Gleich viermal mussten die Schweizer BMX-Racer an Olympischen Spielen Enttäuschungen verkraften – nun in Paris kommt die Wende. Claessens steigt aufs Podest. Simon Marquart und Cédric Butti qualifizieren sich ebenfalls für den Final und erringen ein Diplom.
Seit 2008 ist BMX-Racing olympisch – und bis vor kurzem war es in dieser Disziplin so: Das Schweizer Team stellte immer wieder an den Sommerspielen Medaillenhoffnungen, doch nie wollte es mit einem Podestplatz klappen. An Welt- und Europameisterschaften und im Weltcup heimsten BMX-Athletinnen und Athleten von Swiss Cycling Top-Resultate en masse ein. Aber Olympia? Da ging jedes Mal irgendetwas schief, abgebucht unter der Rubrik Pleiten, Pech und Pannen.
Niemand anderes kann davon besser berichten als der Winterthurer David Graf. Sein Scheitern als Athlet hatte teilweise fast schon tragische Züge; ihm haftete der Ruf eines Bruchpiloten an. Immer geriet er auf den engen Kursen in Zweikämpfe, die ihn aus der Entscheidung warfen. Und er liess bis ins Alter von 31 Jahren nichts unversucht; Graf wurde zum Senior im Weltcup und lebte lange bei seinen Eltern oder im Ausland, um sich seinen Sport finanziell überhaupt leisten zu können. Er trainierte Schnellkraft wie ein Gewichtheber, weil die Explosivität am Start so entscheidend ist. Aber sein Traum von einer Olympiamedaille blieb unerfüllt. Während Olympiasiege an Nationen wie Lettland oder Kolumbien gingen.
Nichts für zarte Gemüter
Heute ist Graf der Schweizer Nationaltrainer – und er machte sich zur Aufgabe, dass immerhin jemand aus seinem Kader das erreicht, was er verpasste hatte. Für die Sommerspiele in Paris nominierte er eine schlagkräftige Equipe. Und tatsächlich: In Frankreichs Hauptstadt ist die Durststrecke zu Ende gegangen. Endlich hat die Schweiz eine olympische Medaille im BMX-Racing! Dafür verantwortlich zeichnet Zoé Claessens, eine 23-jährige Waadtländerin. Sie raste am späten Freitagabend zu Bronze. Im Final musste sich die frühere Europameisterin nur der australischen Siegerin und Top-Favoritin Saya Sakakibara und einer Niederländerin geschlagen geben.
Dieser Erfolg ist Lohn für Aufwand – und für Schmerzen. Claessens musste sich auch schon von happigen Verletzungen erholen, etwa von einem Schlüsselbeinbruch. BMX-Racing ist nichts für zarte Gemüter.
Und ja, der Aufschwung in der Schweizer BMX-Szene ist sehr eng mit dem Namen Claessens verbunden. Denn Zoés Vater war in den achtziger Jahren einer der Ersten gewesen, der die Disziplin im Land überhaupt ausübte und populärer machte. Unter seiner Leitung entstand in der Waadt eine Anlage, die als erste BMX-Piste der Schweiz gilt; der Pionier Vincent Claessens war damals 15-jährig.
Vater als Pionier
Unterdessen ist er Kopf einer Grossfamilie. Und ein anerkannter Unternehmer. Anno 2000 hatte er ein Patent für einen Kinderwecker eingereicht. Dieses Geschäft lief so gut, dass er seine Firma vor ein paar Jahren für gutes Geld verkaufen konnte – was ihm noch mehr Spielraum gab, um die BMX-Karrieren seiner Kinder zu fördern. Diesen war es sogar möglich, rund ums Haus zu trainieren, weil der Vater Strecken-Elemente im Garten und auf dem Garagendach errichtete. Aber das grösste Talent, Zoé, ist heute öfter im nahen Ort Aigle anzutreffen, wo am Hauptsitz des Radweltverbands UCI ebenfalls eine BMX-Piste existiert. Da ist alles etwas professioneller eingerichtet. Und nun haben sich all ihre Anstrengungen auch bei Olympia ausbezahlt.
Im Rennen der Männer belegten die Schweizer Cédric Butti und Simon Marquart die Ränge 4 und 7. Der Thurgauer und der Zürcher wurden dafür mit einem olympischen Diplom belohnt. Die übermächtigen Franzosen feierten einen Dreifach-Erfolg, angeführt von der BMX-Ikone Joris Daudet.
Männer: 1. Joris Daudet (FRA) 31,422. 2. Sylvain André (FRA) 0,284 zurück. 3. Romain Mahieu (FRA) 0,600. 4. Cédric Butti (SUI) 0,702. Ferner. 7. Simon Marquart (SUI) 13,492.
Frauen: 1. Aya Sakakibara (AUS) 34,231. 2. Manon Veenstra (NED) 0,723. 3. Zoé Claessens (SUI) 0,829. Ferner. In den Halbfinals ausgeschieden: 13. Nadine Aeberhard (SUI).
