Freitag, Oktober 4

Eine Milbe profitiert von den Hinterlassenschaften der Singzikaden, die alle paar Jahre in den USA massenhaft auftauchen.
Der Parasit beisst die Menschen und macht ihnen das Leben schwer.

Vorgarten und Bäume sind unter einem Zikadenteppich begraben, ohrenbetäubendes Rasseln übertönt den nachbarschaftlichen Plausch. Alle paar Jahre schlüpfen in den USA Millionen von Singzikaden. Diesen Mai kam es im Mittleren Westen zu einer Superorgie: eine Brut, die nur alle siebzehn, und eine, die alle dreizehn Jahre schlüpft, tauchten gleichzeitig auf. Viele Menschen litten erst unter schlaflosen Nächten. Und jetzt an einem juckenden Hautausschlag.

Derzeit werden vor allem aus dem Gliedstaat Illinois zahlreiche Fälle von anhaltenden Hautausschlägen gemeldet. Auch nach früheren Zikadenjahren folgten auf die Schwärme dann im Spätsommer Wellen von juckenden Pickeln und Pusteln. Das ist kein Zufall, sondern liegt tatsächlich an den Zikaden. Wenn auch indirekt.

Die Zikadenweibchen legen nämlich die Eier unter die Rinde von Bäumen. Sind die Larven geschlüpft, beginnt für eine Milbe namens Pyemotes herfsi das grosse Festmahl: Sie fressen die Überbleibsel, also Eier- wie auch Insektenreste auf. Ein Super-Zikadenjahr ist für die Milben wie ein Sechser im Lotto plus Zusatzzahl, oder anders gesagt: Futter, das millionenfache Fortpflanzung innert weniger Wochen garantiert.

Das kurze, aber enorm produktive Leben der Baummilbe

Die Milbe lebt normalerweise auf Bäumen, vorzugsweise auf Eichen, und ernährt sich von dort abgelegten Larven der Gallmücken. Das Leben der parasitären Milben ist kurz und intensiv: Zuerst verlassen die Männchen den Mutterleib, kurz darauf folgen die Weibchen. Nach der Paarung sterben die Männchen, und die Weibchen suchen Nahrungsquellen. Ihr Hinterleib schwillt auf das Zigfache an, bis zu 250 neue Milben wachsen heran. Nach gut einer Woche verlassen diese die Blase, die nächste Generation geht an den Start.

Je mehr Futter im Baum, desto mehr Milben können überleben. In einem Zikadenjahr sind es Hunderttausende – pro Baum. Doch irgendwann, in der Regel im Spätsommer, ist das Buffet leer gefressen. Dann lassen sich die Milben vom Baum fallen. Manche reisen auch einfach per Luftpost und werden durch offene Fenster in Wohn- oder Schlafzimmer geweht.

Geht just in diesem Moment ein Tier oder Mensch vorbei oder liegt herum, dann krabbeln die Milben nach der Landung vorzugsweise zu einem freiliegenden Fleckchen Haut, vorzugsweise weich und dünn. Mit ihren scharfen Mundwerkzeugen beissen sie sich fest und injizieren einen Tropfen Speichel direkt unter die Haut. Im Speichel enthaltene Enzyme lösen ein bisschen Gewebe auf, diesen Sirup schlürft die Milbe dann als Futter. Nach wenigen Stunden verlässt sie die Hautstelle wieder.

Milbenbisse verursachen lokale Entzündung

Die Milben übertragen keine Krankheiten, immerhin. Aber ihr Speichel löst eine schwache Entzündung und oftmals auch eine allergische Reaktion aus. Die Einstichstelle schwillt zu einem roten Pickel an. Und der juckt. Vor allem nachts, wenn die Bettwärme die Reaktionen noch etwas anheizt. Im Gegensatz zu einem Mückenstich bleibt der Ausschlag bis zu zwei Wochen. Und juckt immer weiter.

Gefährlich kann es werden, wenn die Betroffenen die Pickel aufkratzen und sich dann Bakterien dort festsetzen und vermehren. In den USA wird von Patienten berichtet, die mit mehr als 100 Milbenbissen auf dem Oberkörper im Spital behandelt werden mussten.

Die Plagegeister sind weniger als einen halben Millimeter lang und somit für den Menschen unsichtbar. Er bemerkt ihren Besuch erst, wenn sie ihn schon wieder verlassen haben und er die juckenden Pickel wahrnimmt. Gängige Antimilbenmittel oder auch Insektizide nützen laut Experten wenig bis nichts. Das Einzige, was hilft, ist: alle draussen getragenen Kleider waschen, duschen und auf die Pickel eine Crème gegen den Juckreiz auftragen. Wenn es ganz schlimm wird, sollten Antiallergika genommen werden. Die gute Nachricht: Die Milben können weder im Haus noch im Bett noch in anderen Textilien überleben.

Die parasitären Milben sind europäischer Herkunft. 1936 wurden erstmals Hautausschläge nach Milbenbissen dokumentiert. Die Minitierchen gelangten vermutlich mit Strohmatratzen Anfang des letzten Jahrhunderts in die USA. Denn die Milben sind bezüglich Futter nicht sehr wählerisch. Ausser von Gallmückenlarven oder Zikadenresten ernähren sie sich auch von Käfern, die im Stroh leben, oder Ungeziefer, das in leeren Vogelnestern herumkriecht.

In der Wiese lauern Grasmilben – auch diese beissen

Die Milben aus den Bäumen sind übrigens nicht die einzigen Plagegeister aus der Grossfamilie, die dem Menschen den Sommer erschwert haben könnten. Auch im Gras lauern Milben, genauer die Larven der Grasmilben. Auf den Spitzen von Halmen warten sie auf vorbeilaufende Buffets. Auch ihre Bisse verursachen tagelang juckende Pickel.

Im Gegensatz zu den Baummilben krabbeln die Verwandten aus dem Gras meist unter eng anliegende Kleidung. Wer also viel im Gras lag und danach mehrere juckende Quaddeln im Genitalbereich oder auf dem Bauch hat, der wurde vermutlich von Grasmilbenlarven gebissen.

Zum Glück übertragen auch diese keine Krankheiten. Auch hier gilt: kratzen verboten, stattdessen cremen.

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