Diartis für die Post wichtig sei. So verfüge man nun über ein umfassendes Angebot an Lösungen für die öffentliche Verwaltung, von der digitalen Identifikation und rechtsgültigen Signatur über Kommunikationsplattformen bis hin zu Cybersecurity-Dienstleistungen für den Schutz gegen Cyberattacken.

Konkrete Zahlen zur Entwicklung der davor übernommenen Firmen nennt die Post weiterhin nicht. Der Sprecher Dauner beschränkt sich auf die Angabe, dass die ePost Service AG (früher Klara Business AG) laufend neue Kunden dazugewinne, und weist darauf hin, dass sich die neue Geschäftssparte Kommunikations-Services noch im Aufbau befinde.

Klar ist: Solange Post und Bundesrat keine Transparenz schaffen, wird die Kritik am aggressiven Wachstumskurs der Post nicht verstummen – und der Druck auf das Unternehmen in der Politik kaum kleiner werden.

Exit mobile version