Sonntag, November 24

Immer mehr Photovoltaik- und Windkraftanlagen werden erstellt, denn sie produzieren heute günstiger Strom als konventionelle Kraftwerke. Trotz des Booms ist es herausfordernd, davon an der Börse zu profitieren. The Market zeigt, warum.

Die jüngste Bestandesaufnahme der International Renewable Energy Agency (Irena) vom September zeigt: Die Beschleunigung bei der Neuinstallation von erneuerbaren Energiequellen ist beeindruckend.

Global nahm die Kapazität von Photovoltaikanlagen, Windenergie, Wasserkraft sowie weiterer nachhaltiger Energiequellen 2023 gegenüber dem Vorjahr um mehr als 50% zu – von rund 300 Gigawatt (GW) auf über 470 GW, die neu Strom in die weltweiten Netze einspeisen. Das entspricht einem Wachstum der insgesamt installierten Kapazität um 14% auf 3865 GW.

Was Ausdruck des Booms erneuerbarer Energiequellen ist, dürfte allerdings erst ein Bruchteil davon sein, was noch kommen muss: In ihrem World Energy Transition Outlook geht die Irena davon aus, dass eine Verdoppelung der Neuinstallationen auf jährlich 1000 GW notwendig ist, um das Pariser Klimaziel zu erreichen. Es sieht vor, die Erderwärmung nicht mehr als 1,5 Grad über den Wert vor der Industrialisierung steigen zu lassen.

Die Internationale Energieagentur (IEA) sieht die Welt gar noch davon entfernt, nur schon eine Trendwende beim CO2-Ausstoss zu erreichen. Auf dem derzeitigen Pfad würden der energiebezogene Ausstoss von Treibhausgasen gar weiter zunehmen.

Sie illustriert in diesem Zusammenhang die Massnahmen, die an der COP28 in Aussicht gestellt wurden und kommt zum Schluss: «Wenn die Kapazität aus erneuerbaren Energiequellen bis 2030 verdreifacht wird und die Effizienzziele verdoppelt werden, würde das den Weg offenhalten, bis 2050 auf einen Netto-Null-Pfad zu gelangen und die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen – allerdings nur ganz knapp.»

Die Schlüsselfaktoren, um den CO2-Ausstoss zu mindern

Finanziell lohnend

Die positive Nachricht von Irena ist: Die Gestehungskosten für Strom aus erneuerbaren Energiequellen liegen heute unter denjenigen der fossilen Produktion – teilweise deutlich.

Schon seit mehr als einer Dekade ist Onshore-Wind zumindest teilweise konkurrenzfähig mit konventioneller Stromerzeugung. Nach Effizienzfortschritten liegen die Gestehungskosten gemäss Irena im globalen Schnitt mit 3 Cent je Kilowatt (kW) nun aber deutlich unter der günstigsten fossilen Stromproduktion.

Am massivsten war die Preisreduktion bei Photovoltaik: Die Gestehungskosten sanken seit 2010 um einen Faktor zehn von 0.46 $ je kW auf zuletzt 0.04 $ je kW. Konkurrenzfähig gegenüber der konventionellen Stromerzeugung ist auch Offshore-Wind. Die aufwendige Installation der Windparks auf hoher See macht ihre Stromproduktion aber fast doppelt so teuer wie bei den beiden Alternativen.

Dennoch: Irena schätzt, dass die seit dem Jahr 2000 global installierte Basis an erneuerbaren Energiequellen allein im vergangenen Jahr zu Einsparungen von mehr als 400 Mrd. $ an Treibstoffkosten für die Stromproduktion geführt hat.

Eine ganz andere Frage ist, ob es sich auch für die Anleger auszahlt, in Unternehmen aus dem Bereich erneuerbare Energien zu investieren.

Die Antwort lautet: Es kommt drauf an.

Über die Frist von fünf Jahren haben Anleger mit dem S&P Global Clean Energy Index, der rund hundert Titel aus dem Bereich erneuerbare Energien umfasst, eine Rendite von rund 30% erreicht. Das ist vergleichbar mit einer Investition beispielsweise in den marktbreiten Stoxx Europe 600.

Seit dem Höchst des S&P Global Clean Energy Index von Anfang 2021 sitzen dessen Investoren jedoch auf happigen Verlusten.

Besonders ausgeprägt schlug der frühere Hype und die anschliessende Korrektur bei Solaraktien durch. Nach dem Ausbruch der Pandemie 2020 hatten sich ihre Kurse innerhalb eines Jahres im Schnitt und gemessen am MAC Global Solare Energy Index vervielfacht – und danach nahezu den gesamten Gewinn wieder preisgegeben.

Demgegenüber wirkt die damalige Kursverdoppelung von Windaktien gemessen am ISE Global Wind Energy Index geradezu moderat, ebenso ihr Rückschlag nach dem Peak.

Um dieses unterschiedliche Verhalten zu verstehen, hilft es, die Charakteristiken der beiden Segmente separat zu betrachten.

Preise für Solarmodule pulverisiert

Die Gestehungskosten für Strom aus Photovoltaikanlagen haben sich wie erwähnt in der letzten Dekade so stark vermindert, dass sie finanziell zur lukrativen Alternative wurden, um den steigenden Bedarf an erneuerbarer Energie zu decken. 2023 entfielen drei Viertel der neu installierten Kapazitäten auf Photovoltaik. Onshore-Wind hielt einen Anteil von gut 20%.

Doch die massive Verbilligung der Gestehungskosten von Photovoltaik – und damit ihr rasant steigender Einsatz – geht nicht allein auf Effizienzsteigerungen und Grössenvorteile zurück, sondern ebenso auf einen massiven Preiskampf. Dieser setzte schon früh ein, subventionierte chinesische Anbieter drängten die ehemals grosse deutsche Solarindustrie mit Unternehmen wie SolarWorld aus dem Markt, die 2017 Insolvenz anmelden musste.

In diesem Preiskampf verbilligten sich die Kosten für in Europa verkaufte Solarmodule seit 2010 von 4 $ je kW auf inzwischen unter 10 Cent.

Genau so erhellend, wie der langfristige Preiszerfall ist in diesem Zusammenhang der Zoom auf die beiden letzten Jahre: Obwohl die Modulpreise bereits massiv gesunken waren, haben sie sich seit Anfang 2022 nochmals halbiert.

Der Preiszerfall ist der Dominanz Chinas geschuldet. Das Land produziert mehr Solarmodule als es braucht, und schwemmt mit dem Überschuss den Weltmarkt. Erst recht mulmig wird es beim Blick auf den massiven Kapazitätsausbau, den China bei der Produktion von Solarmodulen plant.

Zusammen mit weiteren asiatischen Ländern gehen die Ausbauabsichten so weit, dass damit der von der IEA für 2030 in einem Netto-Null-Szenario errechnete Bedarf bereits gedeckt wird – obwohl sich die Welt derzeit punkto Neuinstallationen noch nicht auf diesem Pfad befindet.

Angesichts der Historie und der künftigen Perspektive ist verständlich, dass die Herstellung von Solarmodulen sowohl für Unternehmen als auch für ihre Investoren im finanziell kaum lukrativ ausfallen kann – trotz der derzeit hohen und weiter steigenden Nachfrage nach neuen Photovoltaikanlagen.

Dass in den USA und der Europäischen Union ebenfalls massive Subventionen in den Solarbereich fliessen sollen, dürfte die Lage der dortigen Unternehmen nur punktuell verbessern. Zu den Profiteuren könnte allenfalls First Solar zählen, die mit ihren Dünnschichtmodulen zudem ein etwas anderes Marktsegment bearbeitet.

Grundsätzlich jedoch gilt heute: China beherrscht im Bereich Photovoltaik 75% des Weltmarktes, ebenso bei Batterien und das Land ist mit einem Anteil von 58% auch in der Windenergie dominant.

Windenergie ist weniger globalisiert

Trotz der Dominanz Chinas: Zwischen Photovoltaik und Windenergie gibt es entscheidende Unterschiede. Die Preise für Windturbinen sind in den letzten fünfzehn Jahren zwar ebenfalls gesunken. Sie haben sich halbiert – sie sind aber nicht um einen Faktor vierzig geschrumpft wie bei den Solarmodulen.

Auffallend ist die Differenz zwischen den tiefen Preisen für chinesische Turbinen und deutlich höheren für europäische Anbieter wie Vestas, Siemens Gamesa und Nordex. Dazu kommt: Während in den vergangenen Jahren die chinesischen Anbieter ihre Preise weiter gesenkt haben, konnten die Europäer ihre halten.

Was Photovoltaik von Windenergie unterscheidet, ist, dass Solarmodule zu Tausenden in Container verpackt und über die Weltmeere verschifft werden. Der Transport der teilweise mehrere hundert Meter grossen und tonnenschweren Windrädern ist hingegen nicht so einfach. Zudem brauchen Windanlagen regelmässig Service vor Ort. Auch das spricht für lokal verankerte Anbieter, die ein solches Netzwerk pflegen – und damit auch gute Margen von 20% einfahren.

Dazu kommt, dass die Chinesen zwar auch im Windbereich die Kapazität weiter ausbauen wollen. Gemäss den Zahlen der IEA ist in diesem Segment bislang aber lediglich eine Erweiterung um gut 5% angekündigt worden. Das liegt deutlich unter dem bis 2030 erwarteten Bedarf.

Neuer Schwung für Wind

Ein Grund, warum derzeit wenig Lust auf Kapazitätsausbau herrscht, liegt mitunter in den vergangenen schwierigen Jahren. Die Effizienzfortschritte hatten die Anbieter übermütig werden lassen. Sie offerierten während der Tiefzinsphase günstig, zu günstig – und mussten dann, als nach der Pandemie die Teuerung einsetzte, büssen. Mehrere geplante Windparkprojekte rechneten sich nicht mehr und mussten aufgrund ungünstiger Ersteigerungspreise sowie gestiegener Installationskosten auf Eis gelegt werden.

Die von Bloomberg künftig erwarteten Neuinstallation zeigen aber dennoch ein starkes Wachstum – auch wenn der Ausfall, der in den vergangenen zwei Jahren stornierten Projekte 2026 voraussichtlich eine Delle hinterlassen wird.

Da in der Branche 2023 ein Umdenken stattgefunden hat und Neuakquisitionen nicht mehr mit immer tieferen Verkaufspreisen ergattert werden, steigt über die Jahre voraussichtlich nicht nur die Menge der neu abgesetzten Turbinen, sondern auch der mit dem Auftragsbuch durchschnittlich erzielbare Preis sollte steigen. Zumindest in Europa hat sich dieses zu etwas höheren Turbinenpreise gefüllt.

Das stimmt auch die Finanzanalysten zuversichtlich. Sie erwarten, dass die europäischen Windturbinenhersteller nach dem Tief von 2023 künftig ihre Marge wieder ausbauen und den Weg zurück in die Profitabilität finden werden – bei der problembehafteten Siemens Gamesa, die Teil von Siemens Energy ist, allerdings erst ab 2026.

Dass die Welt mehr – viel mehr – erneuerbare Energiequellen wird in Betriebn nehmen müssen, um die Energiewende zu schaffen, ist unbestreitbar. Doch die unterschiedlichen markt- sowie branchenspezifischen Voraussetzungen zwischen der Solar- und der Windenergie machen nicht beide Bereiche gleichermassen zu einer erfolgsversprechenden Investition.

Betrachtet man die eingangs über fünf Jahre gezeigte Kursentwicklung von Aktien mit Fokus auf erneuerbare Energien lediglich über die vergangene Jahresperiode, manifestiert sich das.

Der S&P Global Clean Energy Index, der die komplette Palette der erneuerbaren Energien abdeckt, steht im Jahresvergleich nahezu unverändert. Das Segment Wind hingegen hat nahezu 30% gewonnen, Solar 11% eingebüsst.

Aus heutiger Sicht gibt es wenig Argumente, warum dieser Trend umdrehen sollte – unberechenbar bleiben allerdings die politischen Eingriffe, die das Spielfeld der Erneuerbaren stark prägen und künftig auch wieder verändern können.

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