Samstag, September 28

Im zweiten Durchgang setzt sich der Altbundesrat in Strassburg durch. Die Wahl ging nicht ohne Störmanöver über die Bühne.

Die Spannung war bis zum Schluss gross. Am Dienstag hat die parlamentarische Versammlung des Europarats Alain Berset (52) mit 114 von 245 gültigen Stimmen zum neuen Generalsekretär gewählt. Der Versammlungspräsident Theodoros Rousopoulos verkündete das Resultat gegen 19 Uhr nach dem zweiten Wahlgang im Plenum. Bersets Mitbewerber Indrek Saar (51), ein früherer estnischer Kulturminister, kam auf 85 Stimmen. Der dritte Kandidat, der Belgier Didier Reynders (65), ein EU-Kommissar, schiffte mit 46 Stimmen ab.

Alain Berset bedankte sich bei der parlamentarischen Versammlung für das Vertrauen, das diese ihm entgegengebracht habe. Er sei sich der immensen Herausforderungen bewusst. Erste Priorität werde die Ukraine haben, sagte er vor den Medien. Nötig seien rasch Mechanismen, um das Land für die entstandenen Schäden zu kompensieren. Es gehe auch um einen Kampf für die Werte des Europarates, für die Menschenrechte, den Rechtsstaat und die Demokratie – und gegen die demokratische Erosion.

Für den Freiburger Berset geht damit eine intensive Kampagne zu Ende, die fast ein halbes Jahr gedauert hatte. 25 Länder hatte er besucht. Noch am Dienstagmorgen hatte Berset vor dem Saal der parlamentarischen Versammlung erneut für seine Kandidatur geweibelt und letzte Gespräche geführt.

Berset ins schiefe Licht gerückt

Erleichtert zeigte sich der Zürcher SVP-Nationalrat Alfred Heer, der die zwölfköpfige Schweizer Delegation in Strassburg präsidiert. Diese fieberte mit Berset mit wie bei einem Match der Fussball-Nationalmannschaft – von den Grünen bis zum rechten Rand der SVP. Der Schaffhauser Ständerat Hannes Germann erschien in Socken mit dem Schweizerkreuz zur Wahl.

Gegen 13 Uhr machte sich in der Schweizer Delegation vorderhand Erleichterung breit. Berset konnte im ersten Wahlgang die Favoritenposition halten, nachdem er bereits im Ministerrat am besten abgeschnitten hatte. Da jedoch keiner der Kandidaten die nötige Mehrheit von 121 Stimmen erreichte, war ein zweiter Wahlgang nötig. Bei diesem genügte ein relative Mehrheit.

Die Wahl, die in geheimer Abstimmung erfolgte, blieb eine Zitterpartie. Dem Vernehmen nach versuchten Vertraute von Reynders und Saar, Berset im Vorstand der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (Alde) in ein schiefes Licht zu rücken. Es ging um die Ukraine. Berset hatte letztes Jahr als Bundespräsident in einem Interview gesagt, er spüre «in gewissen Kreisen einen Kriegsrausch». Die Ukraine ist in Strassburg prominent ein Thema – und stark präsent. Doch am Ende gelang es Bersets Kontrahenten nicht, die Stimmenverhältnisse zu kippen.

Der erste Schweizer

Nach der Wahl empfing die abtretende Generalsekretärin, die Kroatin Marija Pejcinovic Buric, die Mitglieder der parlamentarischen Versammlung in ihrem Stadtpalais. Bald wird sie die Schlüssel an Berset übergeben. Er wird seinen Posten am 18. September antreten. Mit ihm übernimmt erstmals ein Schweizer den Spitzenposten im Europarat.

Der Generalsekretär leitet eine Organisation, die ein Budget von rund 625 Millionen Euro und ein Sekretariat mit über 1800 Mitarbeitenden hat. Der Europarat, vor 75 Jahren nach den Wirren des Zweiten Weltkriegs gegründet, leidet unter seiner fehlenden Wahrnehmung. Mit dem Krieg in der Ukraine hat die Organisation aber an politischem Profil gewonnen. Nach dem Angriff auf die Ukraine schloss sie Russland aus, weil es die Grundsätze der Organisation schwer verletzt hatte.

Der SVP-Aussenpolitiker und Nationalrat Roland Rino Büchel hofft, dass es Berset früher oder später gelingt, mit Russland wieder ins Gespräch zu kommen. Der Europarat habe sich unter schwierigen Umständen für den stärksten, unabhängigsten Kandidaten entschieden, sagte er. Berset müsse nun die Organisation straffen und sich auf das Wesentliche fokussieren.

Damien Cottier, Nationalrat und Fraktionschef der FDP, erwartet vom neuen Generalsekretär, dass der Europarat besser kommuniziere. Berset könne mit seiner Herkunft und Erfahrung viel bewirken, um die gefährlichste Situation in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg zu bewältigen. Es liege in der DNA der Schweiz, Leute zusammenzubringen und Lösungen zu finden.

Das Aussendepartement hatte Bersets Kandidatur unterstützt. Das Verhältnis der Schweiz zum Europarat ist jedoch nicht konfliktfrei. Ein zentrales Organ der Organisation, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), ist wegen seines Urteils im Fall der Klimaseniorinnen in die Kritik geraten. Berset sagte am Dienstag, seine Wahl bedeute auch, dass sich sein Land voll für die Werte des Europarats engagiere.

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