Josef Aschbacher, der Chef der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), will Europa autonomer machen. Hier könne auch die Schweiz einen Beitrag leisten mit der Firma Beyond Gravity. Diese gehört derzeit dem Staat. Er plädiert für eine Privatisierung.

Herr Aschbacher, Weltraumpolitik ist heute auch Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Hat dieses Thema eine neue Relevanz?

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Definitiv. Die vergangenen Wochen haben klar gezeigt, dass Europa stärker und strategisch selbständiger werden muss. Das trifft auf die Verteidigung zu, genauso wie auf den Weltraumbereich, der mein Arbeitsschwerpunkt ist. Die Europäische Weltraumorganisation (ESA) trifft sich im November 2025 mit ihren 23 Mitgliedstaaten zum ESA-Ministerrat. Dort werden wir ein ganzes Paket präsentieren, in dem Autonomie, Unabhängigkeit sowie Resilienz im Fokus stehen werden. Im November können unsere Mitgliedsländer gegebenenfalls politische Entscheidungen treffen, die wir als Raumfahrtagentur dann umsetzen.

Satelliten spielen eine wichtige Rolle, beispielsweise im Krieg in der Ukraine. Die USA nutzen die Starlink-Satelliten nun als Druckmittel. Arbeitet die ESA an einem eigenen Satellitensystem?

Es gibt in Europa bereits private Anbieter als Alternative zu Starlink, die One-Web-Konstellation der Eutelsat Group beispielsweise. Die ESA selbst baut ein sicheres Satellitensystem für die EU auf, Iris 2, das aus 290 Satelliten in verschiedenen Orbits bestehen wird.

Die europäischen Staaten diskutieren derzeit, wie verlässlich die USA unter Präsident Trump als Partner noch sind. Wie sehen Sie das?

Es ist richtig, dass derzeit grosse Unsicherheit herrscht. Die ESA hat eine langjährige und enge Kooperation mit der amerikanischen Raumfahrtbehörde Nasa. Wir haben gemeinsame Projekte bei astronautischen Missionen zur Internationalen Raumstation (ISS) oder im Wissenschaftsbereich. Beim Artemis-Programm, in dem es um eine künftige Mondmission geht, liefert Europa substanzielle Teile. Das European Service Module sorgt für Strom, Wasser, Sauerstoff und richtige Temperaturen in der Raumsonde. Ohne Europa können die USA keine Astronauten auf den Mond bringen. Das heisst, wir haben hier eine gegenseitige Abhängigkeit. Ich gehe davon aus, dass Amerika deshalb nach wie vor an dieser Kooperation interessiert ist. Wir sind es, und an uns wird es deshalb nicht liegen, wenn sich an der Kooperation etwas ändert.

Anfang Februar meldete SRF, dass Sie die Verkaufspläne des Bundes zur Weltraumfirma Beyond Gravity kritisieren. Dies im Zusammenhang mit einer Diskussion im Schweizer Parlament. Sie wollen, dass die Firma in staatlichem Besitz bleibt?

Das war sicher nicht meine Schlussfolgerung, so etwas würde ich nie sagen. Im Gegenteil: Ich begrüsse den Verkauf von Beyond Gravity, solange er unter den richtigen Bedingungen durchgeführt wird. Hier muss ich etwas ausholen.

Bitte.

Die Entscheidung, was mit der Firma passiert, ist Sache der Eigentümer. Die Schweiz ist ein äusserst geschätztes, hochwertiges Mitglied der ESA und mit Firmen wie Beyond Gravity sehr aktiv. Die Europäische Weltraumagentur ist einer der grössten Kunden von Beyond Gravity. Insofern bin ich natürlich sehr daran interessiert, dass die Firma eine stabile Zukunft hat und sie sich auch wirtschaftlich weiterentwickeln kann. Beyond Gravity leistet exzellente Arbeit. Wir könnten nicht so leicht eine andere Firma finden, die Ähnliches in derselben Qualität in Europa anbieten kann.

Sie sprechen von der Spitze der Trägerrakete Ariane 6, die Beyond Gravity für die ESA herstellt?

Genau, die Verkleidung der Spitze liefert uns derzeit Beyond Gravity. Wir haben keinen zweiten Lieferanten dafür. Das ist wirklich ein einzigartiges Produkt. Deshalb ist es für die ESA so wichtig, dass die Firma als Schweizer oder europäisches Unternehmen für uns zugänglich ist.

In der politischen Diskussion ist eine der Kernfragen, ob Beyond Gravity in Bundesbesitz überhaupt überlebensfähig wäre. Der CEO André Wall bezweifelt das in einem Interview. Dies, weil Investitionen von rund einer halben Milliarde Franken nötig wären.

Ich glaube, die Firma kann sich besser entfalten, wenn sie Investoren akquirieren kann. Es braucht neue finanzielle Mittel, auch privates Risikokapital, damit sie wachsen und im internationalen Wettbewerb bestehen kann. Der Markt der Weltraumtechnologie entwickelt sich momentan rasant. Wenn Beyond Gravity in den nächsten Jahren nicht mithalten könnte, beispielsweise auch keine Expansionsmöglichkeiten hätte, wäre das klar ein Nachteil. Darüber hinaus: Unter den grossen Innovationsfirmen, die für die ESA arbeiten, gibt es keine, die in staatlicher Hand ist. Einige Regierungen haben nur kleinere Anteile an Unternehmen. Aber die meisten Firmen sind privat, an der Börse notiert oder durch Investoren abgesichert.

Sie plädieren immer wieder für mehr europäische Autonomie in der Raumfahrtindustrie. Könnte Beyond Gravity hier künftig einen Beitrag leisten?

Absolut, ja. Wie gesagt, ist es für uns jedoch essenziell, dass die Firma ihre Produktionsstätte, ihren Hauptsitz in Europa in einem unserer 23 Mitgliedsländer hat. Der Sitz muss aus meiner Sicht also nicht unbedingt in der Schweiz sein.

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