Samstag, Oktober 5

Wer sind Serge Gaillard und die vier anderen, die am Donnerstag ihre Sparvorschläge vorstellen sollen?

War es bundesrätlicher Sarkasmus? Bei den Bundesausgaben gebe es eine «ausgeprägte Wachstumsdynamik», schrieb der Bundesrat im Frühling. Um jährlich drei bis vier Milliarden Franken müssten die Ausgaben gekürzt werden. Es gelte, «den Bundeshaushalt strukturell zu bereinigen». Das war die Botschaft, mit der sich die Regierung an das Land wandte. Auf den National- und den Ständerat schien man sich nicht mehr verlassen zu wollen.

Im Dezember hatten die eidgenössischen Räte die Budgetdebatte unter das Motto gestellt: Eigentlich braucht es überall mehr Geld, und eigentlich kann nirgends gespart werden. Der Finanzpolitiker I hechtete ans Rednerpult, um zu erklären, wieso in Bereich A nicht gespart werden könne, wieso aber in Bereich B gespart werden müsse – bis der Finanzpolitiker II folgte, der wiederum begründete, warum von Bereich B die Substanz des Staates abhänge, während Bereich A . . . Am Ende kam, im letzten Moment, ein Budget voller Ausnahmen und Ausserordentlichkeiten zustande.

Sparen beim Bund ist eine schier unmögliche Aufgabe – das weiss niemand besser als Serge Gaillard, den der Bundesrat nun mit dieser Aufgabe betraut hat. Gaillard leitete einst die Eidgenössische Finanzverwaltung, nun übernahm er das Präsidium der «externen Expertengruppe». Im Mandat steht: «Die Überprüfung muss sämtliche Ausgaben des Bundes umfassen.»

Am Mittwoch hat der Bundesrat während seiner Sitzung eine Klausur durchgeführt, am Donnerstag soll die Gruppe Gaillard ihre Sparvorschläge präsentieren. Seit die «NZZ am Sonntag» portiert hat, die Gruppe wolle auch bei der Armee sparen, herrscht Nervosität. Denn eigentlich gilt Verschwiegenheit. In Bern kursiert, Gaillard werde nicht allein auftreten, sondern sekundiert von den anderen aus seiner Gruppe – als Zeichen davon, dass die Gruppe nicht einstimmig geworden, sondern vielstimmig geblieben sei?

Technisch statt politisch

Es ist nur ein Gerücht, aber könnte es jemanden verwundern? Die Gruppe Gaillard, vom «Blick» anfangs «Rotstift-Truppe» genannt, ist ein kleines Kabinett aller möglichen, sich widersprechenden Ansprüche. Eine politisch zusammengesetzte Gruppe, die die politische Dimension des Sparens überwinden und es zu einer Art technischem Akt machen soll.

Serge Gaillard war in jungen Jahren bei der Revolutionären Marxistischen Liga, aber inzwischen sagen selbst Finanzpolitiker der SVP, er sei «ein vernünftiger Mann», der «auf sachlicher, solider Grundlage» arbeite. Gaillard war Zentralsekretär des Gewerkschaftsbunds und später einer der Spitzenbeamten von Bundesrat Ueli Maurer – in seiner Biografie lösen sich scheinbar unauflösbare Widersprüche auf.

Diese Biografie qualifiziert ihn, inzwischen beim Bund emeritiert, für seine Aufgabe. Diskussionen aus der Gruppe Gaillard sind bis jetzt nicht überliefert – man stellt sie sich lebhaft vor: als Abbild sehr unterschiedlicher politischer Realitäten in der Schweiz.

Es leuchtet dunkelrot

Ursula Schneider Schüttel war Nationalrätin der SP, bis sie im vergangenen Herbst nicht wiedergewählt wurde. Sie leitete die Finanzdelegation und präsidiert bis heute Pro Natura – sie trägt die Hoffnungen der Umwelt- und Naturschutzverbände in die Expertengruppe. Sie ist der politische Konterpart zu Jacques Bourgeois, ebenfalls aus dem Freiburgischen, einem langjährigen Nationalrat und Finanzpolitiker der FDP. Immerhin erklärte Schneider Schüttel einmal, die finanzpolitische Arbeit mit Bourgeois sei «von gegenseitigem Respekt» geprägt gewesen, «auch wenn wir nicht die gleiche Meinung hatten».

Jacques Bourgeois war aber nicht nur Nationalrat der FDP, sondern auch Direktor des Schweizerischen Bauernverbands. Als er zurücktrat, würdigte ihn der Bauernpräsident Markus Ritter mit dem Satz: «Immer wieder galt es auch die Finanzen der Landwirtschaft zu verteidigen, wobei ihm (. . .) eine Schlüsselrolle zukam.» Auf einem Bild sah man die beiden Männer mit Krawatten im Edelweissmuster.

In der Expertengruppe trifft Bourgeois auf den liberalen Professor Christoph Schaltegger, der am Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik an der Universität Luzern ordnungspolitische Grundsätze lehrt. Im vergangenen Jahr veröffentlichte er mit Kollegen einen «Subventionsreport», der die Bundessubventionen nach dem Ampelsystem bewertet. Rot für: wohlstandsvermindernd. Die Subventionen der Landwirtschaft leuchteten dunkelrot.

Neben Schaltegger sitzt auch Aymo Brunetti in der Expertengruppe, ein kommissionsgestählter Wirtschaftsprofessor der Universität Bern, der als geistiger Vater der «Too-big-to-fail»-Regulierung für die Grossbanken gilt. Schaltegger und Brunetti sollen einer Spardebatte das wissenschaftliche Plazet verleihen, in der jede Idee ein politisches Bekenntnis zu sein scheint.

Ob sich die heterogene Gruppe Gaillard im geschützten Rahmen auf irgendeine Art von finanzpolitischer Homogenität einigen konnte? Und wenn ja, was wird daraus im ungeschützten Rahmen von Bundesbern?

Ein alter Haudegen der Finanzpolitik formuliert es so: «Sobald es eine Idee gibt, wo gespart werden kann, wird sie verpolitisiert, die Lobbys eilen herbei, und wenn – schon das ein Wunder! – ein Kompromiss gemacht werden kann, so wird er hinterher verwässert. Das ist die Realität.»

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