Das Gros der Anleger hat die europäischen Börsen abgeschrieben. Zu schwach sei die Wirtschaft, zu dominant die US-Konkurrenz. Und doch legten die Aktien auf dem Alten Kontinent 2025 einen Traumstart hin. The Market zeigt, was für weitere Avancen spricht – und welche ETF sich anbieten.
Es ist ein Trauerspiel: Seit Jahren hinken europäische Valoren ihren US-Konkurrenten hinterher. In zwölf der vergangenen fünfzehn Jahre warf der S&P 500 eine bessere Rendite ab als der Stoxx Europe 600 (in gleicher Währung gerechnet). Kein Wunder, ächzt der Alte Kontinent doch seit der Finanzkrise unter einer ausgeprägten Wachstumsflaute, die jüngst noch verstärkt wurde durch den Krieg in der Ukraine. Unter dem damit verbundenen schmerzhaften Anstieg der Energiekosten leidet vor allem das verarbeitende Gewerbe.
Der Mangel an Technologieunternehmen war jüngst ein entscheidender Faktor im schlechteren Abschneiden: Während die «glorreichen Sieben» in den USA für Fantasie sorgten und die US-Leitindizes in die Höhe zogen, profitierte Europa kaum von den Verheissungen der künstlichen Intelligenz.
Und erstens kommt es anders…
Und nun ist auch noch Donald Trump zurück im Weissen Haus, und die Gefahr, dass er einen neuen Handelsstreit mit der EU vom Zaun bricht, ist nicht zu unterschätzen. Für viele Investoren ist deshalb klar, dass US-Aktien auch künftig der Vorzug zu geben sei. So lautet das gängige Narrativ, das etwa auch in den Prognosen vieler Banken und Vermögensverwalter für 2025 Niederschlag fand.
Entgegen der einhelligen Marktmeinung erwischten Europas Aktienmärkte allerdings einen erfreulichen Start ins neue Jahr. Ein Blick auf die Kursveränderung seit dem 1. Januar zeigt eine erstaunliche Erholung von Dax, Cac 40, Euro Stoxx 50, Swiss Market Index und Konsorten. Ob in Lokalwährung oder währungsbereinigt, Europas Börsen führen die jüngste Rally an – und diverse Indizes sind zuletzt nach oben ausgebrochen oder stehen kurz davor.
Dieser Schwung hat wohl manchen Anleger auf dem falschen Fuss erwischt. Handelt es sich bei dieser Gegenbewegung bloss um ein Strohfeuer oder kommt es endlich zu einer längeren Outperformance? Oder anders gefragt: Welche Gründe sprechen für Europa?
Vorteilhafte Bewertungen
Der offensichtlichste Grund, der für Europa spricht, ist die gedrückte Bewertung, die eine überaus pessimistische Einschätzung der Marktteilnehmer spiegelt. Gemäss Cédric Gemehl von Gavekal Research handeln europäische Aktien gegenüber ihren US-Pendants zu einem Abschlag von rund 40%, was markant unter dem langjährigen Diskont von rund 17% liegt. Auch wenn man die unterschiedliche Sektorzusammensetzung berücksichtigt – in den USA dominiert beispielsweise der IT-Sektor, in Europa gibt Finanz den Ton an –, notiert Europa derzeit zu einem nahezu rekordhohen Abschlag.
Wie der Marktstratege Mislav Matejka von JPMorgan ausführt, sind Aktien aus Europa nicht nur relativ zu den teuren US-Titeln attraktiv bewertet; auch im Vergleich zu Schwellenländern ist der Abschlag unüblich gross. Anders als ihre US-Konkurrenz schneiden europäische Valoren zudem auch relativ zu Anleihen vorteilhaft ab.
Günstige europäische Aktien
Nicht nur das, der Pessimismus spiegelt sich auch in der Währung, die gemäss dem Analysehaus BCA Research zum Dollar um rund 20% unter dem fairen Wert handelt. Zum Franken notiert der Euro ebenfalls auf der günstigeren Seite, wenngleich die Unterbewertung weniger stark ausgeprägt ist.
Allerdings sind europäische Valoren schon seit Jahren günstig, ohne dass eine strukturelle Gegenbewegung resultiert hätte.
Geringere Unterschiede in der Gewinndynamik
Nun aber könnte sich der Vorsprung der USA verringern. «Es gibt Anzeichen dafür, dass sich das Gewinnwachstum 2025 auf eine grössere Zahl von Regionen und Sektoren ausweiten könnte», meinen nämlich die Analysten von Citigroup. Behalten sie recht, dürften sich die Aussichten für die Nachzügler aufhellen, wodurch sich die Diskrepanz in der Gewinnentwicklung zwischen den grossen US-Techkonzernen und den übrigen Unternehmen verringern könnte.
Europa dürfte insbesondere von den global steigenden Infrastrukturausgaben profitieren. Der anhaltende Trend der Neuausrichtung der globalen Lieferketten und die «grüne Wende» sorgen für Rückenwind. «Das bessere globale Umfeld für Kapitalinvestitionen ist ein unbestreitbarer positiver Faktor für Europa», schreibt Stratege Marko Papic von BCA Research.
Ein weiterer Faktor könnte am Nimbus des «US Exceptionalism» rütteln: So hat DeepSeek, ein chinesisches Start-up auf dem Feld der künstlichen Intelligenz, soeben ein grosses Sprachmodell veröffentlicht, das mit US-Konkurrenten wie OpenAI oder Google mithalten kann – dabei allerdings viel weniger Rechenkapazität beansprucht und das in der Entwicklung deutlich günstiger war.
Angreifbare US-Techgiganten?
Dadurch gerät das Narrativ, wonach die amerikanischen Tech-Kolosse unverwundbar sind, ins Wanken. Zudem verstärken sich die Zweifel, ob aus den gewaltigen Investitionen in KI tatsächlich die erwarteten hohen Gewinne resultieren. Damit stellt sich auch die Frage, ob die hohen Bewertungen für IT-Konzerne gerechtfertigt sind, oder ob es sich nicht eher lohnt, in Valoren zu investieren, bei denen die Erwartungen gedämpft sind – wie das in Europa der Fall ist.
Gemäss einer Umfrage von Goldman Sachs auf ihrer jüngsten Strategiekonferenz in London trauten bloss 8% der Umfrageteilnehmer europäischen Aktien 2025 die stärkste Performance zu. Eindrückliche 58% der Befragten gaben an, dass die US-Börse in diesem Jahr erneut die Nase vorn haben wird. Diese Umfrage dürfte durchaus repräsentativ für die pessimistische Stimmung unter den Marktteilnehmern sein.
Gewaltige Unterschiede in der Fiskalpolitik
Viele Marktteilnehmer dürften zudem unterschätzen, wie stark US-Unternehmen von der grosszügigen Fiskalpolitik der USA profitiert haben. Während die Staatsausgaben auf EU-Ebene einigermassen im Lot sind, hat die US-Regierung in den vergangenen Jahren die fiskalpolitischen Schleusen geöffnet, um die Konjunktur zu stimulieren – trotz Vollbeschäftigung und ansprechendem Wachstum.
Jüngst sind nun aber die Renditen auf langfristigen US-Staatsanleihen bedrohlich nach oben geklettert, obwohl die US-Notenbank die Leitzinsen in drei Schritten um insgesamt einen Prozentpunkt gesenkt hat. Dies deutet darauf hin, dass die Anleihenanleger angesichts des fiskalpolitischen Exzesses langsam nervös werden. Höhere Kapitalmarktzinsen schränken den Handlungsspielraum der Regierung zunehmend ein – das dürfte sich schon bald bemerkbar machen. Inzwischen übersteigen die Zinskosten der US-Regierung bereits die Rüstungsausgaben. Derweil sieht die Lage in Europa besser aus.
«Die Outperformance der USA gegenüber Europa, die durch eine ausserordentlich verschwenderische Finanzpolitik stark begünstigt wurde, wird wahrscheinlich enden, egal was Europa tut», resümiert Marko Papic von BCA Research.
EZB wird weiter senken
Während in den USA in diesem Jahr immer weniger Zinssenkungen erwartet werden, stehen die Chancen auf eine substanzielle geldpolitische Lockerung der Europäischen Zentralbank gut. Im Gegensatz zu den USA scheint die Inflation auf Kurs zu sein, schon bald nachhaltig unter die Marke von 2% zu rutschen, und auch der Druck bei den Löhnen hat sich verringert, was Spielraum für Zinssenkungen eröffnet, die sich stimulierend auf das Wachstum auswirken werden. «Weitere Lockerungsmassnahmen der EZB sind ein wesentlicher Grund für unsere konstruktivere Einschätzung des Wachstums in der Eurozone in diesem Jahr», schreiben die Experten von TS Lombard.
Die im Rahmen des «NextGeneration EU»-Fonds geplanten Finanztransfers sorgen in diesem und im kommenden Jahr ebenfalls für Rückenwind, wovon speziell die Länder in der Peripherie profitieren werden.
Trump beschleunigt Reformen
Und wer weiss, womöglich sorgt gerade der US-Präsident für den dringend notwendigen Impuls für Reformen in Europa? Wie eine Erhebung des Think Tank European Council on Foreign Relations und dem «Europe in a Changing World»-Projekt der Universität Oxford im November 2024 ergab, ist zwar vor allem in Europa die Skepsis gegenüber Donald Trump gross. Der Anteil der Befragten, der glaubt, Trump «sei gut für ihr Land», erreichte in der EU bloss rund 22%, im Vereinigten Königreich war er noch niedriger.
Doch ist eine neue Trump-Präsidentschaft tatsächlich nur negativ für Europa? Wie ein Blick zurück lehrt, reagierte die EU in der Regel vor allem dann, wenn sie vor grossen Herausforderungen stand, wie etwa während der Finanz- und der Eurokrise oder der Corona-Pandemie. «Trumps Rückkehr ins Oval Office könnte auf dem Alten Kontinent ein Gefühl der Dringlichkeit hervorrufen und die Wahrscheinlichkeit produktivitätssteigernder Massnahmen erhöhen, wie sie kürzlich von Mario Draghi vorgeschlagen wurden», glauben Mathieu Savary und Marko Papic von BCA Research.
Sorgt die Drohkulisse Trumps und die Erkenntnis, dass «man auf sich allein gestellt ist» dafür, dass die EU sich reformiert, die Kapitalmarktintegration weiter vorantreibt und wirtschaftsfreundliche Reformen anpackt, dürfte sich auch die Produktivität und damit die Profitabilität der Unternehmen verbessern. Wegen Trumps konstantem Druck dürfte Europa auch seine Verteidigungsausgaben auf den Zielwert von 2% des BIP aufstocken, was der Industrie zugutekommen dürfte.
Ende des Ukrainekriegs?
Gelingt es Donald Trump zudem, wie im Wahlkampf versprochen, den Krieg in der Ukraine zu beenden, würde dies dem Alten Kontinent ebenfalls Schub verleihen. Auch wenn die Politiker öffentlich weiterhin ihre unerschütterliche Solidarität mit der Ukraine bekunden, dürfte die Bereitschaft für einen «Deal» mit Russland nach bald drei Jahren Krieg gestiegen sein.
Kommt es zu einer Einigung im Konflikt, dürfte sich das positiv auswirken. Einerseits, weil die erhöhten Energiekosten, die insbesondere der deutschen Industrie zu schaffen machen, weiter fallen werden, andererseits nähme die allgemeine politische Unsicherheit ab, was den Bewertungsabschlag auf europäischen Vermögenswerten zumindest verringern könnte. Fallende Energiekosten steigern die Profitabilität der Unternehmen, was wiederum die Investitionen ankurbeln würde. Dadurch könnte ein struktureller Wachstumstrend entstehen.
Wahlen in Deutschland als Chance?
Schliesslich könnte auch die Bundestagswahl am 23. Februar in Deutschland zu einem positiven Wandel in der grössten europäischen Volkswirtschaft führen. Seit Jahren dümpelt die deutsche Konjunktur vor sich hin, neue Impulse sind gefragt. Gewisse Marktbeobachter glauben, dass die Wahlen den Weg ebnen werden, die Schuldenbremse zu lockern, um dringend notwendige Investitionen in die öffentliche Infrastruktur anzugehen. «Die vorgezogenen Wahlen in Deutschland am 23. Februar könnten eine umfassende Reform der Schuldenbremse sowie angebotsseitige Reformen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit auslösen», meint etwa Christian Schulz von Citigroup.
China hat zwar bislang mit überzeugenden Stimulusmassnahmen enttäuscht. Sollte Peking aber die Wachstumsflaute entschieden anpacken, wäre auch das positiv für das stark exportorientierte Europa.
Erste Investoren scheinen die Chance jedenfalls zu packen. Umfragen sind zwar immer mit Vorsicht zu geniessen, aber gemäss der jüngsten Befragung von Fondsmanagern durch Bank of America haben die Anlageprofis ihre Positionen in europäischen Aktien zuletzt markant aufgestockt. Angesichts des grassierenden Pessimismus ist das doch ein erfreuliches Signal.
Fondsmanager schichten in europäische Aktien um
Wie investieren?
Es gibt also durchaus Gründe, die für einen längeren Aufwärtstrend bei europäischen Valoren sprechen. Aber was ist mit «europäischen Valoren» überhaupt gemeint? Der Euro Stoxx 50, der MSCI Europe oder der Stoxx Europe 600 – oder ist es einerlei? Die Frage ist relevant, weil sich bei der Performance und/oder beim Risikoprofil der diversen Indizes mitunter deutliche Unterschiede zeigen.
Wer mittels ETF investieren möchte, muss wissen, worin sich die verschiedenen Indizes unterscheiden. Im Folgenden präsentiert The Market deshalb eine Übersicht über die wichtigsten europäischen Aktienbarometer.
Die wichtigsten pan-europäischen Indizes sind die folgenden:
- Stoxx Europe 600
- MSCI Europe
- FTSE Developed Europe
- S&P Europe 350
- Stoxx Europe 50
Sie umfassen die Länder der Eurozone, berücksichtigen aber auch das Vereinigte Königreich, die Schweiz, Norwegen und Schweden.
Stoxx Europe 600
Der umfassendste europäische Aktienindex ist der Stoxx Europe 600, der 1998 ins Leben gerufen wurde. Er bildet sechshundert Aktien aus den folgenden siebzehn Ländern ab: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Schweiz, Spanien und Vereinigtes Königreich.
Die wichtigsten Sektoren sind Finanz (21,4%), Industrie (17,7%) und Gesundheit (14,5%). Die kleinste Branche ist Immobilien, die auf ein Gewicht von lediglich 1,2% kommt. Bei den vertretenen Ländern dominiert das Vereinigte Königreich (23,2%) vor Frankreich (17,5%) und der Schweiz (14,4%).
Unter den zehn grössten Unternehmen des Index finden sich gleich drei Schweizer Vertreter: der Nahrungsmittelkonzern Nestlé auf Platz vier sowie die beiden Pharmakolosse Roche (Rang 5) und Novartis (Rang 7). Der Platzhirsch ist allerdings der dänische Insulinhersteller Novo Nordisk, gleich dahinter folgt das deutsche IT-Unternehmen SAP. Der niederländische Technologiekonzern ASML belegt Platz drei.
MSCI Europe
Der MSCI Europe ist ebenfalls ein über alle (west-) europäischen Länder hinweg diversifizierter Index. Er umfasst grosse und mittelgrosse Unternehmen aus fünfzehn europäischen Ländern. Mit rund 415 Konstituenten deckt der Index etwa 85% der um den Streubesitz bereinigten Marktkapitalisierung des Aktienuniversums der europäischen Industrieländer ab. Trotz der geringeren Anzahl Aktien bewegen sich der MSCI Europe und der Stoxx Europe 600 typischerweise nahezu im Gleichschritt.
Ähnlich wie beim Stoxx Europe 600 sind das Vereinigte Königreich (23,5%), Frankreich (17,2%) und die Schweiz (14,8%) die wichtigsten Länder. Bei den Sektoren schwingen ebenfalls Finanz (20,3%), Industrie (17,5%) und Gesundheit (14,9%) obenaus.
ASML, Novo Nordisk und SAP sind die drei Unternehmen mit dem grössten Gewicht im MSCI Europe. Wiederum schaffen es auch Nestlé, Roche und Novartis in die Top Ten.
FTSE Developed Europe
Der FTSE Developed Europe umfasst ebenfalls Aktien grosser und mittlerer Unternehmen und bildet zwanzig entwickelte Märkte in Europa ab. Mit gegen 530 Unternehmen befindet er sich punkto Abdeckung zwischen dem MSCI Europe und dem Stoxx Europe 600.
Der Index wurde am 31. Mai 2000 mit einem Startwert von 200 Punkten ins Leben gerufen. Zweimal jährlich, jeweils im März und im September, wird er überprüft und, falls notwendig, angepasst. Wie die meisten modernen Indizes wird das Gewicht der Unternehmen aufgrund ihrer Marktkapitalisierung und des Streubesitzes bestimmt.
Das Vereinigte Königreich (24,6%), Frankreich (16,3%) und die Schweiz (14,6%) dominieren auch im FTSE Developed Europe. Die wichtigsten Branchen sind Finanz (21,4%), Gesundheit (14,9%) sowie Industrie (14,5%). ASML (2,6%), SAP (2,5%) und Novo Nordisk (2,5%) sind die grössten Positionen im Barometer.
S&P Europe 350
Schliesslich gibt es noch den S&P Europe 350, der derzeit aus 363 führenden Blue-Chip-Unternehmen aus den folgenden sechzehn entwickelten europäischen Märkten besteht: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Spanien, Schweden, Schweiz und Vereinigtes Königreich. Er wurde am 9. Februar 2021 ins Leben gerufen und bis zum 1. Januar 1998 zurückgerechnet.
Die Marktkapitalisierung ist ein wichtiges Kriterium für die Aktienauswahl. Es werden Aktien berücksichtigt, die zu den grössten Aktien der abgebildeten sechzehn Märkte gehören, gemessen an der floatbereinigten Marktkapitalisierung. Ebenfalls berücksichtigt wird die Handelsliquidität der Titel.
Die wichtigsten Sektoren sind Finanz (21%), Industrie (17,4%) und Gesundheit (14,8%). Aus regionaler Optik stellen wiederum das Vereinigte Königreich (24%), Frankreich (16,6%) und die Schweiz (14,9%) das grösste Gewicht. Die drei grössten Einzelpositionen sind einmal mehr ASML, Novo Nordisk und SAP. Leider gibt es keinen an der Schweizer Börse kotierten ETF auf den Index.
Stoxx Europe 50
Ein weiterer prominenter Index ist schliesslich der Stoxx Europe 50, der fünfzig der grössten Unternehmen des Alten Kontinents enthält. Dabei handelt es sich um eine Auswahl aus dem breiten Stoxx Europe 600. Die Indexzusammensetzung wird jedes Jahr im September überprüft. Auswahlkriterium ist die Marktkapitalisierung bezogen auf den Streubesitz. Um zu vermeiden, dass einzelne Unternehmen oder Länder das Barometer dominieren, gilt die Höchstgrenze von 10% für Einzelaktien.
Wenig überraschend finden sich unter den grössten drei Unternehmen wiederum ASML (5,2%), Novo Nordisk (5,2%) und SAP (4,7%) – wegen der geringeren Zahl an abgebildeten Firmen allerdings mit einem grösseren Gewicht als in den oben erwähnten Aktienindizes.
Der Aktienindex wurde am 26. Februar 1998 unter dem Namen Dow Jones Stoxx 50 eingeführt. Die Indexbasis liegt bei 1000 Punkten am 31. Dezember 1991, der Index wurde indes bis zum 31. Dezember 1986 zurückgerechnet. Im März 2010 erfolgte die Umbenennung in Stoxx Europe 50.
Bei den Sektoren dominieren Gesundheit (20,8%), Finanz (18,7%) und Industrie (12,9%). Das Vereinigte Königreich (24,4%), Frankreich (23,9%) und die Schweiz (18,1%) sind die wichtigsten Länder.
Fokus auf die Eurozone
Oft möchten Anleger ihre Anlagestrategie granularer gestalten und mitunter getrennt in die verschiedenen Währungsräume investieren. In den obigen Indizes stellen das Vereinigte Königreich und die Schweiz typischerweise fast 40% der Marktkapitalisierung. Insbesondere Schweizer Investoren möchten oft flexibler auf hiesige Aktien setzen und dem Heimmarkt ein überdurchschnittliches Gewicht einräumen. Oder Anleger möchten darauf setzen, dass europäische Exporteure vom schwachen Euro profitieren.
Für solche Fälle bieten sich Indizes an, die ausschliesslich Valoren aus der Eurozone umfassen. Die wichtigsten Barometer sind die folgenden:
- FTSE Eurozone
- Euro Stoxx
- MSCI EMU
- Euro Stoxx 50
FTSE Eurozone
Der FTSE Eurozone wurde am 30. Juni 2000 lanciert und per 31. Mai 2000 mit einem Startwert von 200 Punkten versehen. Er bildet mehr als 297 Aktien aus elf Ländern der Eurozone ab, wobei Valoren aus Frankreich (32,2%), Deutschland (27,8%) und den Niederlanden (13,5%) dominieren.
Der Equipment-Hersteller für die Halbleiterindustrie ASML (5,1%) hat das grösste Gewicht im Index, gefolgt vom Technologiekonzern SAP (5%) und dem Luxusgüterhersteller LVMH (3%). Allerdings gibt es keinen an der SIX Swiss Exchange kotierten ETF, der diesen Index abbildet.
Euro Stoxx
Beim Euro Stoxx (nicht zu verwechseln mit dem Euro Stoxx 50) handelt es sich um einen breiten und liquiden Index, der eine Teilmenge des oben beleuchteten Stoxx Europe 600 abbildet. Er repräsentiert Unternehmen mit grosser, mittlerer und kleiner Marktkapitalisierung aus elf Ländern der Eurozone: Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, Portugal und Spanien. Die Zahl der Konstituenten ist nicht fixiert, derzeit sind es 295 Werte. Einmal im Quartal wird die Zusammensetzung überprüft.
Da die Unternehmen im breiten Euro Stoxx wie im FTSE Eurozone gemäss Marktkapitalisierung im Streubesitz gewichtet werden, geben auch in diesem Barometer Frankreich (34,1%), Deutschland (27,1%) und die Niederlande (12,5%) den Ton an.
Bei den Sektoren dominieren Finanz (21,6%), Industrie (19%) sowie zyklischer Konsum (13,6%). Der gewichtigste Titel im Index ist der deutsche Technologiekonzern SAP, dessen Anteil sich auf 4,7% beläuft. ASML kommt auf 4,5%, der Luxusgüterhersteller LVMH erreicht 3,4%.
MSCI EMU
Der MSCI EMU Index (European Economic and Monetary Union) bildet grosse und mittelgrosse Unternehmen aus zehn entwickelten Märkten in der Währungsunion ab. Mit 221 Konstituenten deckt der Index etwa 85% der um den Streubesitz bereinigten Marktkapitalisierung der EMU ab. Der MSCI EMU Index wurde am 30. April 1998 eingeführt, die Daten wurden jedoch weiter zurückgerechnet.
Der niederländische Halbleiterkonzern ASML hat mit 5,3% das grösste Gewicht im Index, gefolgt vom deutschen Softwareunternehmen SAP (4,8%) und dem französischen Luxusgüterkonzern LVMH (3,4%). Frankreich (33,5%), Deutschland (27,9%) und die Niederlande (13,9%) stellen drei Viertel der gesamten Marktkapitalisierung. Finanz (20,6%), Industrie (18,7%) und zyklischer Konsum (13,8%) sind die prominentesten Branchen.
Die Indexanpassung erfolgt quartalsweise in den Monaten Februar, Mai, August und November. Berechnet wird der MSCI EMU Index vom Indexanbieter MSCI.
Euro Stoxx 50
Der Euro Stoxx 50 ist der wohl bekannteste regionale Index in Europa. Er wurde am 26. Februar 1998 eingeführt und umfasst die fünfzig grössten Standardwerte aus neunzehn Branchen und elf Ländern der Eurozone. Als Indexbasis wurden am 31. Dezember 1991 1000 Punkte gewählt, zudem wurde er bis zum 31. Dezember 1986 zurückgerechnet.
Der Euro Stoxx 50 gewichtet die im Index vertretenen Unternehmen gemäss der Marktkapitalisierung im Streubesitz. Um Klumpenrisiken zu vermeiden, dürfen einzelne Titel ein Limit von 10% nicht überschreiten – derzeit liegt das grösste Unternehmen (SAP, Gewicht 7,4%) allerdings immer noch deutlich darunter. Weitere Schwergewichte sind ASML (7,1%) und LVMH (5,3%).
Die Zusammensetzung des Index wird jährlich im September überprüft. Gegenwärtig dominieren Unternehmen, die ihren Firmensitz entweder in Frankreich (39,5%) oder in Deutschland (28,5%) haben. Bei den Sektoren schwingen Finanz (21,5%), Industrie (17,9%) sowie zyklischer Konsum (16,9%) obenaus.
Fazit
Die wichtigste Entscheidung, die Anleger fällen müssen, ist diejenige zwischen einem Index, der Gesamteuropa inklusive der Schweiz und dem Vereinigten Königreich abbildet, und einem, der sich auf die Länder der Eurozone fokussiert.
Im nächsten Schritt muss zwischen breiten und fokussierten Barometern gewählt werden – je weniger Unternehmen im Index, desto stärker liegt der Fokus auf Megacaps und desto grösser ist das Gewicht der einzelnen Konstituenten (und damit das Klumpenrisiko). In den vergangenen zwanzig Jahren haben die breiten Indizes besser abgeschnitten als die enger gefassten.
ETF und ihr Einfluss auf die Volatilität von Anleihen
Mit dem Aufstieg von ETF – auch 2024 verzeichneten sie kräftige Zuflüsse (siehe unten) – machen sich zunehmend unerwünschte Nebenwirkungen bemerkbar. So zeigen akademische Studien, dass der Trend zum passiven Anlegen in der Tendenz zu einer stärkeren Marktkonzentration und zu grösseren Ausschlägen an den Börsen führt. Gewisse Analysen zeigen, dass die Märkte mit zunehmendem Vormarsch der ETF instabiler werden. Fundamentaldaten wie die Bewertung rücken in den Hintergrund, wenn Aktien – solange sie in einem populären Index enthalten sind – mechanisch gekauft werden. Das Nachsehen haben Nebenwerte.
Im Fokus der Untersuchungen standen allerdings in erster Linie Aktien-ETF. Wie sich die Verbreitung von ETF auf den Anleihenmarkt auswirkt, ist noch wenig untersucht, obschon sich die 2002 eingeführten Anleihen-ETF immer grösserer Beliebtheit erfreuen: Insgesamt 674 Fonds verfügten im Juli 2024 über ein verwaltetes US-Vermögen von 1,7 Bio. $, womit sich ihr Einfluss langsam bemerkbar machen müsste. Ein soeben im Journal «The Financial Review» publiziertes Papier (es kann hier heruntergeladen werden) von Anna Agapova, Margarita Kaprielyan und Nikanor Volkov will etwas Licht ins Dunkel bringen.
Verbesserte Liquidität
Die Studie geht der Frage nach, ob börsengehandelte Anleihen-Fonds die Preise ebenfalls verzerren und die Volatilität der ihnen zugrunde liegenden Anleihen erhöhen. Das ist vor allem aus Sicht der Finanzmarktstabilität ein zentraler Aspekt. Anders als die Resultate bei Aktien-ETF erwarten lassen könnten, kommen die Autoren zum Schluss, dass Anleihen, die in ETF enthalten sind, in der Regel eine geringere Renditevolatilität aufweisen als Bonds, die nicht in ETF enthalten sind. Mit anderen Worten: Eine höhere ETF-Beteiligung an einer Unternehmensanleihe ist mit einer geringeren Volatilität der Anleiherenditen verbunden und wirkt sich insgesamt positiv aus.
So nehmen die Schwankungen von Anleihen nach der Aufnahme in einen ETF sowohl bei Investment-Grade- als auch bei hochverzinslichen Anleihen (Junk Bonds) ab. Bei letzteren ist der Effekt stärker ausgeprägt. Umgekehrt nimmt die Volatilität zu, wenn Anleihen aus einem ETF ausscheiden. Wiederum ist der Effekt bei den hochverzinslichen Instrumenten heftiger.
ETF als Liquiditätspuffer
Gemäss Agapova, Kaprielyan und Volkov verharrt die Volatilität der Anleihen bis zu sechs Monate nach der Aufnahme in einen ETF auf einem niedrigeren Niveau als bei vergleichbaren Anleihen, die keinen Eingang in entsprechende ETF gefunden haben. Das deute darauf hin, dass die dämpfende Wirkung nicht wegen dem zusätzlichen Nachfragedruck zustande komme, sondern dank der Liquiditätspufferwirkung des ETF-Marktes dauerhaft sei.
Die Ergebnisse der Studie lassen demnach kein systemisches Risiko von Bond-ETF auf die Marktstabilität erkennen. Im Gegenteil, bislang scheinen die ETF Liquidität und Preiseffizienz der zugrunde liegenden Anleihen zu verbessern. Wer weiss, ob sich das mit der fortschreitenden Popularität noch ändern wird, aber derzeit entfalten Bond-ETF offenbar eine positive Wirkung auf das Funktionieren des Marktes.
Grafik des Monats: Europäischer ETF-Markt legt weiter zu
2024 war ein ausgezeichnetes Börsenjahr – primär getrieben durch US-Valoren. Angesichts des schleppenden Wachstums auf dem Alten Kontinent und der Tatsache, dass die Musik vor allem bei den dominierenden Technologietiteln spielte, blieben europäische Aktien deutlich hinter der Konkurrenz zurück.
Dennoch liessen sich die Anleger nicht abschrecken. Trotz des schwierigen Umfelds flossen europäischen Aktien-ETF im vergangenen Jahr im grossen Stil Neugelder zu, wie Daten des Researchhauses ETFGI und des ETF-Anbieters Amundi zeigen.
Das von europäischen ETF und börsengehandelten Produkten (ETP) verwaltete Vermögen erhöhte sich von 1,82 Bio. $ Ende 2023 auf 2,27 Bio. $ per Ende Dezember. Gemäss Zahlen von ETFGI seien über das Gesamtjahr rekordhohe 270 Mrd. $ an Geldern in ETF geflossen – allein im Dezember waren es nahezu 33 Mrd. $. 80% der Neugelder kamen Aktienprodukten zugute, wobei innerhalb der Aktien die Hälfte auf US-Valoren entfiel. Auch hiesige Anleger setzten demnach auf die stärkste Börse.
Bis und mit Dezember sei in 27 aufeinanderfolgenden Monaten netto ein Zufluss in passive Aktienfonds beobachtet worden. Wie ein Blick zurück zeigt, war das Wachstum in der vergangenen Dekade eindrücklich. 2020 belief sich das gesamte verwaltete Vermögen europäischer ETF auf weniger als 1 Bio. $., die Schwelle von 500 Mrd. $ wurde 2016 überschritten. Und hält der jüngste Aufwärtstrend bei europäischen Aktien an, dürften den ETF auch in diesem Jahr neue Gelder zufliessen.
Bis die Marke von 3 Bio. $ fällt, dürfte es indes noch etwas dauern.