Freitag, September 27

Am 15. März 44 v. Chr. wurde Julius Caesar ermordet. Die Mörder sind bekannt. Aber was trieb sie zu ihrer Tat? Michael Sommer schildert die Hintergründe des bekanntesten Mordes der Geschichte.

Der jahrzehntelange Bürgerkrieg, in dem die römische Republik unterging, steht immer wieder im Fokus von Historikerinnen und Historikern. Dabei ist die Geschichte dieses Bürgerkriegs kaum zu schreiben, ohne vom Aufstieg und Fall der grossen Männer zu erzählen: vom Aufstieg des einen vor allem, Augustus, zu dem der Untergang des anderen, nämlich Cicero, gehörte. Oder war es eher Caesars Tod, der den Aufstieg des ersten Kaisers begünstigte?

Doch Geschichtsschreibung interessiert sich nicht nur für Biografien, sondern auch für Strukturen, die erst beim Blick auf längere Entwicklungen erkennbar sind. Zum Beispiel für die Frage, ob die Herrschaft des ersten Kaisers ein Bruch mit der Republik war oder lediglich eine monokratische Umgestaltung. In seinem soeben erschienenen Buch «Mordsache Caesar» verbindet der Oldenburger Althistoriker Michael Sommer die beiden Ansätze miteinander. Und er versucht, die Rolle des Historikers gegen die des Ermittlers einzutauschen.

Mit der Ermordung von Julius Caesar im März 44 v. Chr. nimmt Sommer eines der bekanntesten Ereignisse der Antike in den Blick. Und wie jeder Kriminalist beleuchtet er auch dessen Vorgeschichte. Allerdings geht es ihm nicht nur um die letzten Tage des Diktators, wie der Untertitel des Buches sagt. Er betrachtet das Attentat auf den Diktator Caesar vor dem Hintergrund der Geschichte der Republik schlechthin: «Die Geschichte von Caesars Ermordung beginnt 400 Jahre vor seiner Geburt, mit der Gründung der Republik», schreibt Sommer gleich zu Beginn seines Buches und skizziert damit den Bogen, den er spannt.

Zurück zu den Anfängen

Es gibt gute Gründe, an den Beginn der Republik zurückzugehen, wenn es um das Verständnis ihres Endes geht. Einer davon ist der Widerstand gegen jegliche Alleinherrschaft, der die Geschichte Roms durchzieht. Er hat seine Wurzeln in den Anfängen. Der Mythos vom Sturz des letzten Königs war über Jahrhunderte präsent geblieben. Und er führte zu einer starken Abwehrhaltung der Römer gegen Tyrannen.

Michael Sommer spricht von einer «Resilienz gegen Einzelne, die zu stark wurden». Die Gegner Caesars stellten das Attentat an den Iden des März deshalb als Tyrannenmord dar und beriefen sich damit auf eine identitätsstiftende Erzählung: die einer Republik, die wehrhaft ist und Widerstand leistet gegen Autokratie und Willkürherrschaft.

Der Kampf um die Vorherrschaft im Staat, der schon in den Jahren um Caesars Geburt 100 v. Chr. tobte, hatte diese Widerstandskräfte entscheidend geschwächt. Dies zeigte sich wohl nirgends so deutlich wie im Satz, den Caesar gesagt haben soll, bevor er den Rubikon überquerte: «Diesen Fluss nicht zu überqueren, wird Unglück über mich bringen, ihn zu überqueren, über die ganze Menschheit.»

Mythos Freiheit

Versuchte Caesar beim Schritt über das Flüsschen, das die Grenze zwischen der Provinz Gallien und dem italischen Kernland bezeichnet, lediglich vom Verfall der republikanischen Idee zu profitieren? Oder hatte er ein Programm, um den Bürgerkrieg zu beenden? Weder das eine noch das andere, sagt Michael Sommer: Als Caesar am Rubikon gestanden habe, sei es ihm nur um seine Ehre gegangen. Prinzipien wie Kollegialität und Solidarität mit dem Senatorenstand, dem er angehörte, seien ihm fremd gewesen. Allerdings sei auch der Vorrat an Abwehrkräften gegen autokratische Tendenzen in der römischen Führungsschicht aufgebraucht gewesen.

Mörder gibt es im Fall Julius C. keine zu finden. Die Täter handelten in aller Öffentlichkeit. Die Ermittlung gilt ihren Motiven. Und diese erschliessen sich über den Mythos der Freiheit, der sich in einer scheinbar unbedeutenden Namensähnlichkeit kondensiert. Der Legende nach war Lucius Junius Brutus der erste Konsul Roms; der Mann, der viereinhalb Jahrhunderte vor dem Mord an Caesar den letzten der römischen Könige vertrieben hatte.

Einer der prominentesten Köpfe unter den Caesar-Mördern hiess fast gleich: Marcus Junius Brutus. «Das war Zufall», schreibt Michael Sommer, «und doch wieder auch nicht. Nichts geschah in der römischen Geschichte ganz zufällig. Das historische Gedächtnis war lang, und die Ahnen schwebten wirkungsmächtig über allem, was bedeutende Römer an grossen Taten vollbrachten.» Die Erinnerung an die Geschichte, an die Sitten und Taten der Vorfahren, prägte den Blick der Römer auf die eigene Zeit und bot Handlungsmuster für die Probleme, die sich stellten.

Der Senat dankt ab

Aber wenn die Vertreibung des letzten Königs um 500 v. Chr. zum Gründungsnarrativ der Republik werden konnte, dann stellt sich die Frage, warum es den Caesar-Mördern nicht gelang, Kapital aus ihrer Tat zu schlagen. Vielleicht lag es daran, dass es ihnen an einem in die Zukunft weisenden Programm fehlte. Ihre Tat liess den Eindruck entstehen, als wollten sie das Rad der Geschichte an den Anfang der Republik zurückdrehen.

Aber hatte Caesar eine Zukunftsvision gehabt, ausser seiner uneingeschränkten Herrschaft? Und hätte nach Caesars Tod nicht ein Mann wie Cicero die Republik in die Zukunft führen können? Caesars Tod habe den 62-jährigen Cicero in der Tat noch einmal zum bestimmenden Faktor im römischen Senat gemacht, erwägt Michael Sommer, schränkt allerdings sofort ein: «Cicero musste aber bald einsehen, dass das ehrwürdige Gremium nicht mehr das Kraftzentrum der römischen Politik war, sondern dass diese Rolle nunmehr die Legionen spielten.»

Cicero wurde auf Befehl des mit Octavian verbündeten Antonius ermordet. Das Schicksal der Republik entschied sich ebenfalls in diesen Jahren der Umwälzung einer althergebrachten Ordnung: Nachdem Antonius beseitigt und Lepidus in einem erniedrigenden Hausarrest kaltgestellt worden war, war der Weg frei für Caesars Grossneffe.

Ein gelehriger Schüler

Michael Sommer zeigt, wie Octavians Aufstieg zum Augustus die Mordsache Caesar zum Abschluss bringt. Gleichzeitig macht er deutlich, wie der Historiker als Ermittler zu Schlüssen kommen kann, die bekannte Tatsachen in ganz neuem Licht erscheinen lassen: «Der alte Caesar», schreibt Sommer, «hatte vorgemacht, wie es nicht geht. Er hatte an alles gedacht, nur nicht an die Ehre der Senatoren. Er hatte vergessen, wie gefährlich beleidigte Männer sind.»

Augustus, der neue Caesar, war skrupellos und kaltschnäuzig: «Aber er war ein gelehriger Schüler», schreibt Sommer. Er verstand es, dem Senat und dem Volk von Rom seine neuartige Form der Monarchie, den Prinzipat, als Wiederherstellung der Republik zu verkaufen. Vor allem: Er beendete den Bürgerkrieg und stellte seine Alleinherrschaft unter den Titel «Pax Augusta», den von Augustus erreichten und garantierten Frieden. Er war der Sieger, der Geschichte schrieb. Das resümiert Michael Sommer nicht mehr als Ermittler, sondern als Historiker.

Michael Sommer: Mordsache Caesar. Die letzten Tage des Diktators. C.-H.-Beck-Verlag, München 2024. 316 S., Fr. 39.90.

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