Bisher arbeitete Meta mit externen Dienstleistern zusammen, um Falschinformationen als solche zu erkennen und einzuordnen. Nun sollen Facebook und Instagram stattdessen die Schwarmintelligenz im Netzwerk nutzen. Es ist ein Schritt zu einer Neuausrichtung des Konzerns.
Meta-CEO Mark Zuckerberg hat am Dienstag eine umfassende Änderung auf seinen Plattformen Instagram, Facebook und Threads angekündigt. Konkret geht es um den Umgang mit Meinungsbeiträgen, Falschinformation und Verschwörungstheorien. Bisher pflegte Meta eine sogenannte Content Moderation, wo hasserfüllte, anstössige oder illegale Posts schnell gelöscht oder mit Warnhinweisen versehen wurden. Nun erklärte Zuckerberg in einem Video, man habe «einen Punkt erreicht, wo wir zu viele Fehler hatten und zu viel Zensur.»
Meta habe «komplexe Systeme» gebaut, um unerwünschte Inhalte, darunter auch Terrorpropaganda oder Bilder von Kindsmissbrauch und Drogenhandel, von seinen Plattformen zu verbannen. Einschränkungen bei Themen wie Migration und Geschlechterfragen seien heute «nicht mehr im Einklang mit der öffentlichen Meinung», sagte Zuckerberg im Video. Auch wenn die Systeme nur wenige Nutzer ungerechtfertigt zensiert hätten, habe dies die Redefreiheit von Millionen von Menschen eingeschränkt. Nun wolle Meta seine Regelwerke vereinfachen und die freie Meinungsäusserung auf den eigenen Plattformen stärken.
Konkret kündigt Zuckerberg an, Meta werde «zunächst in den USA» die Zusammenarbeit mit externen Faktenprüfer beenden. Meta hatte dort unter anderem mit den Nachrichtenagenturen Reuters und APF kooperiert, sowie mit spezialisierten Faktencheckern wie Facktcheck.org oder Politifact zusammengearbeitet.
An der Stelle der externen Faktenprüfer soll nun ein System ähnlich den «Community Notes» der Plattform X eingeführt werden. Dabei sollten illegale Inhalte wie Bilder von Kindsmissbrauch oder Terrorpropaganda automatisch entdeckt und gelöscht werden. Aber die Meta-Algorithmen werden erst bei einer höheren Schwelle von Unerwünschtheit eingreifen. Geringfügige Verstösse gegen die Verhaltensrichtlinien würden künftig erst nach einer Beschwerde eines Nutzers geprüft.
Meta wird konservativer
Die Änderungen zeugen davon, dass Zuckerberg für Facebook und Instagram eine neue Rolle in der Informationsvermittlung sucht. Anfang Jahr musste der liberale Nick Clegg den Posten des Politik-Chefs räumen. Ersetzt wurde er mit Joel Kaplan, einem damaligen engen Mitarbeiter des republikanischen Ex-Präsidenten George W. Bush. In einem Blogeintrag schrieb Kaplan am Dienstag, Meta zeige mit der Änderung, dass es die Stärke habe, Dinge zu ändern, «wenn wir wissen, dass wir sie falsch machten».
Republikanische Politiker hatten die Meta-Plattformen jahrelang kritisiert, zu viele ihrer Meinungsbeiträge zu löschen oder in der Verbreitung einzuschränken. Unter anderem deshalb hatte der designierte US-Präsident Donald Trump während dem Wahlkampf Meta mehrfach verbal angegriffen und CEO Mark Zuckerberg mit Gefängnis gedroht. Meta hatte Trump Anfang 2021 nach dem Sturm auf das Capitol, das das Ende seiner ersten Amtsperiode markierte, von seinen Plattformen verbannt, später aber wieder zugelassen.
Ob die Änderung in anderen Weltregionen, unter anderem dem deutschen Sprachraum, ebenfalls eingeführt werden, sagte Zuckerberg am Dienstag nicht explizit. Er wählte aber mit «wir starten in den USA», eine Formulierung, die erwarten lässt, dass sich die neue Regelung zu einem späteren Zeitpunkt auch in anderen Weltregionen durchsetzen dürfte.
Meta: Ein Fähnchen im Wind?
Die Änderung sieht danach aus, als wolle Zuckerberg sein Unternehmen an die neuen Begebenheiten im Weissen Haus anpassen. Tatsächlich nennt Zuckerberg im Video Trump mehrmals namentlich und wiederholt dessen Botschaften, wonach traditionelle Medien und Faktenchecker die politische Gegebenheiten nach eigenem Gutdünken verzerrten und zensierten.
Weiter, kündete Zuckerberg an, Meta plane, gemeinsam mit Trump, «gegen Regierungen weltweit» vorzugehen, «die amerikanische Unternehmen angreifen und darauf drängen, mehr zu zensieren», auch in Europa. Dazu werde Meta sein Moderationsteam von Kalifornien nach Texas verlagern, um «die Wahrnehmung von Befangenheit zu reduzieren».
Matthias Kettemann, Professor für Innovation und Internet-Governance an der Uni Innsbruck, sieht die Änderung kritisch. Meta mache sein bewährtes System für die Content Moderation nun in Zeiten von ansteigender Desinformation «ohne Not kaputt».
Er schätzt das bisherige System von Meta für die Content Moderation mit externen Faktencheckern als stärker ein als jenes bei X, das primär auf dem Reporting und der Korrektur von unzulässigen Inhalten durch Nutzerinnen und Nutzern basiert. Dass Meta nun ausgerechnet X als Modell für seine neue Content Moderation nimmt, bedauert Kettemann. Schliesslich ist X laut einer Analyse, die die Europäische Union in Auftrag gab, jene Plattform, auf der sich Desinformation am stärksten verbreitet.
Dennoch relativiert Kettemann die Änderung: «Die Wissenschaft hat wenig Belege dafür, dass Faktenchecks die Meinungen der Leute tatsächlich nachhaltig korrigieren.» Damit ist nicht klar, ob die Änderung auf den Meta-Plattformen die Meinungen der Nutzerinnen und Nutzer tatsächlich beeinflusst.
Meta spart sich Kosten
Aus Sicht des Unternehmens ergibt die Änderung wirtschaftlich durchaus Sinn. Meta hatte bisher die externen Faktenprüfer für ihren Aufwand entschädigt. Diese Kosten spart das Unternehmen nun und delegiert die Arbeit an Nutzerinnen und Nutzer, die sie gratis verrichten.
Nicht zuletzt dürfte dies das Engagement jener Nutzer auf den Plattformen erhöhen, die sich als Faktenprüfer engagieren. Wer Falschnachrichten meldet und überprüft, dürfte mehr Zeit auf Instagram oder Facebook verbringen. Damit kann Meta zusätzliche Daten über seine Nutzer sammeln und ihnen mehr Werbungen anzeigen.
Eine weitere Änderung, die Zuckerberg ankündigte, könnte eine Chance für die informierte Zivilgesellschaft darstellen: Meta will künftig politische und gesellschaftliche Themen wieder stärker verbreiten. In den letzten Jahren wurden politische Diskussionen auf den Instagram und Facebook eher unterdrückt als gefördert. Dies könnte den politischen Diskurs auch zu Menschen tragen, die sich bisher wenig dafür interessierten.