Eigentlich schien alles klar, doch dann beharrte der Ständerat auf seiner Position. Die Abschaffung des Eigenmietwerts rückt in weite Ferne.

Fast hat es so ausgesehen, als könnte die «Mission impossible» dieses Mal tatsächlich gelingen. Eine Vorlage zur Abschaffung des steuerlichen Eigenmietwerts, über den sich Hauseigentümer im ganzen Land ärgern, stand im Parlament kurz vor dem Durchbruch. Sogar Jacqueline Badran, die grosse Wortführerin der SP in Steuerfragen, zeigte sich gesprächsbereit. Am Donnerstag hat der Ständerat ein letztes Mal über die Reform diskutiert.

Doch siehe da: Entgegen den Anträgen der vorberatenden Kommission war die Mehrheit nun doch nicht bereit, sich dem Nationalrat zu beugen. Bei beiden Streitfragen, die noch offen sind, beharrte der Ständerat auf seiner bisherigen Position. Damit ist das Schicksal der Vorlage nach siebenjährigen Vorarbeiten wieder völlig offen. Am Montag ist noch einmal der Nationalrat am Zug. Dass er in beiden Fragen nachgibt, ist unrealistisch. Somit muss eine Einigungskonferenz eingesetzt werden.

Im Prinzip wäre eigentlich alles klar: Wer im Eigenheim wohnt, müsste keinen Eigenmietwert mehr versteuern, könnte aber auch keine Abzüge für den Gebäudeunterhalt mehr geltend machen. Auch der Steuerabzug für Schuldzinsen würde stark eingeschränkt oder ganz abgeschafft. Eine Ausnahme gilt für Personen, die erstmals Wohneigentum kaufen: Sie könnten während maximal zehn Jahren einen Teil der Schuldzinsen abziehen.

Walliser und Bündner machen Druck

Bleiben noch die zwei grossen Streitpunkte. Der erste dreht sich um die Frage, ob die Reform auch für Zweitwohnungen gelten soll. Falls für sie eine Ausnahme gilt, müssten Besitzer von Chalets und anderen Ferienwohnungen den Eigenmietwert weiterhin versteuern. Tourismuskantone wie das Wallis oder Graubünden verlangen vehement eine solche Lösung, weil sie andernfalls mit hohen Steuerausfällen rechnen müssten.

Der Nationalrat hat eine solche Regelung aber klar abgelehnt, der Bundesrat ebenfalls. Beide argumentieren, dass eine derartige Ungleichbehandlung rechtlich kaum erklärbar und administrativ kompliziert wäre. Zudem könnte sie mittels Verschiebungen von Wohnorten oder Hypothekarschulden neue Optimierungsmöglichkeiten eröffnen.

Der Ständerat aber ist am Donnerstag hart geblieben und hat sich erneut auf die Seite der Bergkantone geschlagen: Er hat den Entscheid bekräftigt, die Zweitwohnungen von der Reform auszunehmen. Folgerichtig hat er auch die Zusatzvorlage versenkt, die der Nationalrat entworfen hatte, um die Bedenken der Bergkantone aufzunehmen: Sie sollten eine neue Objektsteuer auf Liegenschaften einführen können, um ihre Steuerausfälle zumindest teilweise zu kompensieren. Im Konzept des Ständerats ist das nicht nötig.

Kniffliger Streit um Schuldzinsen

Der zweite Streitpunkt betrifft die Neuregelung der Steuerabzüge für Schuldzinsen. Eine generelle Abschaffung würde offenkundig zu weit gehen, zumal Schuldzinsen nicht nur bei Eigenheimen anfallen, sondern zum Beispiel auch bei vermieteten Liegenschaften. Hier setzt die Variante des Nationalrats an: Wer Mietgebäude besitzt, kann weiterhin einen Teil der Schuldzinsen abziehen. Machen diese Liegenschaften zum Beispiel die Hälfte des Gesamtvermögens aus, kann man auch die Hälfte aller Schuldzinsen abziehen. Wer «nur» sein Eigenheim besitzt, kann nichts mehr abziehen. Insbesondere der Hauseigentümerverband ist damit gar nicht glücklich.

Auch hier ist der Ständerat hart geblieben. Er will, dass sämtliche Steuerpflichtigen Schuldzinsen im Umfang von 70 Prozent aller Vermögenserträge abziehen können – unabhängig davon, ob sie vermietete Liegenschaften haben oder nicht.

Während sich das Parlament schwertut, nimmt ausserhalb des Bundeshauses der Gegenwind zu. Vor wenigen Tagen hat sich der Dachverband der Schweizer Bauwirtschaft mit einem Brief an die Parlamentarier gewandt: Die in den Bereichen Ausbau und Gebäudehülle tätigen Unternehmen sprechen sich darin unerwartet klar gegen die Vorlage aus. Vor allem stört sie, dass die Steuerabzüge für Gebäudeunterhalt abgeschafft werden sollen – und zwar auch dann, wenn es um Bauarbeiten geht, die Energieeffizienz und Klimaschutz dienen. Die Kantone könnten an solchen Abzügen festhalten, beim Bund aber würden sie wegfallen.

Und die Baubranche ist mit ihrem Widerstand nicht allein. Kurz vor der Session hat sich auch der Schweizerische Mieterverband überraschend gegen die geplante Reform ausgesprochen. Und die Mehrheit der Kantonsregierungen stand der Reform schon von Anfang an skeptisch bis ablehnend gegenüber.

Baugewerbe, Mieter, Kantone: Auch wenn noch unklar ist, wie stark sich die verschiedenen Lobbys ins Zeug legen würden, ist anzunehmen, dass die Vorlage in einer Volksabstimmung einen schweren Stand hätte – wenn sie nicht schon im Parlament scheitert. Ende kommender Woche wird man mehr wissen.

Ungewisse Steuerausfälle

In den weiteren Diskussionen werden auch die Steuerausfälle eine zentrale Rolle spielen. Sie lassen sich nicht präzis vorhersagen, weil sie stark von der Höhe der Hypothekarzinsen abhängig sind. Laut den Schätzungen des Bundes wäre bei einem durchschnittlichen Zinsniveau von 1,5 Prozent mit einer Entlastung der Wohneigentümer von total 1,7 Milliarden Franken pro Jahr zu rechnen. Etwa vier Fünftel davon entfielen auf Kantone und Gemeinden. Zurzeit liegen die durchschnittlichen Zinsen für zehnjährige Hypotheken laut Comparis bei knapp 1,7 Prozent. Falls sie nun nach den jüngsten Entscheiden der Nationalbank stark sinken, wären die Entlastungen der Wohneigentümer und somit auch die Einbussen des Fiskus grösser.

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