Parfums erfreuen sich besonders unter jungen Erwachsenen wachsender Beliebtheit. Für Duftstoffhersteller wie die Zürcher Firma Luzi ist das ein Segen.
Die starken Düfte fallen auf. Im Tram, in Restaurants oder in Umkleideräumen von Schwimmbädern und Fitnessstudios. Manche Konsumentinnen und Konsumenten scheinen beim Auftragen von Parfum kaum Grenzen zu kennen.
«Man riecht es überall», bestätigt Roland Altenburger, der Chef des Zürcher Duftstoffherstellers Luzi. Parfums hätten vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen stark an Beliebtheit gewonnen. «Als ich um die 20 war, besassen die meisten meiner Altersgenossen ein Produkt oder zwei», sagt der 42-jährige Unternehmer, der die Familienfirma aus Dietlikon seit neustem in dritter Generation führt. «Heute investieren viele Junge regelrecht in Parfums und legen ganze Sammlungen an.»
Duftende Arme und Beine
Doch Parfums werden nicht nur in grosser Zahl gekauft, sie werden auch intensiv und nicht selten kombiniert aufgetragen. So begnügen sich manche Leute nicht mehr damit, den Hals und die Brust zu parfümieren. Sie besprühen auch Arme, Beine und andere Körperteile. Zugleich wird nicht selten Schicht um Schicht appliziert, wobei verschiedene Parfums zur Anwendung gelangen. Dank solchen Kombinationen lassen sich individuelle Duftnoten kreieren. Darauf sprächen, wie es in der Branche heisst, besonders Angehörige der Generation Z an. Sie könnten sich so von der Masse abgrenzen.
Für die Branche ist der Run auf ihre Produkte ein Segen. Führende Kosmetikfirmen, die wie L’Oréal, die amerikanischen Konzerne Coty und Estée Lauder oder das spanische Unternehmen Puig eine grosse Zahl von Parfums im Angebot haben, verzeichnen in vielen Weltregionen hohe Wachstumsraten. Mit ihnen profitieren auch über 100 Firmen, die sich wie Luzi auf die Herstellung von Duftstoffen spezialisiert haben und als Lieferanten der Kosmetikindustrie dienen. Sie bringen es zusammen auf einen geschätzten Umsatz von 16,5 Milliarden Dollar.
Givaudan ist Marktführer
Davon entfallen allerdings fast 70 Prozent auf die vier führenden Produzenten Givaudan, DSM-Firmenich, IFF und Symrise. Der Marktführer Givaudan, dessen Sitz sich in Vernier bei Genf befindet und der im zurückliegenden ersten Semester den Umsatz mit Parfumherstellern gleich um 15 Prozent steigerte, erreicht laut einer Aufstellung von Luzi allein einen Marktanteil von 22 Prozent. Beinahe gleich gross im Geschäft mit Duftstoffen ist sein schweizerisch-niederländischer Konkurrent DSM-Firmenich.
Im Vergleich mit diesen Schwergewichten ist Luzi ein kleiner Fisch. Das Unternehmen bezeichnet sich – mit einem Marktanteil von 1 Prozent –als Nummer zwölf der Branche. Allerdings hat es auch die Traditionsfirma geschafft, in den vergangenen Jahren kräftig zu expandieren. Seit 2016 habe das jährliche Wachstum im Durchschnitt 13 Prozent betragen, rechnet Altenburger vor.
Im vergangenen Jahr stieg der Umsatz erstmals auf 100 Millionen Franken. Bis zum Ende der laufenden Dekade strebt das Unternehmen mit 280 Mitarbeitenden – 190 von ihnen in der Schweiz – eine Verdoppelung auf 200 Millionen Franken an.
Steigende Dosierungen
Firmen, die wie Luzi im Auftrag von Kosmetikfirmen Duftstoffe herstellen, ziehen aus der boomenden Nachfrage nach Parfums einen weiteren Vorteil. Sie profitieren davon, dass die meisten Düfte stärker dosiert werden als noch vor 10, 20 Jahren. Während das Wasser-Alkohol-Gemisch eines klassischen Eau de Toilette für Männer ursprünglich zu 10 bis 15 Prozent und ein Eau de Parfum für Frauen zu 15 bis 20 Prozent aus Parfum bestand, sind es heute verbreitet 20 oder sogar 30 Prozent und mehr.
Diese höheren Dosierungen sind mit ein Grund, warum der Duft von Parfums vielerorts derart penetrant wirkt. Duftstoffhersteller braucht dies nicht zu stören. Sie können im Gegenteil für fast jeden Liter Parfum, der heutzutage produziert wird, grössere Mengen ihrer Vorprodukte absetzen als früher.
Margenträchtiges Geschäft
Das Geschäft der Duftstoffhersteller ist hochrentabel. Der Marktführer Givaudan erreichte im vergangenen Jahr auf Stufe Betriebs-Cashflow (Ebitda) eine Umsatzrendite von 21,3 Prozent. Luzi brachte es laut eigenen Angaben sogar auf fast 23 Prozent.
Vom Gesamtpreis eines Parfums machen die Duftstoffe gleichwohl nur einen kleinen Teil aus. Konsumenten berappen beim Kauf auch die Aufwendungen für die Verpackung und vor allem für das Marketing. Wie fast alle Luxusgüter zählen Parfums zu den Produkten, deren Anbieter – gemessen am Umsatz – am meisten Geld für Werbung ausgeben müssen. Der Markt ist hochkompetitiv, neben globalen Brands wie Chanel oder Dior gibt es auch unzählige regionale und sogar lokale Marken. Ausserdem gelangen praktisch täglich neue Düfte auf den Markt, die ebenfalls eine Käuferin oder einen Käufer finden müssen.
So gesehen ist es nicht erstaunlich, dass die weltweiten Einzelhandelsumsätze, die mit Parfums erwirtschaftet werden, den Gesamterlös der Duftstoffhersteller deutlich übersteigen. Laut der Marktforschungsfirma Euromonitor wurden vorletztes Jahr Parfums im Gesamtwert von 57 Milliarden Dollar verkauft. Je 44 Prozent davon entfielen auf die Verkaufsregion Europa, Naher Osten und Afrika sowie auf Nord- und Südamerika. Lediglich 12 Prozent des Umsatzes wurden im Raum Asien-Pazifik erwirtschaftet.
Wie der Chef von Luzi ausführt, hätten viele Chinesen nach wie vor Hemmungen, sich zu parfümieren. Die Kulturrevolution, unter der bis 1976 die Verwendung von Parfums gewissermassen verboten war, scheint bis heute nachzuwirken.
Opportunitäten in Dubai
Luzi betreibt neben der Produktion am Stammsitz eine zweite Fabrik in Malaysia. Doch auch für die Zürcher Firma bildet Asien einen vergleichsweise kleinen Absatzmarkt. Am gewichtigsten sind für sie Geschäfte im Nahen Osten. Sie steuerten 2023 einen Drittel zum Umsatz bei. Roland Altenburger schwärmt von den Marktchancen, die sich Luzi in Saudiarabien und in den Emiraten böten. Parfums hätten im arabischen Raum schon immer einen hohen Stellenwert gehabt, sagt er. «Nun gibt es aber ganz viele Brands vor allem aus Dubai, die für den Weltmarkt lanciert werden.»
Zwischen 2017 und 2022 expandierte der globale Parfummarkt laut den Zahlen von Euromonitor im Durchschnitt um 2 Prozent pro Jahr. Für die kommenden fünf Jahre rechnet die Marktforschungsfirma indes mit einer Beschleunigung des jährlichen Wachstums auf 7 Prozent. Sie begründet dies mit dem wachsenden Gewicht von Konsumenten der Generation Z. Bis 2030 werde diese Altersgruppe mit den Jahrgängen 1996 bis 2010 einen Viertel der Weltbevölkerung bilden. Als weiteren Wachstumstreiber sehen die Marktforscher die steigende Nachfrage nach besonders teuren Parfums.
Traditionell wurden Parfums zu Preisen zwischen ungefähr 80 und 100 Franken verkauft. Viele dieser Produkte sind nach bekannten Modemarken benannt, und sie spielen nach wie vor eine dominierende Rolle im Geschäft mit den edlen Düften. Laut Euromonitor stehen fast drei Viertel der 15 meistverkauften Parfums im Premiumbereich in Verbindung mit der Modewelt.
Parfums für mehrere hundert Franken
Doch mehr und mehr drängen neue hochpreisige Marken auf den Markt, deren Anbieter nicht die grosse Masse, sondern ausgesuchte Gruppen von Konsumenten ansprechen wollen. Die Preise in diesem Segment bewegen sich in der Regel zwischen 150 und 300 Franken, wobei einzelne Parfums auch über 500 Franken kosten. Die Anbieter werben damit, für die Zusammensetzung ihrer Düfte besonders hochwertige Rohstoffe zu verwenden und ihre Produkte eher in einer Manufaktur als – wie die Parfums der grossen Marken – in Fabriken mit Massenfertigung herzustellen.
Die ersten solchen Nischenprodukte kamen laut Altenburger in den späten 1990er Jahren auf den Markt. Den Durchbruch schaffte das neue Marktsegment aber erst vor gut zehn Jahren. Mittlerweile gibt es derart viele Parfums in diesem Bereich, dass selbst ein Branchenspezialist wie der Luzi-Chef Mühe bekundet, den Überblick zu behalten.
Auch viele Flops
Längst nicht alle dieser hochpreisigen Düfte setzen sich im Markt durch. «Es gibt viele Flops», räumt Altenburger ein. Zugleich feierten gewisse Nischenprodukte in den vergangenen Jahren spektakuläre Erfolge. Zu den bekanntesten Beispielen zählt die schwedische Marke Byredo. Sie erwies sich als dermassen populär, dass Puig vor zwei Jahren den Entschluss fasste, sich mehrheitlich an ihrem Besitzer zu beteiligen. Dem Vernehmen nach liess sich der spanische Kosmetikkonzern, der Anfang vergangenen Mai auch den Gang an die Börse gewagt hat, die Transaktion über 1 Milliarde Dollar kosten. In der Branche sorgte dies für viel Aufsehen.
Puig gehört zu den Parfumanbietern, die eine zweigleisige Strategie verfolgen – mit grossen Marken wie Rabanne, Carolina Herrera und Nina Ricci sowie Nischenprodukten, von denen das Unternehmen mittlerweile auch eine ganze Reihe im Angebot hat. Wie weit es besonders jüngere Konsumenten goutieren werden, dass Grosskonzerne zunehmend alles unter einem Dach zusammenzubringen versuchen, ist eine andere Frage.
Ohnehin fragt sich, welche Produktevielfalt der Markt auf längere Sicht verträgt. Die vielen Neuheiten, die vorzu lanciert werden, könnten manche Verbraucher auch erschöpfen. Und auch wenn die Experimentierfreude bei Parfums heute deutlich ausgeprägter ist als früher: Der Platz im Spiegelschrank jedes Badezimmers bleibt beschränkt.