Montag, Dezember 23

Die Franklin University Switzerland bringt als eine der wenigen privaten Hochschulen Innovation in die Schweizer Bildungslandschaft. Aber ehemalige Angestellte werfen dem Institut vor, es vergebe Schweizer Uni-Diplome auch an Studierende, die die Leistung dafür nicht erbrächten.

Die Studentin hebt die Augenbrauen. Ob sie einer Freundin die Franklin University empfehlen würde? Nie im Leben, sagt sie. Dann muss sie weiter, gleich beginnt die Vorlesung. Später wird sie zurückkehren und nochmals das Gespräch suchen, sie will noch etwas anderes in der Zeitung lesen. Für jetzt verschwindet sie aber in einem terracottafarbenen Landsitz mit Laubengang.

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Ein Wintermorgen in Sorengo, einer Vorstadt von Lugano. Der Landsitz, das ist das Hauptgebäude der Franklin University Switzerland. Einzelne Studierende gehen darin die Marmortreppen hinauf, vorbei an majestätischen Holztüren, durch die Gänge mit Blick auf eine grosszügige Grünfläche, Palmen und perfekt getrimmte Hecken.

Auf den ersten Blick glänzt bei Franklin alles. Doch im Innern der Hochschule rumort es. Im Kern geht es um die Käuflichkeit von Universitätsabschlüssen: Versorgt man Söhne und Töchter von wohlhabenden Familien mit schweizerischen Uni-Diplomen, obwohl sie die Leistung dafür nicht erbringen?

Die NZZ hat mit elf ehemaligen Angestellten, gegenwärtigen und ehemaligen Studierenden über die Zustände an der Hochschule gesprochen. Die Quellen wollten anonym bleiben, aus Angst vor Reaktionen der Hochschulleitung. Sie vermitteln ein Bild einer Universität, bei der alle irgendwie durchkommen, wenn nicht mit Intellekt, dann mit guten Beziehungen.

Kleine Klassen, individuelle Förderung

Die Franklin University Switzerland besteht seit über 55 Jahren. Als private Hochschule bringt sie frischen Wind in die Schweizer Bildungslandschaft: Die Klassen sind klein, Studierende werden individuell gefördert, auf zehn Studierende kommt eine Lehrperson.

Unterrichtsinhalte werden auf akademischen Reisen vertieft. Im vergangenen Herbstsemester reisten Studierende laut Website nach Ghana, um die Auswirkungen des transatlantischen Sklavenhandels zu erleben, nach Singapur und Malaysia, um über Design und Architektur zu debattieren, nach Schweden, um die Klimaveränderung in kalten Ökosystemen zu analysieren.

Die enge Begleitung von Lehrpersonen und individuelle Erfahrungen während Studienreisen erlauben es manchen Studierenden, einen Uni-Abschluss zu erreichen, die in der Mittelschule entweder nicht die Selbständigkeit oder nicht die Motivation entwickelt hatten, die es braucht, um an einer öffentlichen Schweizer Uni bestehen zu können.

Für sie ist die private Hochschule ein Segen. Wenn da nur nicht die Berichte von ehemaligen Lehrpersonen wären, die der Universitätsleitung Einflussnahme auf die Benotung und unfaires Management unterstellten.

Wohlhabende fallen nicht durch

Tatsächlich sagen mehrere ehemalige Lehrpersonen im persönlichen Gespräch, sie seien unter Druck gesetzt worden, um bestimmte Studierende – besonders solche aus wohlhabenden Familien – durch Prüfungen zu winken.

Sie erzählen, dass die Universitätsleitung bei ihnen interveniert habe, nachdem sie Studenten ungenügend bewertet hätten. Man habe sie gebeten, die Benotung «nochmals anzuschauen». Insbesondere sei dies geschehen, nachdem die Eltern der Studenten bei der Hochschulleitung interveniert hätten.

Weiter berichten mehrere ehemalige Lehrpersonen von mysteriösen Sommerkursen, die plötzlich als äquivalent für gescheiterte Semesterprüfungen gegolten hätten.

Dazu kommen Berichte von Studierenden, die ihren Professoren teure Geschenke angeboten hätten, in der Hoffnung, bei anwesenheitspflichtigen Kursen fehlen zu dürfen.

Wer kritisiert, wird benachteiligt

Professoren, die das Führungsteam der Universität kritisierten und argumentierten, dass die Ungleichbehandlung von Studierenden ungerecht sei, seien systematisch benachteiligt worden. Man habe kritische Lehrpersonen mit Untersuchungen eingedeckt, sagen mehrere Quellen, und legen den E-Mail-Verkehr mit der Hochschule vor, der dies belegt. Intern habe das zu einem Klima der Angst geführt.

Mehrere ehemalige Angestellte führen ihre Entlassung unter anderem auf ihre fehlende Kooperationsbereitschaft zurück, wenn es darum ging, Studierende durch Prüfungen zu winken, die die Leistung dafür nicht erbracht hatten.

Weiter sagen mehrere ehemalige Lehrpersonen, dass manche Professoren sich dem Druck der Universitätsleitung gebeugt und nur noch genügende Noten vergeben hätten.

Wer kooperiert, darf akademisch scheitern

Mehrere Quellen vermuten, dass solche kooperativen Professoren für ihre Komplizität belohnt worden seien, indem ihre eigene akademische Leistung wohlwollend beurteilt worden sei.

Tatsächlich unterrichten an der Franklin University mehrere Professoren mit schwachem akademischem Leistungsausweis: Ein Professor hat laut der Franklin-Website seit über fünfzehn Jahren keine neue wissenschaftliche Publikation mehr veröffentlicht.

Allerdings seien auch viele der Studierenden klug und leistungsbereit, sagen die Quellen. Insbesondere viele Studierende aus den USA – sie machen etwa die Hälfte der rund 400-köpfigen Studentenschaft aus – hätten aufgrund guter Noten in der Highschool ein Stipendium erhalten und hätten sich aus einer Mischung aus Wissensdurst und Abenteuerlust an einer Universität in der Schweiz eingeschrieben. Sie seien lernwillig und überzeugten in ihrer Leistung.

Anders manche Studierende aus Europa und dem Mittleren Osten. Ihre Eltern bezahlen die Semestergebühren – also zwischen 117 000 und 220 000 Franken für ein vierjähriges Bachelor-Studium – aus der eigenen Tasche und sind oft froh, wenn sie ihre Sprösslinge in der sicheren Schweiz an eine akkreditierte Bildungsinstitution schicken können.

Auch diese Studierenden haben ein internationales Baccalauréat oder einen vergleichbaren Abschluss, der sie zum Studium in der Schweiz berechtigt. Viele von ihnen gingen allerdings auf Privatschulen oder Internate, wo sie Lehrpersonen ebenfalls eng im Lernprozess begleiteten. Von einer Selbständigkeit, wie sie an Schweizer Gymnasien erworben werde, seien diese Studierenden teilweise weit entfernt, sagen mehrere ehemalige Angestellte.

Insgesamt ergibt sich damit ein Gesamteindruck einer Hochschule, die zwar viele talentierte Menschen ausbildet, manche Studierende aber durch Prüfungen winkt, obwohl sie trotz enger Betreuung die Leistung dafür nicht erbringen.

Leitung will von der Kritik nichts wissen

Die Universitätsleitung widerspricht den Vorwürfen vehement. Man dulde keine Bevorzugung und nehme Beschwerden wegen unfairer Behandlung «sehr ernst», schreibt das Führungsteam auf Anfrage. Man habe ein «integratives, gleichberechtigtes und respektvolles Umfeld» geschaffen, sowohl für Lehrkräfte, Mitarbeiter wie auch für Studierende.

Weiter, sagt das Führungsteam, habe man rigorose Qualitätsstandards für die Ausbildung und das gleiche akademische Niveau wie öffentliche Schweizer Hochschulen; das Führungsteam möchte namentlich nicht genannt werden. Man lasse jedes Jahr Studierende durchfallen, die ihre Leistung nicht erbrächten.

Weiter schreibt die Hochschule, sie habe etablierte Richtlinien und Verfahren, die sich mit Bedenken, Beschwerden oder Vorwürfen befassten. Beispielsweise habe man interne Richtlinien, die es Professoren und anderen Universitätsangestellten untersagten, wertvolle Geschenke von Studierenden anzunehmen.

Über die schwache akademische Leistung von einzelnen Professoren schreibt die Universitätsleitung, man achte bei Neueinstellungen auf die Forschungsleistung. Ausserdem habe man die Bedingungen für Forschung an der Hochschule verbessert, zum Beispiel, indem man die Anzahl Unterrichtseinheiten pro Lehrperson reduziert habe und ihnen längere Absenzen für Forschungs-Sabbaticals zugestehe.

Schweizerischer Akkreditierungsrat hat Franklin zurückgestuft

Mit der Ausbildungsqualität bei Franklin hat sich jüngst auch der Schweizerische Akkreditierungsrat beschäftigt. Der Rat prüft und bewertet Schweizer Hochschulen und entscheidet, welche Organisation sich Universität nennen darf.

In seinem jüngsten Bericht spricht der Rat Franklin den Titel Universität ab und kommt zur Einschätzung, die Hochschule sei ein universitäres Institut.

Die Unterscheidung zwischen «Universität» und «universitärem Institut» gibt es im Schweizer Hochschulgesetz erst seit wenigen Jahren. Der Unterschied: Am Institut werden weniger Studiengänge angeboten als an der Universität. Allerdings erfüllen universitäre Institute und Universitäten die gleichen akademischen Standards.

Bei Franklin werden siebzehn Bachelor-Studiengänge angeboten. Nebst Wirtschaft, Politik und Psychologie kann man auch Fashion Studies oder soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit studieren. Der einzige Masterstudiengang von Franklin ist derzeit pausiert. Bis vor wenigen Wochen war dies auf der Website nicht ersichtlich. Die Änderung auf der Website nahm Franklin erst vor, nachdem die NZZ die Hochschule mit der Frage kontaktiert hatte, warum man ein Angebot anzeige, das es im Moment nicht gebe.

Nun muss sich Franklin umbenennen, in Franklin University Institute. Gegen diesen Entscheid der Akkreditierungsstelle wehrte sich Franklin mit einer Beschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht. Dieses wies die Klage im Sommer 2023 ab.

Franklin muss beim Qualitätsmanagement nachbessern

Nun hat das Management bis im Sommer 2026 Zeit für den Namenswechsel. Zudem fordert die Akkreditierungsagentur AAQ in einem Bericht «zusätzliche Überlegungen und zusätzliche Arbeit, um die Qualität von bestehenden und künftigen Forschungsprogrammen zu gewährleisten», und kritisiert, dass bei Franklin handfeste, messbare Kennzahlen zur Ausbildungsqualität fehlten.

Und die Studentin, die nochmals umgekehrt ist, um noch etwas loszuwerden? Sie sagt: Im Grunde sei es einfach unfair für alle seriösen Studierenden, wenn Sprösslinge wohlhabender Familien durch Prüfungen gewinkt würden. Es zerstöre die Reputation der Institution und damit auch den Wert ihres Diploms.

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