Mittwoch, März 19

Nach drei Saisons und 28 Einsätzen in der höchsten Schweizer Fussballliga beendet Esther Staubli ihre Tätigkeit per sofort. Der Abgang ist auf einen Konflikt in der Schiedsrichter-Abteilung des Fussballverbands zurückzuführen.

Am 18. Februar leitete Esther Staubli die Super-League-Partie zwischen den Berner Young Boys und Stade Lausanne Ouchy. Es ist ihr elfter Einsatz in der laufenden Saison der höchsten Schweizer Liga. Dabei bleibt’s. Am Montag ist die 44-jährige Bernerin per sofort zurückgetreten.

Der Rücktritt überrascht. Erst am vergangenen Freitag stand sie noch als Schiedsrichterin in der Women’s Nations League im Einsatz. Dort leitete sie den Halbfinal zwischen Frankreich und Deutschland. Drei Tage später war Schluss.

«Mit dem Spiel zwischen Frankreich und Deutschland schliesst sich der Kreis meiner Tätigkeit als aktive Schiedsrichterin mit einem letzten internationalen Highlight», wird Staubli in der Mitteilung des Schweizerischen Fussballverbands SFV zitiert. Mit der Teilnahme an den Nations-League-Finalspielen habe sie sich einen letzten Traum verwirklichen können. «Deshalb habe ich mich entschieden, nun neue Wege zu beschreiten und meine Laufbahn als Schiedsrichterin zu beenden.»

Mit Esther Staubli tritt eine Schweizer Pionierin ab

Mit dem Rücktritt von Esther Staubli endet die lange und erfolgreiche Karriere einer Schweizer Spitzenschiedsrichterin. 19 Jahre lang war die Bernerin Fifa-Referee – damit erhielt sie den höchsten Status, den Referees erreichen können. Dreimal in Folge war sie jeweils bei der Welt- und der Europameisterschaft der Frauen im Einsatz. Im Jahr 2017 leitete sie den EM-Final und 2015 sowie 2020 das Endspiel der Women’s Champions League.

Auch im Männerfussball lässt sich der Palmarès von Staubli sehen. Insgesamt 28 Partien leitete sie in der Super League. Dazu kommen 10 Einsätze im Schweizer Cup. Und auf der internationalen Bühne des Männerfussballs ist sie ebenfalls keine Unbekannte.

Im Jahr 2017 avancierte sie im Spitzenfussball zur Pionierin: Als erste Schiedsrichterin überhaupt wurde sie an der U-17-Weltmeisterschaft in Indien an einem Fifa-Männerturnier eingesetzt. Im vergangenen Jahr pfiff Staubli ausserdem als erste Schweizerin ein A-Länderspiel der Männer an – das EM-Qualifikationsspiel zwischen Aserbaidschan und Schweden.

Der Rücktritt hat mit einem Konflikt im Verband zu tun

Der Leistungsausweis von Esther Staubli findet beim Schweizerischen Fussballverband Anerkennung. «Was Esther Staubli für das Schweizer Schiedsrichterwesen geleistet hat, ist fast nicht in Worte zu fassen», sagt Sascha Amhof, Leiter des Ressorts Schiedsrichter beim SFV. Esther Staubli sei ein Vorbild und ein Aushängeschild gewesen. «Sie war der Beweis, dass man als Frau etwas bewegen kann im Männerfussball», sagt Amhof.

Esther Staubli selbst wollte keine Details zu den Beweggründen bekanntgeben, auch Amhof will sich nicht weiter dazu äussern. Das wirft Fragen auf. Dass eine Schiedsrichterin nicht per Ende Saison oder am Ende des Kalenderjahrs zurücktritt, ist ungewöhnlich genug. Zudem findet Mitte 2025 mit der Frauen-EM ein internationaler Höhepunkt im eigenen Land statt.

Darum kann nicht verwundern, dass der Rücktritt einen handfesten Grund hat und nicht auf die reflexartige Vermutung zurückgeführt werden kann, die mit «It’s a Man’s World» umschrieben ist. Und: Staubli hat zuletzt nach Super-League-Spielen gute Noten erhalten und war nicht Ziel irgendwelcher Polemiken auf dem Boulevard.

Das Ende ist wohl damit zu begründen, dass der 57-jährige Inspizient Markus Nobs, der frühere Referee und Schiedsrichter-Obmann, den Verband nach Meinungsverschiedenheiten unlängst abrupt verlassen hat. Nobs ist der Lebenspartner Staublis und war im Ressort Spitzenschiedsrichter beschäftigt, das Daniel Wermelinger führt. Letztgenannter liess am Dienstag Anfragen unbeantwortet. Da liegt nahe, dass das eine mit dem anderen verknüpft ist.

Mit Staubli geht die einzige Schiedsrichterin der Super League

Für die Schweizer Super League bedeutet der Abgang von Esther Staubli, dass das Schiedsrichterwesen wieder Männersache wird. Damit kehrt die Liga zu dem Zustand zurück, der vor Staublis Debüt im Jahr 2021 bereits während 12 Jahren Realität war – seit dem Rücktritt der ersten Schweizer Schiedsrichterin Nicole Petignat.

Ähnlich wie Staubli gilt auch Petignat als Pionierin im Schweizer Schiedsrichterwesen. In den 1990er Jahren war sie die erste Frau, die Partien der Männer in der Super League leitete. Damit war die Schweiz vielen anderen Ligen in Europa weit voraus. Sowohl in Deutschland (2017), Frankreich (2019), Italien (2022) als auch in England (2023) waren Schiedsrichterinnen bis vor wenigen Jahren kein Thema in den obersten Ligen. In der spanischen La Liga hat noch keine Frau ein Spiel geleitet.

Dass nach dem Rücktritt von Esther Staubli auch die oberste Schweizer Liga wieder ohne Schiedsrichterin dasteht, bedauert Petignat. «Esther Staubli hat gelebt für den Fussball», sagt Petignat. Über die Gründe für den Rücktritt Staublis will Petignat nicht spekulieren. Allerdings bemängelt sie, dass der Fussballverband zu wenig für die Förderung der Schiedsrichterinnen mache.

Petignat spricht vor allem die anspruchsvollen Konditionstests an, die Schiedsrichter regelmässig absolvieren müssen. Anders als zum Beispiel in Deutschland oder Frankreich würden diese in der Schweiz nicht an die Leistungsfähigkeit der Frauen angepasst. Für Petignat ist das der Hauptgrund dafür, dass es in der Schweiz nur selten eine Frau in die oberste Liga der Männer schaffe.

Der Mangel an Schiedsrichterinnen sei ein strukturelles Problem

Sascha Amhof relativiert diese Aussage Petignats. Die Konditionstests könnten durchaus eine Herausforderung für Schiedsrichterinnen sein. Eine Karriere im Männerfussball verhinderten sie aber nicht. Das zeigen laut Amhof die beiden Schiedsrichterinnen, die nach wie vor in der Challenge League im Einsatz sind – für Schiedsrichter jener Spielklasse gelten dieselben Anforderungen wie in der Super League.

Amhof sieht den Mangel an Schiedsrichterinnen mehr als strukturelles Problem. «Wir haben in der Schweiz 122 Schiedsrichterinnen – bei einem Gesamtbestand von 4800 Schiedsrichtern», sagt er. Dass die Frauen gefördert werden müssen, ist deshalb auch für ihn klar.

«Ein Vermächtnis von Esther Staubli ist, dass sie sich immer wieder für den weiblichen Nachwuchs engagiert hat», sagt Amhof. Auf dieser Grundlage wolle der SFV aufbauen – insbesondere vor der EM in der Schweiz. So plant er beispielsweise ein spezielles Förderprogramm für Schiedsrichterinnen.

Ob dieses Programm zeitnah neue weibliche Schiedsrichtertalente hervorbringen wird, wird sich zeigen. Sascha Amhof ist sich jedenfalls sicher: «Dieses Mal wird es keine 12 Jahre mehr dauern, bis in der Super League wieder eine Schiedsrichterin zum Einsatz kommt – auch dank Esther Staubli.»

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