Dienstag, März 4

Wien muss Milliarden einsparen, um ein EU-Defizitverfahren abzuwenden. Ein Keynesianer wird Finanzminister und dürfte für Konflikte in der Dreierkoalition sorgen.

Es ist erst ein paar Jahre her, dass Österreich sich stolz zu den «frugalen Vier» zählte und auf eine strenge Einhaltung der EU-Fiskalregeln pochte. Das passte schon damals schlecht zur eigenen Haushaltspolitik, inzwischen hat Wien aber die Krisen der vergangenen Jahre noch exzessiver mit Förderungen bekämpft. 2024 resultierte deshalb ein Budgetdefizit von 3,9 Prozent der Wirtschaftsleistung, und Österreich droht ein Defizitverfahren, wenn es nicht entschlossen gegensteuert.

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Die zentrale Aufgabe der künftigen Regierung, die kommende Woche vereidigt werden soll, wird deshalb die Haushaltssanierung sein. Die konservative Volkspartei, die Sozialdemokraten und die Liberalen (Neos), die sich auf die erste Dreierkoalition der österreichischen Geschichte einigten, bekennen sich in ihrem am Donnerstag präsentierten Programm zu dem Ziel, ein EU-Verfahren abzuwenden, und wollen deshalb in diesem und im kommenden Jahr die Kosten um insgesamt 15 Milliarden Euro reduzieren.

Vage Sparvorhaben, konkrete Mehrbelastung

«Es werden harte Jahre», sagte die Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger dazu – und dabei ist noch nicht einmal sicher, ob die Summe ausreichen wird. Sie basiert auf der Prognose des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo, wonach das BIP in diesem Jahr um 0,6 Prozent wachsen könnte. Inzwischen zeichnet sich aber ab, dass das zu optimistisch war und demnächst nach unten korrigiert werden muss.

Eine konkrete Budgetvorlage muss erst ausgearbeitet werden, weshalb viele Sparvorhaben noch vage sind. Über eine Milliarde Euro soll etwa bei den Ministerien gekürzt werden – wie genau, ist unklar. Auch die umfangreichen Subventionen für den Klimaschutz werden reduziert. Ins Gewicht fällt mit einem Umfang von über 2 Milliarden Euro die von vielen Experten angeregte Abschaffung des Klimabonus, der zum Ausgleich der 2022 eingeführten CO2-Steuer geschaffen wurde. Das bedeutet aber eine verdeckte Steuererhöhung.

Ohnehin sind die einnahmenseitigen Massnahmen schon deutlich konkreter: Eine von der SPÖ geforderte Besteuerung von Erbschaften oder hohen Vermögen kommt zwar nicht, aber die Bankenabgabe wird für 2025 und 2026 mehr als verdoppelt. Schmerzhaft dürfte für die ÖVP sein, dass eines ihrer Prestigeprojekte der vergangenen Legislaturperiode, die Abschaffung der kalten Progression, teilweise zurückgenommen wird. Die Inflationsanpassung erfolgte bisher nur zu zwei Dritteln automatisch, das dritte Drittel musste dagegen vom Parlament für spezifische Entlastungsmassnahmen verwendet werden. Nun soll dieses Drittel einbehalten werden.

Die skizzierten Massnahmen seien wohl nicht ausreichend, gibt Christoph Badelt zu bedenken, der Chef des über die Einhaltung der Haushaltsregeln wachenden Fiskalrats. Er hält das Programm aber für insgesamt ausgewogen. Anders sah das noch vor sechs Wochen der Chefökonom der sozialpartnerschaftlichen Arbeitnehmervertretung (Arbeiterkammer), Markus Marterbauer. Die nun vereinbarten Sparmassnahmen stützen sich im Wesentlichen auf den damals nach Brüssel übermittelten Plan der noch eine Rechtskoalition verhandelnden Parteien ÖVP und FPÖ. Sie kosteten Arbeitsplätze und belasteten Geringverdiener stärker als Reiche, kritisierte Marterbauer.

Brisanterweise wird der 60-jährige Ökonom in der kommenden Regierung als Finanzminister dienen. Erstmals seit 25 Jahren bekleidet wieder ein Sozialdemokrat das Ressort, und mit der Wahl Marterbauers setzte sich nach einem öffentlich gewordenen Machtkampf der linke Flügel der Partei um ihren Chef Andreas Babler gegenüber den «Realos» durch. Marterbauer gilt als Keynesianer und dürfte mit seinen Positionen bei den bürgerlichen Koalitionspartnern ÖVP und Neos auf Widerstand stossen.

Ein Staatssekretär als österreichischer Elon Musk

Neben der Budgetsanierung wird die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit Österreichs ein Fokus der Regierung sein müssen. Es sind vor allem die hohen Arbeitskosten, die Bürokratie und die teure Energie, die den Standort in die Krise haben schlittern lassen.

Alle diese Probleme anerkennt die Koalition und will sie angehen. So sollen Energiepreise ebenso sinken wie die im EU-Vergleich hohen Lohnnebenkosten – Letzteres ist seit Jahren die zentralste Forderung der Wirtschaft. Nur: Es handelt sich lediglich um Absichtserklärungen im Regierungsprogramm, die «abhängig von der konjunkturellen und budgetären Entwicklung» umgesetzt werden sollen. Damit sind konkrete Schritte höchst ungewiss.

Für die Deregulierung wird immerhin ein eigener Staatssekretär zuständig sein, was der Aufgabe einige Bedeutung verleiht. Mit dem Gastronomieunternehmer Sepp Schellhorn von Neos wird ein mit der hiesigen Bürokratie Vertrauter zum österreichischen Elon Musk. Er wird allerdings wegen des Widerstands der ÖVP nicht dem Wirtschaftsministerium unterstellt, sondern dem Aussenministerium. Was er bewirken kann, ist offen.

Den grössten Brocken im Budget, die Ausgaben für Pensionen, will die künftige Regierung mit Anreizen für längeres Arbeiten und einer schrittweisen Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters angehen. Das ist zwar nur das Minimum des Notwendigen, mehr war aber politisch offenbar nicht möglich.

Der Wifo-Chef Gabriel Felbermayr bewertet dieses Vorhaben gegenüber dem ORF-Radio dennoch als einen der positiv herausstechenden Punkte im Koalitionspakt, während grosse Reformentwürfe wegen der Notwendigkeit zum Kompromiss zwischen drei sehr unterschiedlichen Parteien fehlten. Der wirtschaftsliberale Think-Tank Agenda Austria sieht darin dagegen nur einen kosmetischen Eingriff und bewertet das Regierungsprogramm insgesamt als mutlos.

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