Montag, Februar 3

Am informellen EU-Gipfel stand eigentlich die europäische Verteidigung im Zentrum. Aber wie immer hatte alles auch mit dem amerikanischen Präsidenten zu tun.

Brainstorming geht am besten fernab grossstädtischer Hektik: Dies war die Idee des neuen EU-Ratspräsidenten António Costa, als er Mitte Januar die Einladungen für sein neues Gipfel-Format an die 27 Staats- und Regierungschefs verschickte. Ein paar Tage später stellte sich heraus, dass das auserwählte Schloss im Süden Belgiens den Sicherheitsanforderungen nicht genügte. Also traf man sich am Montag doch im Herzen Brüssels.

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Am Charakter der Veranstaltung änderte dies freilich nichts. Der informelle EU-Gipfel sollte dem freien Gedankenaustausch zwecks strategischer Weitsicht dienen, auf die sonst übliche Erklärung zum Ende der Veranstaltung wurde verzichtet. Zudem nahmen Personen teil, die sonst nicht am Tisch sitzen: Der britische Premierminister Keir Starmer – eine Premiere seit dem Brexit – und Nato-Generalsekretär Mark Rutte.

An dringlichen Traktanden mangelte es nicht – und wie immer seit dem 5. November hatte alles auch mit den USA zu tun. Hauptpunkt war die europäische Verteidigungspolitik, angesichts der ungewissen Unterstützung der Ukraine durch die USA oder gar einem möglichen Rückzug aus der Nato. Donald Trump lieferte dann mit den beabsichtigten neuen Zöllen gegenüber Kanada, Mexiko und China noch zusätzliche Themen ins Brüsseler Tagungszentrum.

Taktik oder Ernst?

Die EU fürchtet, als nächste an der Reihe zu sein. Macht er gegenüber dem alten Kontinent ernst oder ist alles nur taktisches Getöse? Die Staats- und Regierungschefs der EU geben sich jedenfalls gewappnet – und nach aussen resolut. «Wenn jemand einen Handelskrieg will, dann kriegt er ihn», sagte der luxemburgische Premierminister Luc Frieden. Von allen EU-Leadern wählte er die drastischsten Worte, hat aber als Vertreter eines Kleinstaats ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Bedeutsamer ist Deutschland. «Als starker Wirtschaftsraum können wir selber Dinge gestalten und werden auf Zollpolitik mit Zollpolitik reagieren», so der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz. Der polnische Premierminister Donald Tusk, der den EU-Vorsitz innehat, sagte: «Wir müssen der Beziehung zu den USA Sorge tragen, gleichzeitig aber als Europäer zusammenstehen.»

Tusk spricht damit aus, was seit Wochen inoffizielle Kommunikationsstrategie der EU-Staaten ist: Nicht panisch auf jeden Einwurf Trumps reagieren, Einheit demonstrieren, die eigene Wirtschaftskraft unterstreichen und die USA an ihre eigene Verletzlichkeit erinnern. In der Tat ist das Handelsvolumen zwischen den beiden Partnern immens. 2023 belief es sich auf 1,5 Billionen Euro – bei den Waren weist die EU, bei den Dienstleistungen die USA ein Handelsplus auf.

«Buy European» könnte Trump erzürnen

In Brüssel vermischt sich die handelspolitische Unsicherheit mit dem Problem der Verteidigungsfähigkeit. Dass Europa mehr in die eigene Sicherheit investieren muss, ist zum Allgemeinplatz geworden. Über das «wie» sind sich die EU-Länder allerdings weniger einig, als sie es sich eingestehen wollen. Eine der offenen Fragen ist, ob die künftigen Rüstungsaufträge in erster Linie an europäische Unternehmen gehen sollen – oder ob die amerikanische Rüstungsindustrie, die grösste und modernste der Welt, weiterhin im grossen Stil berücksichtigt werden muss.

Unbehagen schafft auch hier Trumps Unberechenbarkeit: Würde ihn eine explizite «Buy European»-Doktrin erst recht dazu veranlassen, mit der EU einen Handelskrieg loszutreten? Oder macht er dies alles ohnehin? Mit solchen Fragestellungen schlugen sich die europäischen Spitzenpolitiker am Montag herum. Emmanuel Macron entpuppte sich dabei, wenig überraschend, als Fürsprecher einer EU-Industriepolitik. «Seit sieben Jahren weible ich für eine grössere strategische Autonomie Europas», sagte der französische Präsident. Dies bedeute «mehr Rüstungsinvestitionen mit europäischer Priorisierung».

Scholz› letzter Gipfel

Polen, das sich in den vergangenen Jahren gerade dank Waffensystemen amerikanischer Herkunft zu einer der schlagkräftigsten Armeen Europas hochgerüstet hat, hält von solchen Plänen nicht viel: Er werde sich «gegen Restriktionen bei den Rüstungskäufen» einsetzen, versprach Premierminister Tusk.

Eine Mehrheit der Mitgliedstaaten dürfte diese Haltung unterstützen, wie aus Gesprächen mit Diplomaten hervorgeht. Angesichts der Dringlichkeit müsse zumindest kurzfristig genommen werden, was auf dem Markt erhältlich ist – ob amerikanisch oder nicht. Mittel- und langfristig mache ein signifikanter Ausbau der eigenen Rüstungsindustrie aber Sinn, um für den Ernstfall besser gewappnet zu sein. «Wir müssen sicherstellen, dass wir hochfahren können, wenn es darauf ankommt und dann nicht bei null anfangen müssen», sagte Bundeskanzler Scholz an seinem mutmasslich letzten EU-Gipfel.

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