Erholung für die ganze Familie

Man hat so seine Bilder im Kopf von diesem Land, das mit der Fussball-Weltmeisterschaft 2022 ins kollektive Bewusstsein gerückt ist. Spektakulär soll sie sein, die Architektur in Katars Hauptstadt Doha, beeindruckend die Museen und für das europäische Empfinden ziemlich verrückt die Shopping-Malls. Werde ich Zeit haben, mir das alles anzuschauen? Das wird nicht der Fall sein: Dafür liegt das Zulal Wellness Resort by Chiva-Som zu weit von Doha entfernt, und dafür ist meine Wellness-Agenda in diesem Gesundheitsresort auch viel zu dicht.

Immerhin sieht man die Skyline der Hauptstadt durchs Autofenster. Der Weg vom Flughafen nach al-Ruwais führt auf einer gigantisch breiten Autobahn knapp anderthalb Stunden schnurgerade Richtung Norden. Die Gebäude links und rechts des Highways sind so schneeweiss wie die traditionellen Golfstaatengewänder der Männer. Weiss sind auch die Autos. Nur die Frauen sind von Kopf bis Fuss in Schwarz gehüllt.

Was das auf der linken Seite des Highways für ein Palast sei, der sich hinter kilometerlangen Mauern verbirgt, wollen wir vom Fahrer wissen. Ach, das sei nur eine Farm. Spätestens jetzt realisiert man, dass in diesem kleinen Land mit knapp drei Millionen Einwohnern, wovon höchstens 15 Prozent die katarische Staatsbürgerschaft besitzen, mit anderen Ellen gemessen und in ganz anderen Dimensionen gedacht wird. Schliesslich gehört der Staat auf der Arabischen Halbinsel dank seinen Erdöl- und Erdgasreserven zu den reichsten Ländern der Welt. Den Reichtum spürt man auf Schritt und Tritt.

Je weiter wir nach Norden gelangen, desto weniger Autos hat es auf der Strasse. Und als die Sonne die flache Wüstenlandschaft in ein rotgoldenes Wüstenmärchen verwandelt, um schliesslich am Horizont zu verschwinden, ist weit und breit kein anderes Auto mehr zu sehen.

Ruhe und Reduktion

Im Zulal Wellness Resort angelangt, geht das Staunen weiter. Ob Fünf-Sterne-Luxushotel oder einfache Familienpension, eines haben alle Hotels in der Regel miteinander gemein: Sie verfügen über einen Eingangsbereich mit Rezeption. Hier kommt der Gast an, hier erhält er seinen Zimmerschlüssel, hier verabschiedet er sich wieder. Im Zulal Wellness Resort by Chiva-Som gibt es das alles nicht in der bekannten Form. Man betritt das Gebäude, und da ist nichts als Ruhe und Reduktion. Die Wände sind in dunklen Farben gestrichen, das Licht ist gedämpft, das Personal so diskret, dass man gar nicht wahrnimmt, wie der Koffer entgegengenommen und aufs Zimmer gebracht wird, während man wie verzaubert ist von diesem magischen Ort.

Mit dem Lift geht es einen Stock hinunter, ins «House of Wisdom». So wird der Empfangsbereich genannt, der so etwas wie das Herzstück des Resorts darstellt. Es gibt eine riesige, mehrere Meter hohe Bibliothek mit viel Weisheit zwischen zwei Buchdeckeln. Auch die Teestube und die Natur-Apotheke sind hier untergebracht. Die Atmosphäre hat etwas Sakrales, als würde man eine Tempelanlage betreten. Automatisch spricht man mit gedämpfter Stimme. Schnell einen Blick aufs Handy, um zu kontrollieren, ob der Klingelton auch wirklich abgestellt ist. Denn Handys sind grundsätzlich im ganzen Resort, ausser in den Gästezimmern, unerwünscht.

Das Zulal Wellness Resort by Chiva-Som ist das erste und grösste umfassende Wellness-Reiseziel im Nahen Osten und verbindet die Traditionelle arabisch-islamische Medizin (Taim) mit modernen Therapien und Gesundheitspraktiken. Das Konzept basiert auf sechs Modalitäten: Ernährung, Fitness, Spa, Physiotherapie, ganzheitliche Gesundheit und Ästhetik. Auch wenn das Resort in einem der reichsten Länder der Welt beheimatet ist, so will man explizit kein Luxusresort sein: «Wir legen Wert auf langfristiges Wohlbefinden, Nachhaltigkeit und Wellness-Praktiken gegenüber oberflächlichem Luxus oder Trends», sagt der General Manager Holger Glaser.

Wer hierherkommt, soll nicht einfach ein bisschen fitter, schlanker und entspannter werden. Ziel ist vielmehr, eine positive und nachhaltige Änderung des Lebensstils anzuregen. Die psychische Gesundheit ist dabei genauso entscheidend wie die körperliche.

Um maximal zu profitieren, wird für jeden Gast zu Beginn des Aufenthalts ein individuelles Programm erstellt. Am Anfang führt man ein ausführliches persönliches Gespräch mit einem Gesundheits- und Wellnessberater. Es wird eine Bestandesaufnahme gemacht, und die individuellen Ziele werden festgelegt, um das Bestmögliche aus dem Aufenthalt herauszuholen.

Zeit für die Kinder

Ein wichtiger Fokus wird auf Familien gelegt. Das Resort ist indes so grosszügig angelegt, dass sich Familien und ruhesuchende Erwachsene nicht in die Quere kommen: Es gibt einen speziellen Bereich nur für Familien, «Zulal Discovery» genannt, inklusive familienfreundlicher Restaurants und grosszügiger Wasserlandschaft. Und es gibt mit dem «Zulal Serenity» einen Bereich nur für Singles und Paare. Im Kinderklub findet man weder Filme noch Videospiele und auch kein Spielzeug aus Plastik. Stattdessen sollen Eltern angeregt werden, zusammen mit ihren Kindern zu spielen, ihnen ein Buch vorzulesen oder mit natürlichen Materialien zu basteln. Jugendlichen stehen altersgerechte Beschäftigungsprogramme zur Verfügung, wie etwa ein Töpferatelier.

Nicht nur Kinder sollen sich sinnvoll beschäftigen: Gäste jeden Alters können sinnstiftende Aktivitäten unternehmen. Eine Initiative zum Schutz des Ökosystems ist das Mangrove Education Centre, das sich am Strandweg des Resorts mit Blick auf das ruhige, flache Wasser der Nordküste Katars befindet. Hier können Gäste jeden Alters durch unterhaltsame Aktivitäten wie Mangrovenpflanzung und Strandsäuberungen lernen, wie sie die wertvolle Meerestierwelt am besten schützen können.

Genügend Schlaf

Für Schweizerinnen und Schweizer mag das Kinderklub-Konzept vielleicht nichts Aussergewöhnliches sein. Doch in anderen Kulturkreisen verbringen viele Familien wenig Zeit mit ihren Kindern und überlassen deren Betreuung und Erziehung weitgehend der Nanny. «Als einziges Resort der Welt, das spezielle Familien-Wellness-Retreats und Programme anbietet, ermutigen wir unsere Gäste, sich auf eine generationsübergreifende Reise einzulassen», erzählt Holger Glaser.

Durch die Förderung eines aktiven Lebensstils und einer guten Ernährung sowie die Entwicklung von Achtsamkeit, durch Atemtechniken und Meditation, sollen Kinder dazu inspiriert werden, sich mit gesunden und nachhaltigen Lebensgewohnheiten auseinanderzusetzen und diese zu erforschen. «Gehen Sie täglich immer zur gleichen Zeit ins Bett, spätestens um 23 Uhr, und achten Sie darauf, mindestens sieben Stunden zu schlafen», sagt mein Health and Wellness Advisor Anand Peethambar mit ruhiger Stimme und einem Akzent, der auf eine indische Herkunft schliessen lässt. «Auch sollten Sie mehr Bewegung in Ihren Alltag einbauen und täglich Atemübungen machen.»

Es folgen viele weitere Tipps, die ich mir nicht aufschreiben muss: Nach dem Aufenthalt bekommen die Gäste eine E-Mail, in der alles akribisch zusammengefasst und aufgelistet ist.

Auch die Tipps der Taim-Beraterin Bibi Ayesha Lockhat sind dort vermerkt. Auch wenn ich nicht weiss, woher ich die verschriebenen Kräutermischungen für meine Infusionen in der Schweiz holen soll. Im Zulal Wellness Resort werden die Teemischungen und Präparate in der hauseigenen Natur-Apotheke zusammengestellt. Alle Therapeuten sind umfassend ausgebildet und verfügen über ein Diplom, ein Zertifikat oder einen Bachelorabschluss in einem gesundheitswissenschaftlichen Studiengang und sind beim katarischen Ministerium für öffentliche Gesundheit registriert. Angefangen bei Ayurveda-Spezialisten, Naturheilkundlern, Spezialisten für traditionelle thailändische, chinesische oder arabische Medizin, Dermatologen, Ärzten, Physiotherapeuten, Krankenschwestern, ästhetischen Krankenschwestern bis hin zu Yogalehrern, Ernährungsberatern, Psychologen und Sozialarbeitern.

Die meisten Therapeuten stammen ursprünglich aus dem Managementunternehmen, dem renommierten Chiva-Som in Thailand, und wurden an der Chiva-Som-Akademie in Bangkok ausgebildet. Die meisten Therapien sind sehr wohlfühlig und manche etwas esoterisch. Andere das pure Gegenteil. So zum Beispiel das Personal Training mit dem tunesischen Trainer. Er meint es sehr ernst mit mir. Nach dem Aufwärmen auf dem Laufband geht’s an den TRX und dann zum Super Stretch. Das ist eine Tortur, ganz nach dem Motto: «No pain, no gain!» Anschliessend graut es mir vor der zweiten Super-Stretch-Stunde. Aber die junge libanesische Fitnessinstruktorin Bader achtet darauf, dass ich dieses Mal meine Komfortzone nicht verlassen muss.

Kein Hungergefühl

Fünf Tage dauert mein «Stress Reset and Burnout Recovery»-Aufenthalt. Nach der Anamnese durch den Health and Wellness Advisor und die Taim-Spezialistin wird das Tagesprogramm entsprechend angepasst und ergänzt. Tägliche Massagen, Pilates, Yoga, Reiki, Thai-Chi und Aqua-Boxing bilden die Basis, gekrönt wird das Ganze durch unglaublich gutes, gesundes Essen. Meine in Absprache mit dem Gesundheitsberater festgesetzte tägliche Limite von 1200 kcal während des Aufenthalts halte ich strikt ein – dabei hilft, dass auf der Speisekarte jeweils vermerkt ist, wie viele Kalorien die einzelnen Gerichte und Getränke haben. Damit man nicht ständig Kalorien zusammenrechnen muss, kümmert sich das Servicepersonal darum. Überrascht stelle ich fest, dass man auch bei 1200 kcal/Tag nie das Gefühl hat, hungern zu müssen.

Es gibt drei Restaurants: Das familienfreundliche «Aizoon» steht ganz im Zeichen der arabischen Küche, das «Al Sidr» serviert asiatische Gerichte, und das «Acacia» bietet eine klassische Fine-Dining-Küche. In allen drei Restaurants isst man hervorragend. Wer das Snacken zwischendurch nicht lassen kann, findet im Coffee-Shop eine kleine, hübsche Auswahl an Patisserie und Backwaren.