Die Wahl einer Rente hat gewichtige Nachteile – vor allem bei einem frühen Tod. Wer sich dagegen entscheidet, ist nicht automatisch ein «Steuertrickser».
Plötzlich sehen sich die Versicherten in der beruflichen Vorsorge als potenzielle «Steuertrickser» gebrandmarkt. Der Bundesrat will den Bezug des Pensionskassenkapitals stärker besteuern. Er begründet seinen Plan mit dem Argument, viele Versicherte liessen sich dieses Vermögen nur deshalb auszahlen, weil sie Steuern sparen möchten. Ohne dieses «Schlupfloch» würden sich viel mehr Personen für eine Rente entscheiden, behauptet er.
Nun mag der Vorwurf für ein paar wenige Grossverdiener zutreffen. Doch um dies zu verhindern, könnte der Bund auch eine Obergrenze für PK-Einzahlungen einführen. Eine solche Lösung hätte zudem den Vorteil, dass sie nicht gegen Treu und Glauben verstösst. Denn wer bisher in der zweiten Säule gespart hat, konnte nicht davon ausgehen, dass die Steuertarife so unvermittelt ansteigen würden.
Ohnehin trifft das Steuerargument für den breiten Mittelstand kaum zu. Zunächst ist es wichtig, zu verstehen, dass die berufliche Vorsorge für angestellte Berufstätige ein Zwangssparen bedeutet. Statt das Geld in die Pensionskasse zu stecken, würden wohl viele lieber ein neues Auto damit kaufen oder sich schöne Ferien leisten. Um diesen Zwang etwas zu mildern, gewährt der Staat eine steuerliche Erleichterung auf die Einzahlung. Daneben gibt es auch manche Versicherte, die sich sogar freiwillig in ihre PK einkaufen. Dazu gehören namentlich Frauen, die nach einer Babypause ihre Altersvorsorge aufstocken wollen, um dereinst weniger von der AHV-Rente abhängig zu sein.
Entscheidend ist die Lebenserwartung
Doch wie steht es nun mit dem Kapitalbezug aus der zweiten Säule, wenn man das Pensionsalter erreicht? Auch hier gilt das «Schlupfloch»-Argument primär für eine kleine Minderheit. Für den Mittelstand dagegen hat die Frage «Kapital oder Rente» eine viel existenziellere Bedeutung, denn es geht um die eigene Lebenserwartung. Wer mit Sicherheit voraussagen könnte, dass er 100 Jahre alt wird, würde vernünftigerweise die Rente wählen. Für ihn wäre das ein gutes Geschäft, während die PK draufzahlt.
Genau umgekehrt ist es, wenn man bereits mit 67 stirbt. Hat man die Rente gewählt, so ist auf einen Schlag das gesamte Vorsorgevermögen verloren. Die Nachkommen eines alleinstehenden Rentners gehen dann komplett leer aus, während die PK oftmals Hunderttausende Franken einstreicht. Ist man liiert, so erhält wenigstens die Witwe oder der Witwer eine reduzierte Rente.
Diese Abwägungen verdeutlichen es: Es gibt sehr wohl sinnvolle und ehrenwerte Gründe für den Kapitalbezug. Mit Steueroptimierung haben diese nichts zu tun. Zumal niemand den Entscheid für die Rente oder das Kapital leichtfertig treffen wird. Denn die Wahl ist irreversibel.
Auf dem Spiel steht die Glaubwürdigkeit
Umso erfreulicher ist es, dass nun erste Pensionskassen wie Profond eine Alternative anbieten. Diese neue Lösung besteht aus einer Rente mit Kapitalschutz – und kombiniert damit die beiden Varianten. Der Versicherte verzichtet zwar auf einen kleinen Teil seiner Rente. Dafür aber erhält er die Garantie, dass bei seinem frühen Tod das bisher ungebrauchte Vorsorgevermögen an die Hinterbliebenen ausbezahlt wird. Das Modell eignet sich namentlich auch für Patchwork-Familien, die nicht durch einen Ehevertrag abgesichert sind.
Die Pensionskassen haben es also in der Hand, mit der Zeit zu gehen und ihr Angebot den sich wandelnden Bedürfnissen anzupassen. Dazu gehört ein faires Angebot, welches verhindert, dass bei einem frühen Tod die gesamten Ersparnisse getilgt werden. Erst recht, wenn der Bundesrat an der Steuererhöhung festhält und den Kapitalbezug verteuert.
Letztlich geht es um die Glaubwürdigkeit der beruflichen Vorsorge. Das sollte auch der Bundesrat bei seinen Steuerplänen bedenken: Es ist ein gefährliches Spiel, für etwas höhere Staatseinnahmen das Vertrauen in das Zwangssparen der zweiten Säule zu untergraben. Frohlocken werden dann all jene, welche ohnehin die AHV zur Volkspension ausbauen wollen – und im Gegenzug die Pensionskassen am liebsten ganz abschaffen.