Donnerstag, März 13

Die Regierung begründet die Massnahme mit dem Jugendschutz. Die Opposition spricht angesichts des bevorstehenden Wahlkampfs von Internetzensur.

Seit Donnerstag ist es in Albanien nicht mehr möglich, über Tiktok Videos zu teilen und anzusehen. Die nationale Aufsichtsbehörde für Telekommunikation hatte in den vergangenen Tagen alle Internetanbieter aufgefordert, den Zugang zu den Servern von Tiktok und dessen chinesischer Muttergesellschaft Bytedance sowie mehr als 200 weiteren Sites, die einen indirekten Zugriff auf die Plattform bieten, zu blockieren.

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Eine Umgehung des Verbots durch sogenannte VPN kann allerdings kaum verhindert werden. Mittels dieser Programme können Internetnutzer den Aufenthalt in einem anderen Land vortäuschen. In Staaten mit starker Internetzensur wie Russland oder der Türkei sind VPN weit verbreitet.

Mord an Jugendlichem löst Verbot aus

Albanien ist das erste europäische Land, das den Zugriff auf Tiktok flächendeckend verbietet. Die Regierung begründet die Massnahme mit dem Mord an einem 14-jährigen Jungen, der im vergangenen November in Tirana von einem anderen Jugendlichen erstochen wurde. Der Tat waren heftige Auseinandersetzungen in den sozialen Netzwerken vorangegangen. Später tauchten Videos auf, die den Mord guthiessen.

Angesichts des grossen öffentlichen Entsetzens über die Tat führten Behördenvertreter im ganzen Land Gespräche mit Eltern und Lehrern. Dabei wurden auch die Gefahren besprochen, die von sozialen Netzwerken ausgehen. 90 Prozent der Befragten unterstützen laut Regierungschef Edi Rama das vorerst für ein Jahr geltende Verbot.

Gleichzeitig stehe die Regierung mit Tiktok im Kontakt, um über bessere Schutzmechanismen von Kindern und Jugendlichen zu sprechen, teilte Rama vergangene Woche auf X mit. Das Unternehmen hatte nach der Ankündigung des Verbots erklärt, dass weder Täter noch Opfer ein Tiktok-Konto gehabt hätten.

Opposition spricht von Zensur

Kritik kommt auch von anderer Seite. Die konservative Opposition sieht in der Massnahme einen Versuch der Internetzensur. In Albanien finden im Mai Wahlen statt. Regierungsnahe Medien dominieren die albanische Presselandschaft. Entsprechend wichtig sind soziale Netzwerke für oppositionelle Parteien. Die Vorsitzende der Medienkommission im albanischen Parlament, Ina Zhupa, spricht von einem verfassungswidrigen Akt. Ihre Demokratische Partei hat für Samstag zu einer Protestkundgebung gegen das Verbot aufgerufen.

Albaniens sozialistischer Regierungschef Rama führt das Land zunehmend autokratisch. Im Ausland werden die rechtsstaatlichen Missstände jedoch kaum zur Kenntnis genommen. Rama tritt im volatilen Balkan als verlässlicher Verbündeter des Westens auf. Zudem macht der ehemalige Künstler und Basketballspieler immer wieder geschickt mit spektakulären Vorstössen von sich reden.

Im September kündigte er an, auf dem Stadtgebiet von Tirana einen souveränen Zwergstaat für den Bektaschi-Orden zu gründen, gewissermassen einen Vatikan für Muslime. Zu Beginn des Syrien-Krieges hatte er angeregt, syrische Chemiewaffen in Albanien zu zerstören. Solche Vorstösse absorbieren die geringe internationale Aufmerksamkeit für das Land meist vollständig.

Grosses Misstrauen gegenüber Tiktok

Mit dem Vorgehen gegen Tiktok nimmt sich Rama einer Frage an, die auch international viel zu reden gibt. Viele Staaten befürchten, über die chinesische App, die weltweit mehr als eine Milliarde Nutzer hat, könnte Peking in Besitz heikler Daten gelangen. In vielen europäischen Ländern ist Angestellten im Staatsdienst die Benutzung der Plattform verboten.

In Rumänien wiederum spielen Vorwürfe, Moskau habe die Wahlkampagne eines prorussischen Kandidaten auf Tiktok manipuliert, eine zentrale Rolle bei der kontroversen Annullierung der jüngsten Präsidentschaftswahl.

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