Mittwoch, Oktober 2

Nächste Woche findet die jährliche European Hyperloop Week erstmals in Zürich statt. Statt Visionen nachzuhängen, ist für die Entwicklung öffentlicher Infrastrukturen mehr Realismus nötig – und der ehrliche Austausch mit der Bevölkerung.

Kommende Woche findet die jährliche European Hyperloop Week erstmals in Zürich statt. In der Europaallee präsentieren Teams von über zwanzig technischen Hochschulen aus der ganzen Welt ihre neusten Entwicklungen. Im Innovationspark auf dem Flugplatz Dübendorf liefern sie sich einen Wettstreit mit ihren «Pods». Das sind Kapseln, die einmal entweder auf einem Luftkissen oder wie eine Magnetschwebebahn durch eine fast luftleere Röhre rasen sollen. Ziel ist, ein Tempo bis knapp unter der Schallgeschwindigkeit zu erreichen.

Die Idee ist faszinierend und der wissenschaftliche Wettbewerb zweifellos ein hervorragendes Ausbildungsprogramm für angehende Ingenieure in Verfahrenstechnik, Steuerung und Materialwissenschaft. Die Organisatoren des Anlasses preisen den Hyperloop indes als Transportmittel der Zukunft an. Als Revolution, um Waren und Personen etwa gleich schnell wie mit dem Flugzeug, aber weitgehend CO2-frei zu befördern.

Hier ist etwas mehr Bescheidenheit angebracht. Die Umsetzung vom Prototyp zum gängigen Verkehrsmittel stellt enorme Anforderungen an Technik und Sicherheit, von der Finanzierung ganz zu schweigen. Diese Erfahrung machte bereits Elon Musk, der vor gut zehn Jahren das Feuer entfacht hatte. Er verlor das Interesse am Hyperloop rasch. Pläne für superschnelle Verbindungen im Westen der USA blieben Papier. Eine Teststrecke opferte Musk laut der Agentur Bloomberg einem Parkplatz für die Beschäftigten von SpaceX.

Eine grosse Rohrpost für den Personenverkehr ist gerade in der Schweiz alles andere als eine neue Idee. Bereits vor fünfzig Jahren präsentierte ein Ingenieur aus Lausanne erstmals das Projekt einer «Swissmetro» von Genf nach St. Gallen. Durch einen Vakuumtunnel sollten Passagiere etwa die Distanz zwischen Zürich und Bern in 12 Minuten zurücklegen.

Ab den 1980er Jahren gab der Vorschlag wiederholt zu reden. Der Bundesrat lehnte jedoch 1985 eine Machbarkeitsstudie ab, 2009 wurde die Swissmetro AG liquidiert. Wie viele hochtrabende Ideen verursachte die superschnelle U-Bahn lediglich Kosten, ohne Chancen auf eine Realisierung zu haben.

Rechnung ohne die Gemeinden

Die Geschichte scheint sich nun mit Cargo sous terrain zu wiederholen. Seit gut zehn Jahren weibelt eine beeindruckend breit abgestützte private Trägerschaft für das unterirdische Gütertransportsystem. 500 Kilometer Tunnel sollen St. Gallen und Genf sowie Basel und Luzern über Kreuz miteinander verbinden. Das Konzept besticht zwar, ohne jede Ironie, durch die Geschwindigkeit. Es folgt für einmal gerade nicht dem olympischen Credo «schneller, höher, weiter». Die Waren werden in Containern mit etwa 30 Kilometern in der Stunde transportiert, aber fortlaufend wie auf einem Förderband und während 24 Stunden am Tag.

Das ist technisch ohne weiteres machbar und hat das Potenzial, grosse Mengen von Gütern zu bewältigen. Daher verwundert es keineswegs, dass der Bund flugs ein eigenes Gesetz erliess, um das Projekt voranzubringen. Cargo sous terrain hätte das Potenzial, dessen wichtigste Strasse, die A 1 durch das Mittelland, vom Schwerverkehr zu entlasten.

Allerdings geschähe dies auf Kosten anderer. Das Hauptproblem des Konzepts sind die Verknüpfung mit der Oberfläche und die ungelöste Feinverteilung auf dem Strassennetz. Der unterirdische Gütertransport ist entlang des Tunnels zwingend auf eine Kette von «Hubs» angewiesen. Das sind auf Deutsch Umschlagplätze für den Schwer- und Lieferverkehr.

Auf diese Nachbarschaft ist niemand erpicht. Deshalb erstaunt es ebenso wenig, dass in den letzten Wochen das Echo auf Cargo sous terrain aus den betroffenen Gemeinden und Kantonen, die mit überlasteten Strassen zu kämpfen haben, ablehnend ausfiel. Derart negativ, dass das Unternehmen vor kurzem beschloss, fast das ganze Projekt nochmals zu überprüfen. Das ist wohl der Anfang vom Ende, was kein Unglück ist. Nüchtern betrachtet, zeichnete es sich schon länger ab, kritische Stimmen gab es selbst aus der Transportbranche.

Statt auf Prestigeprojekte und völlig neue Systeme sollte der Fokus darauf gelegt werden, das, was bereits vorhanden ist, zu ergänzen und zu optimieren. Dagegen nehmen Widerstand und Hindernisse bedenklich zu. Das zeigt sich gerade exemplarisch am Beispiel der sonst unumstrittenen Zürcher S-Bahn. Der Ausbau des Schienennetzes bis in die zweite Hälfte des nächsten Jahrzehnts ist zwar beschlossene Sache. Auch neue Züge sind bestellt. Doch jetzt geht es noch um Einrichtungen, denen jeder Glamour abgeht: Service- und Abstellanlagen.

Um die beabsichtigte Verdichtung des Fahrplans, die angesichts steigender Fahrgastzahlen notwendig ist, umsetzen zu können, brauchen die SBB zusätzlich Platz für – aneinandergehängt – 9 Kilometer zusätzliche Züge. Diese müssen irgendwo unterhalten und parkiert werden. Doch dafür gibt niemand gern Land her. Als 2021 Pläne an die Öffentlichkeit durchsickerten, eine grosse derartige Anlage im Zürcher Oberland auf der grünen Wiese zu erstellen, war der Aufschrei in der Region und in der Gemeinde Bubikon gross. So sehr, dass SBB und Kanton Zürich sich zwei Jahre Zeit für die weitere Standortsuche gaben.

Es ist ein Warnsignal, dass auch nach drei Jahren noch keine Lösung auf dem Tisch ist. Die SBB sahen sich vor kurzem veranlasst, die Notwendigkeit solcher Serviceanlagen öffentlich zu erläutern und die betrieblichen Zwänge zu rechtfertigen. Offenbar fällt die Suche schwer. Die SBB haben Lehren gezogen. Statt einer grossen sollen etappiert kleinere Anlagen erstellt werden, wenn möglich auf bereits benutztem Boden und nicht im Grünen. Ob das angesichts der Dimensionen geht, ist fraglich. Politisch besteht dann die Gefahr, dass ein solches Projekt von zwei Seiten, Umweltschutz und Landwirtschaft, angefeindet wird.

Doch die Zeit drängt. Findet sich kein Platz für den Unterhalt der Züge, muss man sich in letzter Konsequenz überlegen, den Ausbau der Zürcher S-Bahn abzublasen. Denn was bringt der Bau neuer Schienenwege zwischen Zürich und Winterthur sowie unter der Stadt zwischen dem rechten Zürichseeufer und dem Hauptbahnhof für Milliarden, wenn die zusätzliche Kapazität mangels verfügbarer Züge nicht optimal genutzt werden kann? Es wäre eine gewaltige Seldwylerei.

Fast nicht bemerkt von der Öffentlichkeit schwelt ein weiteres Problem vor sich hin. Mit dem Ausbau der S-Bahn soll im nächsten Jahrzehnt ebenso der Busverkehr im Kanton Zürich verdichtet werden. Auch das erfordert mehr Fahrzeuge und damit mehr Abstellplätze. Dazu kommt das erklärte Ziel der Dekarbonisierung: Bis zur Mitte des Jahrhunderts soll der öV auf der Strasse weitgehend CO2-frei, das heisst in der Regel elektrisch, abgewickelt werden.

Doch Ladestationen für Busse benötigen Platz. Aus Sicherheitsgründen, wegen einer möglichen Brandgefahr, ist es ausserdem nicht erlaubt, E-Busse Stossstange an Stossstange zu parkieren. Das erhöht den Platzbedarf noch mehr. Derzeit suchen mehrere Busunternehmen im Kanton Zürich händeringend nach zusätzlichen Standorten für Depots, im Limmattal seit 2018 intensiv, aber bis anhin ohne Erfolg. Alle rufen nach mehr öV, aber eine Busgarage will niemand in der Nähe.

Die Menschen mitnehmen

Wie gross die Widerstände manchmal unterschiedlicher politischer Herkunft sind, zeigt sich an dem mühseligen Unterfangen, die Produktion von erneuerbarem und einheimischem Strom zu erhöhen. Diese Tatsache führt zu erstaunlichen Blüten bei Infrastrukturen, die der Volksmund als «schrötig, aber nötig» umschreibt: Kehrichtverwertungsanlagen. In Dietikon wird derzeit mit einem ausgeklügelten Architekturwettbewerb die beste Lösung für einen Neubau gesucht.

Jeder Verbrennungsofen ist nach einer gewissen Zeit zu ersetzen. Weil niemand ein solches Ungetüm vor der Nase will, ist das nur am bestehenden Standort möglich. Die Anlagen sind unabdingbar, denn Abfall gibt es trotz Recycling auch in Zukunft. Und sie sind unterschätzt: Da wird nicht einfach etwas verbrannt. Kehrichtverwertung ist, wie der Name sagt, Energieproduktion. Sie erzeugt Strom aus Güsel und dank einer Pilotanlage in Dietikon erneuerbares Gas, ein wichtiges Produkt für die Zukunft. Und sie heizt Gebäude, im Oberland in Zukunft von Wetzikon bis nach Rapperswil.

Doch ist dafür erstklassige Architektur nötig? Ja, weil heute kein Weg daran vorbeiführt, die Absicht hinter Grossprojekten intensiv zu erklären und die Bevölkerung ins Boot zu holen. Deshalb suchen Dietikon und Hinwil nach einer guten städtebaulichen Einbindung ihrer Kehrichtverwertung. Aber es braucht mehr als den Rückhalt am Standort. Für den Neubau im Zürcher Oberland müssen alle 36 Gemeinden des Zweckverbandes zustimmen, von der Goldküste bis ins Tösstal, vom oberen Glatttal bis zum Seedamm.

Das erfordert politisches Geschick, Beharrlichkeit und ist schwieriger, als von futuristischen Visionen zu träumen. Umgekehrt braucht es in der Gesellschaft wieder mehr Bereitschaft, im Interesse der Allgemeinheit auch ein paar Unannehmlichkeiten hinzunehmen. Einfach Nein zu sagen, reicht nicht.

Weniger Science-Fiction, mehr Realitätsbezug tut not. Das soll selbstverständlich niemanden davon abhalten, technische Entwicklungen voranzutreiben und auch verrückte Ideen umzusetzen. Man darf mitfiebern, wie der Swissloop abschneidet, der einheimische Teilnehmer der Hyperloop Week. Eine rasche Lösung unserer Transportprobleme sollte man sich davon aber nicht versprechen.

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