Liverpool dominiert die Premier League wie letztmals Manchester United vor 31 Jahren. Doch ob der Klub seinen Starspieler Salah halten kann, ist nach wie vor offen.
«Show me the money!», rief Daniel Sturridge im Sky-Studio quasi stellvertretend für Mohamed Salah dem Management des FC Liverpool zu: Zeigt mir das Geld. Sturridge und Salah spielten einst im Angriff des Klubs zusammen. Nun vertritt der frühere Profi Sturridge die Meinung, dass Liverpool den im Juni 2025 auslaufenden Vertrag des Ägypters Salah unbedingt verlängern solle. Wenn ein Spieler mit den Fähigkeiten Salahs viel Geld fordere, müsse man das als Verein dem Spieler bezahlen. Der besagte Ausruf ist ein berühmtes Zitat aus dem Film «Jerry Maguire – Spiel des Lebens» mit Tom Cruise, der einen Sportagenten spielt.
So ähnlich wie Sturridge die Situation betrachtet, dürfte das auch Salah selbst sehen. Er war am Sonntag einmal mehr Liverpools Matchwinner beim 2:0 im Spitzenspiel der Premier League gegen Manchester City. Zunächst legte er mit einer herrlichen Flanke das Führungstor von Cody Gakpo auf, in der Schlussphase verwandelte er einen Elfmeter.
Nach seinem Treffer, den der 32-Jährige nach mehreren vergebenen Chancen geradezu erzwungen hatte, setzte er sich auf die Werbebande und breitete die Arme aus. Als wollte Salah Liverpool nochmals vor Augen führen, dass er es ist, der massgeblichen Anteil an der bisher herausragenden Bilanz des Vereins hat. Die «Reds» führen die Ligatabelle nach dem ersten Saisondrittel mit neun Punkten vor dem FC Arsenal an; der Titelverteidiger Manchester City ist auf den fünften Platz zurückgefallen und um elf Zähler abgehängt. Einen grösseren Vorsprung hatte zu diesem Zeitpunkt bloss Manchester United vor 31 Jahren. United wurde damals souverän Meister.
Auch 2022 dauerten die Gespräche monatelang
Salah nutzte seine exzellente Form vor einer Woche wohlkalkuliert, um den Druck auf den Klub in den zähen Verhandlungen zu erhöhen. Zuvor hatte er mit einem Doppelpack aus einem 1:2-Rückstand einen 3:2-Sieg in Southampton gemacht. In einer seltenen Stippvisite bei den Zeitungsreportern beschwerte er sich, noch kein Angebot vom Klub zur Vertragsverlängerung erhalten zu haben. Er sei enttäuscht und verorte seine Zukunft deswegen gerade «vermutlich mehr weg als da».
Dabei brachte Salah deutlich zum Ausdruck, unbedingt bleiben zu wollen. Er gebe sein Bestes, betonte er: Er verehre die Fans, empfinde Liverpool als einen Verein wie keinen anderen und wolle «so lange wie möglich auf Topniveau spielen». Dabei wischte er die Gerüchte über einen Abschied nach Saudiarabien beiseite. Darüber wolle er nicht sprechen, sagte er. Doch eine Entscheidung liege nicht in seinen Händen.
Die Aussagen lösten in der Fussballwelt ein gewaltiges Echo aus. Und bei den Liverpool-Fans die Sorge, dass ihr Liebling, den sie als «ägyptischen König» verehren, nach acht Jahren im nächsten Sommer tatsächlich gehen könnte. Der Ex-Basler kam 2017 von der AS Roma für 42 Millionen Euro nach Liverpool und gewann seitdem alle relevanten Pokale mit dem Klub. Salahs Vertragspoker erinnert an seine Zusage 2022, welcher ebenfalls monatelange Gespräche vorausgegangen waren.
Seinerzeit versuchte der damalige Trainer Jürgen Klopp, die Anhänger zu beruhigen: Unterschriften von Salah seien nichts, wo man sich auf eine Tasse Tee treffe und sich einige, sagte Klopp. Damit spielte er wohl auf die finanziellen Forderungen des Spielers an.
Salahs Wochengehalt soll derzeit 350 000 Pfund betragen (knapp 400 000 Schweizerfranken), zuzüglich Bonuszahlungen und Bildrechte offenbar eine Million, wie sein Berater im Rahmen einer Studie der Harvard Business School ausplauderte. Es ist davon auszugehen, dass sich der Torjäger trotz seinem fortgeschrittenen Alter erneut einen mehrjährigen Vertrag mit vergleichbar fürstlicher Vergütung vorstellt. So viel verdienen in England momentan nur Erling Haaland und Kevin De Bruyne von Manchester City.
Liverpool liess den Vorstoss von Salah öffentlich unkommentiert. Grundsätzlich verhält sich die amerikanische Investmentfirma Fenway Sports Group (FSG), die hinter dem Verein steht und sehr datenbasiert arbeitet, vorsichtig bei kostspieligen Vertragsgesprächen – um das Gehaltsgefüge und die Hierarchie im Team nicht zu gefährden. Denn auch die Kontrakte der Schlüsselspieler Virgil van Dijk und Trent Alexander-Arnold laufen zum Saisonende aus. Mit beiden soll der Verein im Austausch stehen. Bei van Dijk sind die Überlegungen wohl am weitesten. Die Situation ist für Liverpool nicht ohne Risiko, weil alle Spieler auf einmal ablösefrei wechseln könnten.
Liverpools gutes Gespür bei wichtigen Personalentscheidungen
Jamie Carragher hält das Taktieren des Klubs derweil für nachvollziehbar. Die Vereinslegende widerspricht Sturridge und sagt, Liverpool sei unter FSG nicht darauf aufgebaut, den Spielern zu bezahlen, was sie verlangten. Genau deshalb sei der Erfolg in den Verein zurückgekehrt.
Jüngst bewies die Führungsriege ein gutes Gespür bei wichtigen Personalentscheidungen. So gab Liverpool vor Jahren dem Drängen des Stürmers Sadio Mané nach einer opulenten Gehaltssteigerung nicht nach. Man akzeptierte dessen Wechsel ein Jahr vor Vertragsende für 30 Millionen Euro zum FC Bayern. Dort kam Mané nicht zurecht und wurde schon nach einer Saison nach Saudiarabien an al-Nassr weiterverkauft. Auch die grundlegende Erneuerung des Mittelfelds ist dem Klub gelungen.
Allerdings liegt Salahs Bedeutung nochmals höher. Man könne sich auf Salah immer verlassen, wenn es im Spiel einmal kompliziert werde, lobt der Trainer Arne Slot. Salah kommt inzwischen auf 324 Torbeteiligungen für den Klub und war in der bisherigen Saison bei mehr als der Hälfte aller Pflichtspieltreffer involviert. Zudem stellte er den Rekord von Wayne Rooney ein, der als einziger Profi in England in 36 Ligaspielen sowohl ein Tor als auch einen Assist erzielt hatte. Es sei «immer ein spezielles Gefühl», in Anfield zu treffen, sagte Salah. Doch die Konstellation bezüglich seines Vertrags sei ständig in seinem Kopf.
Nach den kontroversen Einschätzungen von Sturridge und Carragher versuchte sich der Ex-Spieler Micah Richards an einem Kompromiss. Er fand, man könne Mohamed Salah unmöglich alles bezahlen, was dieser sich vorstelle – aber gleichzeitig könne man ihn auch nicht ziehen lassen.
Das Taktieren zwischen Salah und dem FC Liverpool gleicht einer Partie Schach, dem Lieblingshobby des Ägypters. Nach seinem Vorpreschen sind nun die Klubbesitzer am Zug. Sie müssen zeigen, wie viel Geld ihnen der Torjäger wert ist. Salahs Position dürfte sich nach seinen jüngsten Leistungen nochmals verbessert haben.