Montag, Oktober 7

Nicht viele haben im Schweizer Eishockey derart polarisiert wie Todd Elik. Der Kanadier war Superstar, Strafenkönig und Saufaus. Dann wurde es ruhig um ihn, in den letzten Jahren hielt er sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Nun will er wieder an die Bande.

«Na ja», sagt Todd Elik, es sei eben so: Er habe in seinem Leben ziemlich viele Leute wütend gemacht und küsse zudem ungern Hintern, das mache es ein bisschen kompliziert. Es ist Samstagabend, Elik sitzt in Zürich Altstetten vor einer Tasse Kaffee. Er versucht zu erklären, wieso er sich seit dem Rücktritt als Eishockeyprofi so schwer damit tut, in seiner Branche eine Anstellung zu ergattern.

Als er seine Spielerkarriere 2010 in der zweiten österreichischen Liga beendete, war er 44 Jahre alt. Seitdem hat er an drei Stationen als Trainer gearbeitet: ab 2014 mit überschaubarem Erfolg im HC St. Imier im Berner Jura, in der Anonymität der 1. Liga, später bei einem kanadischen Juniorenteam sowie in Peking, wo er Nachwuchsspielern Privatlektionen gab. Elik verzieht das Gesicht und sagt: «Es war ein Abenteuer. Ausserhalb von Peking habe ich in China das Elend gesehen. Die Leute haben nichts und leben im Dreck.» Die Corona-Pandemie beendete jene Odyssee.

Seine nächtlichen Eskapaden wirken wie ein von Hollywood erdachter Plot der «Hangover»-Filmreihe

China, der Jura und die kanadische Provinz: Es sind obskure Destinationen, die der Figur Elik nicht gerecht werden. Ihm, dem flamboyanten einstigen Superstar, der in Los Angeles in der NHL an der Seite von Wayne Gretzky gewirbelt hatte. Und später in der Schweiz die grösste Attraktion der Liga war: Publikumsliebling und Reizfigur, ein Rebell mit kurzer Zündschnur, teuflisch schnellen Händen und wenig Sinn für Diplomatie.

Er skorte nach Belieben, doch seine Genialität hatte ihren Preis: Elik konnte sehr destruktiv sein, ein Mann der Kontroverse. Nicht weniger als sieben ganze Winter absolvierte er in der Nationalliga A, fünf Mal war er der Strafenkönig. Immer wieder beleidigte er Schiedsrichter, Trainer und Sponsoren, dem Publikum konnte das Raubein auch einmal den Mittelfinger zeigen. Seine nächtlichen Eskapaden wirken teilweise wie ein von Hollywood erdachter Plot der «Hangover»-Filmreihe.

In Nordamerika hatte er den Spitznamen «Suitcase» erhalten. Es hiess, er müsse ständig die Koffer packen, weil es auf Dauer niemand mit ihm aushalte. Wenn Elik weiterzog – und das musste er früher oder später überall –, brach er oft alle Brücken hinter sich ab. «Ich bereue nichts. Ich sage nun einmal, was ich denke, und bin nicht politisch korrekt. Damit können nicht alle umgehen», sagt Elik heute.

Er hat sich eine gewisse Sturheit bewahrt. Optisch gemahnt er an einen in die Jahre gekommenen Rockstar: drahtig, aber auch abgekämpft, mit Furchen im Gesicht, die von Aufstieg und Fall erzählen, von wilden Zeiten und einer rauen Vergangenheit.

Auch als Vagabund hatte Elik im Eishockey sehr gut verdient, aber er sparte nichts. Warum auch? Man lebt ja nur einmal, und das Leben bietet so viele Versuchungen. Er galt als grosszügig, seine Trinkgelder für das Barpersonal und die Materialwarte seiner Teams waren üppig. Es konnte vorkommen, dass Elik aus einer Laune heraus 200 Franken lockermachte.

Heute lebt er in Saskatchewan, in einem Dorf mit vierzehn Einwohnern

Aber in Ermangelung von Trainertätigkeiten musste er in den letzten Jahren Jobs annehmen, die ihm nur bedingt Freude bereiteten. Er war Schichtarbeiter in einem Stahlwerk für weniger als 15 Franken pro Stunde. Schliesslich verdingte er sich in Toronto als Chauffeur, er fuhr Klienten an den Flughafen und zurück.

Elik sagt: «Im Stahlwerk war es die Hölle, Mann. Die Luft war mies. Am Ende des Tages bist du kaputt. Aber auch ich habe Rechnungen zu bezahlen.» Er betont allerdings auch, dass er wenig brauche, um glücklich zu sein. Mit seiner Frau lebt er unterdessen in Ferland, Saskatchewan, einem Ort mit exakt vierzehn Einwohnern. Der nächste grosse Supermarkt ist anderthalb Autostunden entfernt. Er fühle sich dort wohl, sagt Elik, man habe seine Ruhe.

Gerade aber weilt er in der Schweiz. Er hat sich in den Kopf gesetzt, ins Trainergeschäft zurückzukehren. Elik sagt, dass der Berner Erstliga-Verein Wiki-Münsingen ihn gerne verpflichtet hätte, aber ein Trainer eines Amateurklubs erhalte leider keine Arbeitsbewilligung. Knapp einen Monat ist Elik nun hier, er klappert die Klubs und Stadien ab, in der Hoffnung, dass sich jemand an ihn erinnert. In den Stadien tun das viele Leute, auch 2024 wird Elik erkannt. Einen wie ihn vergisst man nicht so schnell.

Nur: Es ist schwer vorstellbar, dass einer der 24 Schweizer Profiklubs auf einen Kanadier nahe dem Pensionsalter gewartet hat, zumal sich sein Leistungsausweis bescheiden ausnimmt. «Alles, was ich brauche, ist eine Chance. Wenn jemand entlassen wird, bin ich schon da, das ist ein grosser Vorteil», sagt Elik. Doch ein Sportchef aus der National League formuliert es so: Er möge Elik, aber seine Ambition sei realitätsfremd. Es gebe ja sogar hochqualifizierte Leute, die keinen Trainerjob fänden. Ein prominenter Name allein reiche nicht.

Sollte es auf wundersame Weise trotzdem mit einer Anstellung klappen, dann wohl am ehesten in Langnau, wo Elik von grossen Teilen der Fans wie ein Heiliger verehrt wird. Entscheidend zur Legendenbildung trägt die Ligaqualifikation der Saison 1998/99 gegen den EHC Chur bei: Im fünften Spiel schlägt Elik in Chur von der Strafbank aus mit dem Stock ein Kind und wird deshalb für zwei Partien gesperrt. Der Langnauer Rekurs bringt jedoch aufschiebende Wirkung, und so darf Elik für den alles entscheidenden Match aufs Eis zurückkehren. Er steuert zum 7:2-Auswärtssieg ein Tor und sechs Assists bei. Es ist die kondensierte Version des Elik-Wahnsinns: sportliche Brillanz, getränkt in Skandalen.

Man darf Elik getrost als populärsten Spieler der Langnauer Klubgeschichte bezeichnen. Aber wie kommt es, dass er nach der Profikarriere nie für den Verein gearbeitet hat, in welcher Funktion auch immer?

Auch bei seiner alten Liebe, den SCL Tigers, scheint eine Beschäftigung nicht in Aussicht zu stehen

Elik ist das Thema ein wenig unangenehm. Er sagt, dass er darüber lieber nicht reden möchte. Nur so viel: Er habe seine Dienste oft angeboten, es sei aber nie etwas zurückgekommen. Peter Jakob, seit fünfzehn Jahren der Präsident der SCL Tigers, sagt, man habe sich nie mit dieser Option beschäftigt. Ein Langnauer Szenekenner meint, Elik habe zu viel verbrannte Erde hinterlassen.

Es wäre nicht fair, die alten Geschichten aufzuwärmen, sie liegen weit zurück, Menschen ändern sich. Elik sagt: «Wenn ich ein mittelmässiger Spieler gewesen wäre, hätte sich niemand dafür interessiert, was ich im Nachtleben anstelle. Ich war nicht der Einzige, der gerne trank und Spass hatte. Ich bin kein Engel. Aber auch kein schlechter Kerl.»

Wie sieht sein Leben heute aus? «Ich bin sehr viel ruhiger geworden. Ging nicht anders, meine Frau hätte mich sonst wahrscheinlich verlassen.» Elik fügt an, dass er gerade eine Fastenkur mache. Dazu gehöre, dass er jetzt Wasser statt Bier bestelle. Oder eben Kaffee.

Exit mobile version