Samstag, Oktober 5

An der Expo 2025 ist die Schweiz mit einem Schaum-Pavillon vertreten, der den geringsten ökologischen Fussabdruck aller Expo-Gebäude hinterlassen und dennoch Eindruck machen soll.

Dreht sich die Welt im Kreis? Oder findet sie zu einer Kreislaufwirtschaft? Beide Interpretationen sind naheliegend in Anbetracht der Pläne für die Weltausstellung in Osaka, die Mitte April nächsten Jahres eröffnet wird. Der japanische Stararchitekt Fujimoto Sou hat dem Masterplan für die Expo 2025 einen kreisrunden Arkadengang aus Holz eingeschrieben, der das Ausstellungsgelände umrahmt und ihm ein Zentrum gibt.

Etwa 150 Nationen und Organisationen werden sechs Monate lang unter dem Allerweltsmotto «Designing Future Society for Our Lives» ihre Ansätze zeigen, wie es rundlaufen könnte auf dem Weg in eine nachhaltigere Zukunft der Menschheit. Das Thema Kreislaufwirtschaft ist zwar schon lange etabliert, aber architektonisch verspricht die Expo diesbezüglich ziemlich interessant zu werden.

Fujimotos hölzerner Ring mit einem Durchmesser von 700 Metern steht bereits fertig auf dem Expo-Gelände in der Bucht von Osaka, einer aufgeschütteten Insel namens Yumeshima. Die haushohe Holzkonstruktion hat nur Steckverbindungen und ist nach der Weltausstellung entsprechend leicht rückbaubar. Derlei Zapfsysteme hat das traditionelle japanische Zimmermannshandwerk schon seit Hunderten von Jahren speziell für den Bau von Tempeln und Schreinen entwickelt.

Von der ringförmigen Expo-Aussichtsplattform als Endlosschleife werden die Blicke der Besucher bei ihrem Spaziergang über die Dächer der nationalen Pavillons schweifen – und dabei auch bei der ungewöhnlichen Silhouette des Schweizer Beitrags haltmachen. Dieser erinnert an Seifenblasen. Der Schweizer Pavillon, entworfen von dem Architekten Manuel Herz aus Basel, ist ein Ultraleichtbau. Anspruch des Projekts ist es nämlich, den geringsten ökologischen Fussabdruck aller Expo-Gebäude, aber dennoch Eindruck zu hinterlassen.

Rückbau und Weiterverwendung

Blauregen wird die milchigen Ausstellungsblasen beranken. Im Inneren werden Themen wie «Life-Science», «Planet» und «Robotics & KI» präsentiert werden. Der Bau wiegt nur 400 Kilogramm, und seine Bauteile sind per Lastenrad transportierbar. Herz wählte eine doppelschalige Hülle aus ETFE-Folien, die an einem Traggerüst befestigt sind, das nach Abbau der Ausstellung zu Möbeln weiterverarbeitet wird.

Die Membranen sind transluzent und erinnern, wenn sie von innen beleuchtet sind, an Froschlaich. Die Themen Rückbau, geringer Materialeinsatz und Weiterverwendung, die den Schweizer Architekturbeitrag prägen werden, bestimmen derzeit den Diskurs in der Bauindustrie.

Der Schweizer Entwurf orientiert sich zugleich auch an der Geschichte. Gestalterisch knüpft er an die Expo 1970 an, die ebenfalls in Osaka abgehalten wurde. Damals waren Kugelarchitekturen in Mode. Der damalige Pavillon der Schweiz, ein Werk von Willi Walter, war eine Stahlkonstruktion, getragen von einer einzelnen Stütze und verkleidet mit 60 000 spiegelnden Aluminiumplatten, die den Himmel reflektierten.

Der Pavillon sollte «Schweizer Erfindergeist, Präzision und Sinn für Schönheit» symbolisieren. Der deutsche Pavillon von Fritz Bornemann hingegen war als Kugelauditorium für Kompositionen von Karlheinz Stockhausen konzipiert. Dreidimensionale Soundkulissen machten aus dem Pavillon einen multimedialen Klangerlebnisraum. So inspiriert und avantgardistisch ist der Pavillon von Deutschland auf der Expo im nächsten Jahr allerdings nicht: Diesmal baut das Büro Lava (Laboratory for Visionary Architecture) «Wa» genannte Rundbauten, deren Geometrien für Harmonie und zirkulares Wirtschaften stehen sollen.

Wie schon vor vier Jahren bei der Expo in Dubai wird die deutsche Ausstellung mit erhobenem Finger zeigen, wie man heute bauen und leben «muss». Der deutsche Pavillon in den Emiraten ist jedoch mittlerweile eine Ruine, eine sinnvolle Nachnutzung ist nicht gelungen.

Da ist die aufstrebende japanische Architektin Yuko Nagayama aus Tokio mit ihrem Konzept bereits einen entscheidenden Schritt weiter: Für den Frauenpavillon in Osaka hat sie kurzerhand den japanischen Nationalpavillon in Dubai abbauen und nach Osaka transportieren lassen. Seine Bauteile setzt sie dort zu einer faszinierenden «Origami-Architektur» neu zusammen.

Die Fassaden haben diagonale Monyo-Muster, die ursprünglich für Kimonos verwendet wurden. So eckig kann Kreislaufwirtschaft aussehen. Die elegante Hülle bildet wie gefaltetes Papier einen weissen Filter um den inneren Pavillon. Nagayama verwandelte das traditionelle Asa-no-ha-Muster in ein dreidimensionales Fassadenraster, das in einem feinen Gerüst als Filterschicht und Zwischenraum sitzt.

Testwiese für neue Ideen

Auch der Schweizer Architekt Manuel Herz, dessen bekanntestes Werk der Neubau der Synagoge in Mainz ist, beweist mit seinem Entwurf für den Schweizer Expo-Pavillon Gespür für die Geschichte der Gestaltung: Blasen, pneumatische Bauten und Kapseln standen auch bei den Expo-Bauten von 1970, die unter Leitung des japanischen Meisterarchitekten Tange Kenzo gebaut wurden, im Vordergrund.

Allerdings herrschte damals ein ganz anderer Zeitgeist: Der Nachkriegsaufschwung in Japan war in den späten sechziger Jahren erlahmt, die Ölkrise läutete bald das Ende der Ära der futuristischen metabolistischen Architektur ein. Für die Expo 1970, die erste Weltausstellung in Asien überhaupt und mit 64 Millionen Besuchern die meistbesuchte Expo der Geschichte, hatte Tange eine «Festival Plaza» entworfen.

Das transluzente Dach darüber, von nur sechs Stützen getragen, wurde in der Mitte von einem «Sonnenturm» durchstossen, den der japanische Künstler Okamoto Taro gestaltet hatte. Seine riesige, weisse Turm-Skulptur mit zwei Armen und drei Gesichtern auf der Vorder- und Rückseite ragte aus dem «Grossen Dach» heraus. Ein Gesicht auf der Vorderseite repräsentierte die Gegenwart und eine schwarze Visage auf der Rückseite die «Sonne der Vergangenheit». Rote Zacken an der Vorderseite stellten Donner dar.

Der Turm wurde zum Schauplatz von Protesten gegen den Vietnamkrieg und gegen Japans Bund mit den USA. Nur einen Monat nach der Eröffnung der Weltausstellung, kletterte ein Demonstrant in das rechte Auge des Gesichts der Sonnenturm-Skulptur und begann einen Hungerstreik, der als «Eye-Jacking» in die Geschichte einging. Der einsame Turm ist heute das einzige Überbleibsel der Expo 1970.

Heute stellt sich die Frage, welche Relevanz Weltexpositionen im Zeitalter der Globalisierung und digitalen Vernetzung noch haben können. Wenn nach Beendigung der Ausstellung die Expo-Architektur trotz allen gegenteiligen Beteuerungen ihren Nutzen schnell verliert, ist es sinnvoll, schon beim Bau an die Rückbaubarkeit zu denken.

Junge, vielversprechende Architekten wie Manuel Herz aus Basel oder Nagayama aus Tokio könnten mit ihren Entwürfen dazu beitragen, mit ihrem sparsamen Einsatz von Materialien, aber nicht von Ideen, die Weltausstellungen als Typus zukunftsfähig zu halten – als Testwiesen für neue Ideen und Ausdruck der Zeit.

Exit mobile version