Freitag, März 14

In der Schweiz gibt es schätzungsweise 3000 Zulieferer der Rüstungsbranche. Viele Betriebe können mit stark wachsenden Aufträgen rechnen. Sie haben es beim Export leichter.

Die Zukunft der Schweizer Rüstungsindustrie wird von gewissen Branchenvertretern in den dunkelsten Farben beschrieben. «Wenn die Exportbedingungen nicht rasch angepasst werden, wird es in der Schweiz künftig keine nennenswerte Rüstungsindustrie mehr geben», schreibt der Industrieverband Swissmem auf Anfrage.

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Die Vereinigung stösst sich vor allem daran, dass es bei der jetzigen Gesetzgebung selbst befreundeten Staaten wie Deutschland nicht erlaubt ist, Militärfahrzeuge, Waffen oder Munition aus der Schweiz an Länder wie die Ukraine weiterzugeben, die um ihr Überleben kämpfen.

Schweizer Anbieter bewegen sich in Nischen

Reine Rüstungsunternehmen, also Firmen, die sich vollständig auf Geschäfte mit militärischen Kunden konzentrieren, gibt es in der Schweiz schon heute nur noch wenige. Dies gilt besonders für Anbieter, die hierzulande noch vollständige Waffensysteme und Militärfahrzeuge herstellen. Ihre Zahl ist im Zuge zahlreicher Fusionen und Übernahmen auf kaum mehr als eine Handvoll geschrumpft.

Daneben gibt es aber nach wie vor eine Vielzahl von Zulieferern der Rüstungsbranche. Die meisten von ihnen stellen Komponenten für militärische Güter her und bewegen sich damit in Nischen. Da sie in aller Regel auch für andere Branchen wie den Automobilsektor, die Medizintechnik oder die Luftfahrt arbeiten, erwirtschaften sie oft nur einen geringen Anteil ihres Umsatzes mit Geschäften im Bereich der Verteidigung.

Swissmem geht selbst von rund 3000 solchen Zulieferbetrieben aus. Das ist eine erstaunlich grosse Gruppe. Offenbar ist es um die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Industrie im Rüstungssektor doch nicht ganz so schlecht bestellt.

Rüstung galt lange als verpönt

Die hohe Zahl von Zulieferern ist umso bemerkenswerter, als viele Industriefirmen in den vergangenen zwei, drei Jahrzehnten ihre Aktivitäten im Rüstungsbereich reduziert haben. Manche hörten sogar ganz damit auf. Die Unternehmen reagierten damit auf Verteidigungsetats, die nach der Beendigung des Kalten Krieges vor allem in westeuropäischen Ländern sukzessive beschnitten wurden. Zudem befürchteten viele Betriebe, in einer verstärkt pazifistisch gesinnten Welt mit Waffengeschäften junge Fachkräfte abzuschrecken.

Doch mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine vor drei Jahren setzte ein Paradigmenwechsel ein. Er wurde jüngst wegen der Abwendung der neuen US-Administration von Europa noch verstärkt. So ist man sich in europäischen Hauptstädten weitgehend einig, wieder deutlich mehr für die Verteidigung ausgeben zu müssen.

Eine zentrale Rolle spielt dabei die EU. Sie hat angekündigt, bei der Bereitstellung von insgesamt 800 Milliarden Euro für die Aufrüstung europäischer Streitkräfte mitzuhelfen. Angesichts eines derartigen Geldsegens kommen Industrieunternehmen nicht umhin, die Lage neu zu beurteilen und sich zu fragen, wie sie von der absehbaren Investitionswelle profitieren können.

Huber + Suhner setzte früh auf Wehrtechnik

Im Vorteil sind dabei Firmen, die sich in all den Jahren trotz der verbreiteten Skepsis nicht von Rüstungsgeschäften verabschiedet haben. Sie können auf bestehendes Know-how und vorhandene Kundenkontakte zurückgreifen.

Eines dieser Schweizer Unternehmen ist Huber + Suhner. Die Firma stellt Kabel und weitere Produkte im Bereich der Verbindungstechnik her und lebt in erster Linie von Geschäften mit der Telekommunikation- sowie der Schienenfahrzeug- und der Autobranche.

Doch vor fünf Jahren beschloss das Management auf der Suche nach neuen Wachstumsfeldern, die Entwicklung von Produkten für militärische Anwendungen zu verstärken. Dies entsprach alles andere als dem damaligen Zeitgeist, aus heutiger Sicht war es ein goldrichtiger Schritt. Parallel zum Rüstungsbereich baute das Unternehmen auch seine Aktivitäten in der Luft- und Raumfahrt aus.

Geschäfte mit diesen drei Segmenten gehen oft Hand in Hand. Das liegt daran, dass die führenden Flugzeughersteller Airbus und Boeing Produkte sowohl für den militärischen als auch für den zivilen Markt im Angebot haben. Beide Unternehmen sind wie viele namhafte westliche Rüstungsfirmen Kunden von Huber + Suhner.

Bei Huber + Suhner wisse man oft selbst nicht, in welchem Bereich die gelieferten Produkte verwendet würden, sagt der Konzernchef Urs Ryffel. Fast alles, was man beispielsweise an Verbindungen für die Bereiche Funk und Radar herstelle, könne zivil und militärisch angewendet werden und gehöre damit zur Kategorie der sogenannten Dual-Use-Güter.

Mehr Freiheiten bei Dual-Use-Gütern

Der Export von Dual-Use-Gütern muss zwar ebenfalls bewilligt werden, fällt aber nicht unter die rigiden Bestimmungen des Schweizer Kriegsmaterialgesetzes. Dadurch lassen sich solche Produkte auch hierzulande einfacher für den Weltmarkt herstellen. «Allerdings machen wir nicht alles, was Wehrtechnik ist, in der Schweiz», räumt Ryffel ein.

Huber + Suhner setzt wie viele grössere Schweizer Zulieferer der Rüstungsbranche auch auf ausländische Standorte. «In Europa und in den USA», wie Ryffel präzisiert.

Obschon die erwartete Investitionswelle im europäischen Verteidigungssektor erst am Anfang steht, verzeichnete Huber + Suhner 2024 bereits ein substanzielles Wachstum. Die drei Bereiche Wehrtechnik sowie Luft- und Raumfahrt steigerten die Verkäufe um 5 Prozent und steuerten damit 12 Prozent zum Konzernumsatz von knapp 900 Millionen Franken bei.

Lange Investitionszyklen

Wie die meisten Unternehmen weist Huber + Suhner Geschäfte mit Kunden der Rüstungsbranche nicht gesondert aus, sondern bündelt sie mit jenen der Luft- und Raumfahrt. Ryffel machte an der Bilanzmedienkonferenz des Konzerns am Dienstag aber klar, dass er die Perspektiven in der Wehrtechnik sowohl im laufenden Jahr als auch mittel- und längerfristig positiv beurteilt: «Es ist davon auszugehen, dass mehr kommt.»

Zugleich ist der Firmenchef bestrebt, keine übertriebenen Erwartungen zu wecken. «Ich rechne nicht mit einem raketenhaften Wachstum», sagte er. Ryffel begründete seine Zurückhaltung mit den langen Investitionszyklen in der Rüstungsbranche. Erst müssten die Regierungen ihre Budgets beraten, gab er zu bedenken. Dann beginne das Gezerre, welche Abteilungen der Streitkräfte wie viel für welches Waffensystem ausgeben dürften. Viele Armeen machten zudem zur Bedingung, neues Material vor dem Einkauf erst ausführlich im Gelände zu testen. «All das dauert rasch mehrere Jahre», sagte Ryffel.

Cicor hegt ehrgeizige Wachstumspläne

Offensiver als Huber + Suhner kommuniziert in Sachen Rüstungsgeschäfte der Hersteller von Elektronikteilen Cicor Technologies. Das Unternehmen aus dem sankt-gallischen Bronschhofen erwirtschaftete einen Fünftel des letztjährigen Umsatzes von 480 Millionen Franken mit Kunden aus dem Verteidigungssektor.

Dabei soll es nicht bleiben. Er wäre, sagte der Firmenchef Alexander Hagemann vergangene Woche bei der Präsentation des Jahresergebnisses, nicht überrascht, den Umsatz im Rüstungsbereich in wenigen Jahren auf über 200 Millionen Franken zu verdoppeln. «Wir stehen erst am Anfang des Wachstums.»

Bei der Zürcher Kantonalbank teilt man die Zuversicht des Cicor-Managements. «Cicor dürfte künftig in erheblichem Mass von steigenden Verteidigungsausgaben in Europa profitieren», hielten Analytiker in ihrer Einschätzung zum Jahresergebnis fest. Auch Anleger scheinen dank der Aufrüstung viel Rückenwind zu erwarten. Der Aktienkurs ist seit Anfang Jahr um einen Drittel gestiegen.

Pilatus sichert sich Grossaufträge für Trainingsflugzeuge

Ein weiterer Nutzniesser wachsender Verteidigungsausgaben ist Pilatus. Der Innerschweizer Konzern, der sich im Besitz mehrerer Privatpersonen aus der Schweiz befindet, stellt neben Privatjets auch Trainingsflugzeuge für Luftstreitkräfte her. Im Militärbereich war die Auftragslage mehrere Jahre lang flau.

Jüngst konnte Pilatus aber Verträge für umfangreiche Bestellungen mit den Luftwaffen Kanadas und Frankreichs unterzeichnen. Auch der Umsatz entwickelte sich im Militärbereich erfreulich. 2024 legte er um fast einen Fünftel auf 373 Millionen Franken zu und übertraf damit deutlich das Gesamtwachstum des Konzerns von 10 Prozent.

Auch bei Pilatus ist die Zuversicht gross – mit Blick auf zivile und militärische Absatzmärkte. «Die Aussichten in beiden Geschäftsbereichen sind gut», lässt Pilatus selbstbewusst verlauten.

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