Sonntag, Oktober 6

Die Schweiz steht vor einer heissen Spardebatte. Dabei wird es auch um Grundsätzliches gehen. Was sind die grossen Fragen?

Jetzt gilt es ernst. Diese Woche dürfte der Bundesrat einen mit Spannung erwarteten Expertenbericht publizieren, der umfassende Sparvorschläge für den Bundeshaushalt enthält.

Der Bericht wird den Ton für die Spardebatte im Herbst setzen. Dem Vernehmen nach wird die fünfköpfige Expertengruppe ziemlich radikale Vorschläge machen. Bereits kurz nach der Publikation will der Bundesrat mehrere runde Tische abhalten, um die Sparideen mit allen interessierten Kreisen zu diskutieren. Danach soll eine zügige Vernehmlassung folgen.

Die Ausgangslage für die Sparübung ist ernst. Wenn der Bund nichts unternimmt, wird der Fehlbetrag im Bundeshaushalt in den kommenden Jahren mindestens 2,5 Milliarden Franken erreichen. Die genaue Höhe hängt unter anderem davon ab, wie schnell das Parlament die Armee ausbauen will. Mit Kosmetik lassen sich solche Defizite nicht mehr korrigieren. Nachdem der Bund viele Jahre lang Überschüsse erzielt hat, muss er nun den Gürtel enger schnallen.

Was sind die grossen Fragen, um die es in der Spardebatte gehen wird?

Wo und wie viel muss der Bund sparen?

Sparen wäre eigentlich einfach. Das lässt sich allein an der Grösse des Bundeshaushalts erkennen. Im Jahr 2026 – dem ersten Jahr, in dem die Sparmassnahmen greifen sollen – wird der Bund laut geltendem Finanzplan 90 Milliarden Franken ausgeben. Im Vergleich mit dieser Summe wirken die 2,5 Milliarden, die mindestens wegfallen sollen, überschaubar. Sie entsprechen 3 Prozent des Budgets. Das sollte keine unüberwindbare Hürde sein.

Zudem wächst der Bundeshaushalt stark. Das gilt einerseits für die Ausgaben. Noch im Jahr 2023 hatte der Bund 81 Milliarden Franken aufgewendet. Im Jahr 2026 sollen es nach bisheriger Planung bereits 90 Milliarden sein und 2028 rund 95 Milliarden. Das entspricht einem Ausgabenwachstum von 17 Prozent innert fünf Jahren.

Anderseits sprudeln – zum Glück des Bundes – auch die Steuereinnahmen. Dank der gut laufenden Wirtschaft nehmen sie deutlich zu, von knapp 80 Milliarden (2023) auf voraussichtlich 93 Milliarden (2028).

Der stark wachsende Haushalt bedeutet, dass die Sparziele des Bundes eigentlich nicht sehr ambitioniert sind. Um sie zu erreichen, muss man niemandem den Besitzstand streitig machen. Es reicht, wenn die Ausgaben etwas weniger stark zunehmen als bisher geplant. Konkret genügt es, wenn das Ausgabenwachstum von 17 Prozent bis 2028 auf höchstens 14 Prozent reduziert wird. Dann halten die Ausgaben mit den sprudelnden Einnahmen mit – und die Defizite verschwinden.

Mithin ist beim Bund kein Kahlschlag nötig. Es geht darum, das hohe Ausgabenwachstum etwas abzuflachen.

Warum ist der Widerstand so gross?

Dennoch wird die Spardebatte in Bern harzig verlaufen. Das hat sich schon im Vorfeld gezeigt: In den vergangenen Monaten haben Parlamentarier unzählige Vorschläge lanciert, um möglichst wenig oder gar nicht sparen zu müssen. Manche wollen die Schuldenbremse aussetzen – die Defizite sollen also gedeckt werden, indem man sich stärker verschuldet. Andere schlagen Steuererhöhungen vor. Nur Ausgabenkürzungen sind unbeliebt.

Warum die Lust zum Sparen so gering ist, zeigt ein Blick auf drei der grössten Ausgabenposten des Bundes.

Welche Rolle spielen gebundene Ausgaben?

Am meisten Geld gibt der Bund für Soziales aus. Im Jahr 2023 waren es 27 Milliarden Franken, davon rund die Hälfte für die AHV. Denn die Beitragszahler bestreiten bei weitem nicht die ganzen AHV-Ausgaben. Der Bund schiesst einen festen Anteil von 20,2 Prozent der AHV-Kosten aus Steuermitteln ein. Diese Ausgaben sind in den vergangenen Jahrzehnten überproportional stark gewachsen. Das liegt vor allem an der Demografie: Es gibt mehr Rentner und diese leben länger.

Im Bundeshaushalt herrscht deshalb ein Problem der sozialen Dominanz: Die stark wachsenden Sozialausgaben – neben der AHV etwa auch für Krankenkassen-Prämienverbilligungen – verdrängen zunehmend die Mittel für andere Zwecke. Der Spielraum für andere Ausgabenschwerpunkte wird immer enger.

Dies könnte man etwa ändern, indem man den Bundeszuschuss an die AHV anpasst. Aber hier zeigt sich ein erstes Grundproblem der Spardebatte: Bei den AHV-Beiträgen des Bundes handelt sich um sogenannt stark gebundene Ausgaben, das heisst, dass es für die Anpassung eine Gesetzesänderung braucht. Mittlerweile bestehen zwei Drittel des Bundeshaushalts aus gebundenen Ausgaben.

Viele Parlamentarier halten Einsparungen bei gebundenen Ausgaben für nicht machbar, weil Gesetzesänderungen lange dauern und politische Mehrheiten schwierig zu finden sind. Das Argument überzeugt jedoch nicht: Das Parlament ist dazu da, um Gesetze zu ändern.

Warum beteiligen sich die Kantone nicht stärker?

Zu den grössten Ausgabenposten des Bundes gehört der Verkehr mit 10,5 Milliarden Franken. Davon entfallen rund 1,2 Milliarden Franken pro Jahr auf die Förderung des Regionalverkehrs. Von diesen Zahlungen profitieren hauptsächlich die Kantone. Auf ähnliche Weise hilft der Bund zum Teil bei der Finanzierung von kantonalen Strassennetzen mit.

Der Bund könnte seine Beiträge an den Regionalverkehr verringern. Dann müssten aber die Kantone mehr bezahlen – oder die Ticketpreise müssten steigen. Das zeigt ein zweites Grundproblem der Spardebatte: Anpassungen beim Bundesbudget sind häufig mit einer Änderung der Lastenteilung zwischen Bund und Kantonen verbunden.

In den vergangenen Jahren hat der Bund zunehmend die Finanzierung von Aufgaben übernommen, die eigentlich in die Zuständigkeit der Kantone fallen.

Auf eine Verschiebung der Lasten in Richtung Kantone haben die Stände wenig Lust. Doch eine solche Debatte ist nur schon deshalb wichtig, damit die Verantwortlichkeiten im Föderalismus wieder klarer festgelegt werden und weniger Geld verschwendet wird. Die gute Nachricht lautet: Eine solche Reform wird im Rahmen des Projekts «Entflechtung 27», das jüngst lanciert wurde, angegangen.

Warum zahlen die Bürger nicht mehr?

Ein dritter grosser Ausgabenposten des Bundes ist die Bildung, er gibt dafür 8 Milliarden Franken pro Jahr aus. Rund 2,1 Milliarden davon fliessen an die beiden ETHs in Zürich und Lausanne, weitere 0,7 Milliarden an die Förderung von kantonalen Universitäten.

Der Bund könnte sparen, indem er die Beiträge an die Hochschulen reduziert. Diese könnten im Gegenzug die Studiengebühren erhöhen. Das zeigt ein drittes Grundproblem der Spardebatte: Wenn der Staat Ausgaben reduziert, müssen stellenweise die Bürgerinnen und Bürger mehr aus der eigenen Tasche bezahlen.

Bei den ETHs beispielsweise betragen die Studiengebühren bis jetzt 1500 Franken pro Jahr. Das ist wenig im Vergleich mit anderen internationalen Spitzenhochschulen. Eine Erhöhung der Studiengebühren erscheint zumutbar; allfällige Härten könnten über Studienkredite abgefangen werden.

Bei der kommenden Spardebatte geht es deshalb auch um die grundsätzliche Frage: Was soll der Staat finanzieren, und was liegt in der Verantwortung der Privaten?

Die drei Beispiele zeigen, warum den Sparplänen des Bundes viel Widerstand entgegenschlagen wird. Jede Interessengruppe – von den Parteien über die Kantone bis zu den Verbänden – wird dafür kämpfen, dass ihre Klientel geschont wird. Die Schweiz wird im Herbst einen Verteilkampf erleben.

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