Mittwoch, Februar 5

Der amerikanische Präsident hat am Freitag in einer kurzfristig anberaumten Rede einen Plan für ein Ende der Feindseligkeiten im Gazastreifen präsentiert. Angeblich beruht er auf israelischen Vorschlägen.

Der amerikanische Präsident hat am Freitag überraschend einen neuen israelischen Vorschlag für eine permanente Waffenruhe im Gaza-Krieg veröffentlicht. In einer Rede im Weissen Haus präsentierte Joe Biden den Plan als einen Schritt auf dem Weg zu einem dauerhaften Stopp des Blutvergiessens. «Es ist an der Zeit, diesen Krieg zu beenden», sagte der Demokrat.

Der Plan beruht gemäss Biden auf drei Phasen. In einem ersten Schritt sollen die Waffen für sechs Wochen schweigen. In dieser Zeitspanne zögen sich die israelischen Streitkräfte aus allen Bevölkerungszentren im Gazastreifen zurück. Die Terrororganisation Hamas müsste eine gewichtige Gruppe von Geiseln freilassen, unter ihnen auch die festgehaltenen Amerikaner. Im Gegenzug würde Israel «Hunderte von palästinensischen Häftlingen» auf freien Fuss setzen. Auch würde in dieser Zeitspanne die Versorgung der hungernden Zivilbevölkerung im Gazastreifen verbessert. Biden nannte die Zahl von 600 Lastwagen pro Tag, die Hilfsmittel ins Kriegsgebiet transportieren könnten.

In der zweiten Phase würden die Verhandlungspartner die «Feindseligkeiten» endgültig einstellen; die Waffen würden damit permanent ruhen. Die Hamas müsste sämtliche Geiseln freilassen; auch die Leichen der Menschen, die am 7. Oktober von der Terrororganisation entführt worden waren, müssten den israelischen Behörden überstellt werden. In der dritten Phase würde der Wiederaufbau der zerstörten Wohngebiete im Gazastreifen in Angriff genommen.

Biden räumte ein, dass «gewisse Einzelheiten» zwischen den Konfliktparteien noch ausgehandelt werden müssten. Dies sei nicht aussergewöhnlich. Israel müsse aber keine Angst haben, dass dieser Vorschlag die Sicherheit des Landes gefährde. Der Feind sei besiegt. Zum jetzigen Zeitpunkt sei die Hamas nicht mehr in der Lage, einen ähnlich verheerenden Terroranschlag wie vor fast acht Monaten durchzuführen, sagte Biden.

Unklarheit herrschte zunächst darüber, ob es sich bei dem Plan um einen amerikanischen oder um einen israelischen Vorschlag handelt. Ein Berater von Präsident Biden, der nach der Rede die Medienschaffenden informierte und auf Anonymität bestand, sagte dazu: «Dieser Vorschlag wurde von Israel angenommen und gestern an die Hamas übermittelt.»

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu wiederum wollte dies vorerst nicht direkt bestätigen. In einer Mitteilung rief sein Büro am Freitag vielmehr erneut die wichtigsten Ziele seiner Regierung in Erinnerung. Gemäss der Mitteilung wird der Krieg im Gazastreifen erst dann enden, wenn sämtliche Geiseln freigelassen werden und die Hamas keine militärische Gefahr für Israel mehr darstellt. Auch dürfe die Terrororganisation nicht mehr über die Leistungsfähigkeit verfügen, um den Gazastreifen zu regieren.

Die Hamas wiederum deutete in einer Stellungnahme ihre Bereitschaft an, mit den genannten Vorschlägen «positiv und konstruktiv» umzugehen. Ob diese Aussage zum Nennwert genommen werden kann, blieb vorerst offen. Der amerikanische Präsident hatte zuvor in seiner Rede gesagt, dass auch die Terrororganisation einen Waffenstillstand wolle.

Biden will Extremisten isolieren

Klar ist: Mit seiner Rede untermauerte Biden, dass er aus innen- und aussenpolitischen Gründen unbedingt die Blockade in den Verhandlungen über einen Waffenstillstand im Gazastreifen durchbrechen will. Er möchte dies erreichen, ohne die israelische Regierung noch stärker unter Druck zu setzen. So stellte er das Angebot am Freitag als israelische Offerte an die Hamas dar.

Gleichzeitig ging Biden aber auch auf Distanz zu extremistischen Kräften in Israel. So sagte der Präsident, dass Israel keinen «totalen Sieg» anstreben solle. Die Kosten für einen solchen militärischen Triumph seien zu hoch. Zudem würde eine solche Strategie Israel in der Weltgemeinschaft noch stärker isolieren. Auch deshalb rief Biden die Menschen, die an Frieden interessiert seien, dazu auf, ihre Stimme zu erheben. «Lassen Sie Ihre Anführer wissen, dass sie diesen Vorschlag annehmen sollen», sagte der Präsident.

Speaker Johnson lädt Netanyahu ein

Dabei drängt die Zeit. Denn noch vor der Sommerpause des amerikanischen Kongresses im August wird Netanyahu in Washington erwartet. Am Freitag wurde der israelische Ministerpräsident von den führenden Republikanern und Demokraten im Repräsentantenhaus und im Senat offiziell eingeladen, eine Rede zu halten. Der Speaker Mike Johnson veröffentlichte ein entsprechendes Einladungsschreiben. In der langen politischen Karriere des Rechtspolitikers wäre dies bereits die vierte Ansprache vor beiden Kammern des Kongresses; keinem anderen ausländischen Politiker kam diese Ehre derart oft zu.

Netanyahu wird diese Gelegenheit sicherlich nutzen, um seine rechten Verbündeten in Washington um sich zu scharen. So torpedierte er vor zehn Jahren auch schon das Iran-Abkommen, das die damalige Regierung von Präsident Barack Obama und dessen Vizepräsident Joe Biden ausgehandelt hatte.

Angesichts der Kritik, die Netanyahu in Washington entgegenschlägt, ist mit einem turbulenten Auftritt zu rechnen. Kürzlich sagte der demokratische Senator Chris Murphy über den israelischen Ministerpräsidenten: «Wenn er hierherkommt und einen Streit mit den Demokraten beginnt, weiss ich nicht, ob das irgendjemandem hilft.»

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