Donnerstag, April 17

Der Anstieg ist laut einem Bericht der NGO Amnesty International vor allem auf drei Länder zurückzuführen. Zehntausende Verurteilte befinden sich weiter im Todestrakt.

Die guten Nachrichten vorweg: Ende 2024 hatten 113 Staaten die Todesstrafe vollständig abgeschafft. Die Zahl der Länder, in denen die Todesstrafe vollstreckt wird, befand sich das zweite Jahr in Folge auf dem niedrigsten Stand der Geschichte: In insgesamt 15 Staaten wurden Hinrichtungen durchgeführt. Zudem stimmten zum ersten Mal über zwei Drittel der Uno-Mitgliedsstaaten für eine Resolution der Uno-Generalversammlung, die ein Moratorium für die Anwendung der Todesstrafe fordert.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Iran, Irak und Saudiarabien als Treiber der Statistik

Allerdings gibt es auch einen düsteren Rekord: Mindestens 1518 Personen sind im vergangenen Jahr weltweit hingerichtet worden. Und das ist nur die offiziell erfasste Zahl, wie aus einem Bericht der Nichtregierungsorganisation Amnesty International hervorgeht. Die chinesischen Zahlen sind da noch gar nicht eingerechnet, sie gehen laut Amnesty aber in die Tausende. Damit haben die staatlich durchgeführten Exekutionen den höchsten Stand seit 2015 erreicht, als mindestens 1634 Hinrichtungen vollstreckt wurden. Ein grosser Teil davon verstösst gegen internationales Recht oder wurde im Verborgenen vollzogen.

Der Anstieg sei vor allem auf drei Länder zurückzuführen: auf Iran, den Irak und Saudiarabien. Allein diese drei Länder haben laut Amnesty über 90 Prozent der bekannten Todesurteile weltweit vollstreckt. In Iran waren es mindestens 972 (davon 30 gegen Frauen), in Saudiarabien mindestens 345 (neun Frauen) und im Irak über 60 (eine Frau). Wegen der gegenwärtigen Konflikte waren aus Syrien und den palästinensischen Gebieten keine Zahlen verfügbar, wie die NGO schreibt.

Doch ist China nach wie vor das Land, in dem die meisten Hinrichtungen vollzogen werden. Die Verurteilten werden entweder erschossen oder durch die Giftspritze getötet. Amnesty gibt ihre Zahl vage mit «Tausende» an, da China die genauen Zahlen unter Verschluss hält. Auch in Nordkorea und Vietnam würden mutmasslich viel mehr Personen hingerichtet, als bekannt sei.

Peking kommuniziert vollstreckte Todesurteile nur selten öffentlich. Bei Fällen, die für grosses öffentliches Aufsehen gesorgt haben oder mit denen die Behörden ein politisches Signal senden wollen, berichteten die staatlichen Medien. Dies war etwa im Januar 2024 der Fall, als ein Pärchen exekutiert wurde, das 2020 die zwei Kleinkinder des Mannes aus einem Hochhaus in Chongqing geworfen hatte.

Für Aufregung sorgt in China auch die Verhängung der bedingten Todesstrafe für den australisch-chinesischen Blogger Yang Hengjun. Was gegen ihn im Detail vorliegt, wurde nicht gesagt, von Spionage war die Rede. Der wahre Grund dürfte aber darin liegen, dass er sich als Ex-Kadermitglied von der Kommunistischen Partei abgewandt hatte. Sollte sich Yang, der sich zum Zeitpunkt des Todesurteils seit fünf Jahren in Isolationshaft befand und schwer krank sein soll, zwei Jahre nichts zuschulden kommen lassen, könnte die Strafe noch in lebenslange Haft umgewandelt werden.

Dissidenten werden erst mundtot gemacht, dann getötet

Nicht nur in China wird die Todesstrafe eingesetzt, um unliebsame Stimmen zum Schweigen zu bringen. Ziel sind Menschenrechtsaktivisten, Dissidenten, Demonstranten, Oppositionelle. Insbesondere in Saudiarabien und Iran werde die Todesstrafe eingesetzt, «um all jene mundtot zu machen, die mutig genug sind, ihre Meinung zu sagen». Das sagte Julia Duchrow, Generalsekretärin der deutschen Amnesty-Sektion, laut einer Mitteilung. Insbesondere in Iran wurde im letzten Jahr die Todesstrafe eingesetzt, um gegen Personen vorzugehen, die sich mit den «Frau, Leben, Freiheit»-Protesten solidarisiert hatten. Einer von ihnen war der 22-jährige Mohammad Ghobadlou.

Staaten versprächen sich von der Wiedereinführung der Todesstrafe eine abschreckende Wirkung. Amnesty nennt hier als Beispiel die Demokratische Republik Kongo, die im März die Wiederaufnahme von Hinrichtungen bekanntgegeben hatte. Dies, um «Verrat» innerhalb der Armee zu bekämpfen und um der grassierenden tödlichen Bandengewalt in vielen Städten des Landes Herr zu werden. In Burkina Faso, wo die Todesstrafe 2018 aus dem Strafgesetzbuch gestrichen worden war, kündigten die Militärbehörden Pläne zur Wiedereinführung für gewöhnliche Verbrechen an.

25 Personen wurden letztes Jahr in den USA hingerichtet, eine Person mehr als im Vorjahr und die zweithöchste Zahl seit 2015. Der erneut ins Amt gewählte amerikanische Präsident Donald Trump hat wiederholt die Todesstrafe als Instrument beschworen, um die Bevölkerung vor «gewalttätigen Vergewaltigern, Mördern und Monstern zu schützen». Julia Duchrow von Amnesty Deutschland sagt dazu: «Die entmenschlichenden Äusserungen Trumps stricken weiter an dem Märchen, laut dem die Todesstrafe Menschen besonders davon abschreckt, Straftaten zu begehen.» Die Todesstrafe verhindere keine Verbrechen, so Duchrow, dies sei wissenschaftlich gut belegt.

Öffentliche Hinrichtungen verletzen Standards

Zudem fördern laut Amnesty mehrere Regime die Anwendung der Todesstrafe, um gegen den Konsum und den Verkauf von Drogen vorzugehen. Allerdings erfüllten drogenbezogene Straftaten nicht das Kriterium für schwerste Verbrechen, auf die die Anwendung der Todesstrafe gemäss internationalen Menschenrechtsstandards beschränkt werden muss. Unverhältnismässig viele Angehörige von Minderheiten und sozial benachteiligten Gruppen seien hier von der Todesstrafe betroffen. Von allen 2024 durchgeführten Hinrichtungen seien über 40 Prozent in China, Iran, Singapur und Saudiarabien rechtswidrig wegen Drogendelikten vollstreckt worden, heisst es im Bericht.

Auch gab es öffentliche Hinrichtungen, wodurch internationales Recht verletzt wurde. Mindestens acht solcher Fälle sind aus Afghanistan bekannt, vier aus Iran. Zudem wurden je vier Personen aus Iran und Somalia hingerichtet, die zum Zeitpunkt der ihnen vorgeworfenen Tat noch minderjährig waren, wie Amnesty International konstatiert. Auch Personen mit geistiger Beeinträchtigung wurden von der Todesstrafe nicht ausgenommen.

In Europa ist Weissrussland das einzige Land, das die Todesstrafe anwendet. Der deutsche Staatsbürger Rico Krieger wurde dort am 24. Juni 2024 zum Tode verurteilt, allerdings Ende Juli begnadigt.

Ende 2024 befanden sich weltweit über 28 000 Personen im Todestrakt.

Exit mobile version