Freitag, Januar 31

Ökonomen und eine Völkerrechtlerin debattierten am Donnerstag darüber, welchen Einfluss die Geopolitik auf den globalen Rohstoffhandel hat – und welche Rolle die Schweiz dabei spielt.

Wenn die Welt in Aufruhr ist, richten sich aller Augen auf Rohstoffe. So war es zu Beginn des Ukraine-Kriegs, als Europa um Erdgas stritt, nach dem Angriff der Hamas auf Israel, als der Ölpreis abrupt stieg, oder nach der jüngsten Eskalation in Kongo, wo Kobalt abgebaut wird.

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Nur: Was die Konsequenzen dieses Aufruhrs sind, darüber gehen die Meinungen stets auseinander. Diese Diskussionen bildete das «NZZ Podium» am Donnerstag ab. Es debattierten Isabel Feichtner, Professorin für Wirtschaftsvölkerrecht, Peter A. Fischer, Chefökonom «NZZ Pro Global», Norbert Rücker, Head Economics & Next Generation Research, Bank Julius Bär & Co. AG, und Christof Rühl, Forschender für Energiepolitik an der Columbia-Universität. Geleitet wurde die Debatte von Daniel Fritzsche, Ressortleiter der NZZ.

Eröffnet wurde die Diskussion mit einem Impulsreferat des Forschers Christof Rühl. Er führte aus, dass die Energiewende in den kommenden Jahren die Rohstoffmärkte ins Wanken bringen könnte. Denn, so Rühl, die Energiewende sei etwas «historisch Einmaliges». Nicht weil es noch nie einen Wechsel des Hauptenergieträgers gegeben habe – die Industrie wechselte bereits von Holz zu Kohle sowie von Kohle zu Erdöl –, sondern weil die Energiewende primär eine politische Entscheidung sei: «Die Energiewende ist nicht von ökonomischen Anreizen getrieben, sondern von Präferenzen», sagte Rühl. Genau das sei ihr Problem. Denn die Rohstoffmärkte seien stets «relativ friedfertig», so Rühl. Zu Überwerfungen komme es erst durch politische Eingriffe.

Dieser Annahme widersprach die Völkerrechtlerin Feichtner: «Die Rohstoffmärkte wurden unter anderem durch koloniale Eingriffe erst geschaffen», meinte die Forscherin. Gerade am Beispiel der Erdölstaaten sehe man, dass es manchmal politische Eingriffe brauche, um die Rohstoffmärkte stabil zu halten. Die Erdölstaaten bildeten lange Jahre Kartellstrukturen, die den Erdölpreis in die Höhe trieben. «In so einem Fall muss die Politik intervenieren», fand Feichtner.

«Rohstoffe sind eine stumpfe Waffe»

Dann wandte sich die Runde der Frage zu, ob Rohstoffe eine Waffe sein könnten. Eine Frage, die insbesondere zu Beginn des Ukraine-Kriegs immer wieder gestellt wurde. Damals war die Angst gross, dass es aufgrund der Sanktionen gegen den Erdölexporteur Russland in Europa nicht zum Heizen reichen könnte. Das traf nicht ein. Warum? «Weil man Sanktionen wirklich wollen muss», sagt Peter A. Fischer, Chefökonom der NZZ. Das sei im Falle der Ukraine-Sanktionen global betrachtet nicht der Fall gewesen: Russland exportiert seine Rohstoffe weiterhin, einfach nicht mehr nach Europa. «Rohstoffe als Waffe funktionieren theoretisch durchaus, faktisch aber nicht.»

Der Analyst Rücker pflichtete bei: «Rohstoffe sind eine stumpfe Waffe», sagte er. Das sei eine Lehre aus drei Jahren Ukraine-Krieg. Russland habe die Erdgaskapazitäten vor dem Ukraine-Krieg gedrosselt und finde heute kaum mehr Abnehmer dafür. Die Märkte, so Rühl, reagierten auf politische Ereignisse meist lediglich «wie mit einer Stimmungsschwankung».

Nachdem die Runde sich China, den USA und gar Grönland gewidmet hatte, kam die Sprache schliesslich auf die Rolle der Schweiz im globalen Rohstoffhandel. Denn diese ist, obschon die Schweiz klein ist, nicht unbedeutend: Ein grosser Teil der Rohstofftransaktionen wird über den Handelsplatz Schweiz abgewickelt.

Dazu führte Peter A. Fischer aus, dass die Schweiz im Standortwettbewerb gut dastehe, solange die Energiepreise sich im Rahmen hielten. Die Märkte in der Schweiz funktionierten gut. «Global gesehen ist der Rohstoffhandelsplatz Schweiz eine positive Sache.»

Der Analyst Rücker warf ein, dass nicht die Energiepreise, sondern die Bürokratie der grösste Wettbewerbsnachteil Europas sei. Diese habe einfach «kein Preisschild», während die Energiepreise klar bezifferbar seien. Beklagt werde die aufwendige Bürokratie aber durchaus.

Könnte der globale Süden profitieren?

Zum Abschluss diskutierte die Runde, ob und wie Länder des globalen Südens von der verfahrenen Lage im Norden profitieren könnten. Die Völkerrechtlerin Feichtner fand, dass dafür «eine Demokratisierung» der Rohstoffvorkommen nötig sei, wie dies etwa in Ecuador bereits vorgelebt werde.

Der Policy-Experte Rühl entgegnete, dass vor allem stabile Institutionen und Rechtssicherheit nötig seien. Dem pflichtete auch der Analyst Rühl bei: Vor allem weil ein grosser Teil der Wertschöpfung aus Rohstoffen durch die Verarbeitung geschehe, sei Rechtssicherheit wichtig – ohne diese könne im globalen Süden keine relevante Industrie entstehen.

Schliesslich schlug der Experte Rühl den Bogen zum Anfang der Diskussion und sagte: «Es gibt keine andere Lösung als freien Handel und Wettbewerb.» Ein Satz, dem die Runde im NZZ-Foyer grösstenteils zustimmte.

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