Freitag, April 18

Im China-Team der amerikanischen Präsidenten ziehen sie die Fäden. Sie unterstützen Trumps aggressiven Kurs, aber haben ganz unterschiedliche Interessen.

In seiner aggressiven Offensive mit Handelszöllen ist China Zielscheibe Nummer eins für Donald Trump. Während Handelspartner wie Japan, die EU und die Schweiz auf Verhandlungsspielraum hoffen, ist zwischen den USA und China in den vergangenen Tagen ein dramatischer Handelskrieg eskaliert.

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Die Wirtschaft ist bekanntlich nicht die einzige Front zwischen den erbitterten Rivalen. Hinzu kommen die Territorialkonflikte im Südchinesischen Meer. Auch sie spitzen sich weiter zu, wie die jüngsten chinesischen Grossmanöver vor Taiwan verdeutlichen. Die Frage, ob die USA die Insel vor einem chinesischen Übergriff schützen sollten, wird innerhalb der Trump-Regierung kontrovers diskutiert.

Trotz dieser Entwicklung kursiert in Washington immer noch die These, Trump suche letztlich den Handschlag mit Präsident Xi und einen «grand bargain» im Stil des von ihm verehrten Präsidenten Richard Nixon. Das Werweissen über Trumps Absicht hat viel mit dessen Taktik zu tun, die Welt im Ungewissen zu lassen: «Es könnten dauerhafte Zölle sein, und es könnte auch Verhandlungen geben», sagte er am Dienstag sphinxhaft. Wahrscheinlich ist, dass beides geschieht: Verhandlungen und permanente Zölle, vielleicht sogar im Fall von China. Es wäre nicht das erste Mal.

«Grossartige Beziehung» zu Präsident Xi

Eigentlich begann Präsident Trump seine zweite Amtszeit verhältnismässig unaggressiv. Während er im Wahlkampf noch versprochen hatte, auf chinesische Importe Handelszölle von 60 Prozent zu schlagen, begann er mit einer graduellen Erhöhung von zweimal 10 Prozent.

Gleichzeitig schwärmte er von seiner «grossartigen Beziehung» zum chinesischen Präsidenten Xi Jinping. Er freue sich, «mit China gut auszukommen». Man fühlte sich an seine erste Amtszeit erinnert: Nach einem heftigen Zollstreit 2018/19 unterschrieben Trump und Xi im Januar 2020 einen ersten Handelsvertrag, das sogenannte Phase-eins-Abkommen. China verpflichtete sich damals, amerikanische Produkte und Lebensmittel im Wert von 200 Milliarden Dollar zu kaufen. Die Covid-Pandemie kam dazwischen.

Im März reiste der Senator und Trump-Vertraute Steve Daines nach Peking, wo er auf Tuchfühlung mit dem Regime ging und den chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang traf. Man hoffe auf baldige weitere «hochrangige Gespräche». Experten sahen darin den ersten Schritt zu einer Annäherung, vielleicht sogar einem neuen Abkommen.

Wahnwitzige Eskalation

Doch dann stand Trump im Rosengarten des Weissen Hauses und streckte der Welt ein grosses Plakat entgegen mit flächendeckenden und angeblich «reziproken» Strafzöllen, die sein Handelsbeauftragter mittels alchemistischer Mathematik errechnet hatte. Zusätzliche 34 Prozent auf chinesischen Importen kündigte Trump per 9. April an. China schlug zwei Tage später mit einem Gegenzoll zurück; die USA bestrafte das mit einer weiteren Erhöhung von 50 Prozent; China zeigte sich in einer apokalyptischen Geste bereit, «bis zum Ende zu gehen».

Ein Treffen oder gar ein Handschlag zwischen Trump und Xi ist angesichts dieser wahnwitzigen Eskalation in weite Ferne gerückt. Selbst für den Fall, dass das derzeit Unwahrscheinliche einträfe und es wie 2019 nach dem Knall eine Entspannung geben würde, warnen Experten vor zu hohen Erwartungen.

In der Zeitschrift «Foreign Affairs» schreiben Brendan Kelly und Michael Hirson, dass der amerikanisch-chinesische Konflikt schlicht zu tiefgehend sei, als dass er mit einem einzigen Abkommen beigelegt werden könnte. Die Entflechtung der Handelsketten zwischen den Ländern («de-risking») sei bereits fortgeschritten. Neben den Handelszöllen haben die USA Ausfuhrsperren für Tech-Komponenten und Investitionsverbote für chinesisches Kapital umgesetzt und üben auf chinesische Unternehmen wie Tiktok und CK Hutchison Druck aus, ihre Geschäfte an amerikanische Firmen zu verkaufen.

Wer sitzt im China-Team?

Obwohl alle Zeichen auf Sturm stehen, lässt sich schwer voraussagen, wie die Trump-Regierung sich in den kommenden Monaten gegenüber dem asiatischen Rivalen verhalten wird. Denn das China-Team ist divers zusammengesetzt mit Falken, Isolationisten und Unternehmern, wie ein Blick unter die Motorhaube der Departemente zeigt.

1. Die Falken

Marco Rubio, Aussenminister: Der frühere Senator aus Florida gilt als vehementer Kritiker von China, Kuba und Iran. Im Konflikt zwischen China und den USA sieht er eine Fehde, die das 21. Jahrhundert prägen wird. Im Kongress kämpfte er für die Entkoppelung der Lieferketten im Handel mit Pharmazeutika, er setzte sich für den Schutz von Taiwan ein und verurteilte Menschenrechtsverletzungen an der uigurischen Minderheit. Rubio steht auf zwei chinesischen Sanktionslisten.

Das Aussenministerium übt Druck auf Panama aus, einen Verkauf von zwei Häfen am Panamakanal zu erzwingen, die sich im Besitz einer Hongkonger Firma befinden. Am 31. März wurden zudem sechs Funktionäre aus China und Hongkong mit Sanktionen belegt. Unter ihnen befinden sich ein ehemaliger chinesischer Chefbeamter für Spionageabwehr und Hongkongs oberster Justizbeamter Paul Lam. Die USA machen «transnationale Repression» geltend: die Verfolgung politisch Andersdenkender im In- und Ausland.

Mike Waltz, Sicherheitsberater: Auch Waltz fiel im Kongress als China-Falke auf. Er setzte sich für die Unterstützung von Taiwan ein sowie für die Entkoppelung der Lieferketten im Handel mit seltenen Erden und rief zum Boykott der Olympischen Winterspiele 2022 in Peking auf wegen «Völkermordakten» gegenüber Uiguren. Vor seiner politischen Karriere leitete der Kriegsveteran ein Rüstungsunternehmen und diente im Pentagon und als Berater für Terrorismusbekämpfung von Vizepräsident Dick Cheney.

Alex Wong, stellvertretender Sicherheitsberater: Der 35-jährige Sicherheitsexperte mit chinesischen Wurzeln ist ein aufsteigender Stern der Trump-Regierung. Sein Büro im Weissen Haus befindet sich, wie dasjenige von Waltz, in der Nähe des Oval Office. Während der ersten Amtszeit von Trump arbeitete er als Nordkorea-Experte im Aussendepartement. Danach war er Vorsitzender der unabhängigen Kommission für amerikanisch-chinesische Wirtschafts- und Sicherheitsfragen. In einem Essay für die konservative Denkfabrik Hudson Institute sieht er das «Endspiel» im Kampf zwischen den Grossmächten China und USA angebrochen.

Pete Hegseth, Verteidigungsminister: Für Hegseth ist die chinesische Kommunistische Partei die «erste und zentrale» Gefahr für die Sicherheit der USA. Den Philippinen und Japan versicherte er während Besuchen, dass die USA an einer «robusten» und «glaubwürdigen Abschreckung» im Indopazifik festhalten würden, und verurteilte das «aggressive» militärische Vorgehen Chinas. Schlagzeilen machte kürzlich ein geleaktes Strategiepapier des Pentagons. Hegseth bezeichnet darin die Abschreckung vor einem chinesischen Angriff auf Taiwan sowie die Stärkung der Verteidigung des amerikanischen Heimatgebiets als primäre Aufgaben. Das Pentagon werde deshalb «Risiken an anderen Schauplätzen» wie Europa in Kauf nehmen.

2. Protektionisten und Isolationisten

J. D. Vance, Vizepräsident: In China sieht der nationalkonservative Politiker vor allem eines: ein Land, das amerikanische Arbeitsplätze vernichtet und die USA mit Drogen und Billigwaren «überflutet» hat. Anders als die meisten Republikaner ist der isolationistisch geprägte Vance aber in seiner Anti-China-Rhetorik zurückhaltend. In einem Interview mit der Zeitung «The American Conservative» sagte er vor zwei Jahren, er trete für eine China-Politik «der starken Worte, aber der grossen Zurückhaltung» ein. Im Amt ist sein Tonfall angriffiger geworden. An der Münchner Sicherheitskonferenz forderte er eine Neuausrichtung der amerikanischen Sicherheitspolitik von Europa bis nach Asien.

Peter Navarro, Berater des Präsidenten: Der 74-jährige Wirtschaftsprofessor gehört zum inneren Kreis von Trump und gilt als sein «Zoll-Zar». Er tritt seit Jahrzehnten für eine Abkehr vom Freihandel und eine protektionistische Handelspolitik ein. Er vertritt die umstrittene Theorie, dass Handelsbilanzdefizite für das betroffene Land einen wirtschaftlichen Nachteil darstellten. Seine Bücher titeln «Death by China» oder «The Coming China Wars». Lange galt er in der Wirtschaftswissenschaft als Aussenseiter; nun übt er mit seinem Merkantilismus grossen Einfluss auf Donald Trump aus. Er ist oft als dessen Sprachrohr auf Fox News zu sehen.

Michael Anton, Direktor für strategische Planung im Aussendepartement: Der nationalkonservative Intellektuelle schrieb 2016 den vielbeachteten Essay «The Flight 93 Election», in dem er die Konservativen dazu aufrief, auf den Aussenseiter-Kandidaten Donald Trump zu setzen. Er schrieb Reden für den Medienmogul Rupert Murdoch und arbeitete als Sicherheitsberater unter den Präsidenten Georg W. Bush und Donald Trump. Wie Vance vertritt Anton eine enge Definition der nationalen Interessen – und der Schutz von Taiwan gehört nicht dazu. Im Aufsatz über Taiwan im Magazin «The Federalist» plädiert er dafür, die Chipherstellung in die USA zu verlagern, um Taiwan fallenlassen zu können. Titel: «Warum es klar nicht im amerikanischen Interesse ist, wegen Taiwan Krieg zu führen».

Jamieson Greer: Der 44-Jährige war Stabschef des früheren Handelsbeauftragten Robert Lighthizer, der als Architekt der Strafzölle während der ersten Amtszeit von Trump gilt. Greer war sowohl bei den Neuverhandlungen des nordamerikanischen Freihandelsvertrags dabei als auch bei der Unterzeichnung des Phase-eins-Abkommens mit China 2020.

Greer will die Handelsketten mit China weiter entflechten, dabei müsse man auch kurzfristige Schmerzen in Kauf nehmen, erklärte er vor dem Kongress. Zu möglichen Massnahmen zählt er Zölle, Exportkontrollen, Investitionsbarrieren, die Sanktionierung von Handelspartnern von China und Hilfe für amerikanische Unternehmen, die zum Ziel chinesischer Gegenmassnahmen werden. Er zeichnet für die Berechnung der «reziproken Zölle» verantwortlich, die viele Ökonomen als unsachgemäss kritisieren.

Am 21. Februar kündigte Greer Handelssanktionen gegen Frachtschiffe an, die in China gebaut wurden oder die unter chinesischer Flagge fahren. In der laufenden Vernehmlassung warnten 300 Unternehmen vor den Folgen eines maritimen Handelskriegs.

3. Die Investmentbanker und Unternehmer

Scott Bessent, Finanzminister: Bessent ist ein Hedge-Fund-Manager, der sein Vermögen als Investmentmanager von George Soros gemacht hat. Der ehemalige Demokrat unterstützte Trumps Wahlkampf 2024 mit einer Million Dollar. Während seiner Anhörung im Senat sagte er, die Vereinigten Staaten müssten dringend die Lieferkettenabhängigkeit von China verringern. Obwohl er als gemässigte Stimme innerhalb der Trump-Regierung gilt, verteidigt er nun die Handelszölle. Sie würden weder zu einer Rezession noch zu Inflation führen. Im Oktober, kurz nach seiner Nominierung, nannte er Trump einen Anhänger des Freihandels. Die geplanten Handelszölle seien eine Verhandlungstaktik: «Eskalieren, um zu deeskalieren.»

Howard Lutnick, Handelsminister: Der Wall-Street-Banker leitete bis vor kurzem die Investmentbank Cantor Fitzgerald und ist ein Anhänger von Kryptowährungen. Lutnick pflegt enge Geschäftsverbindungen zu China. Als langjähriger Vorsitzender der Finanzdienstleistungsfirma BGC baute er ein Joint Venture mit der staatlichen Bank China Credit Trust. Im Amt hat er sich jedoch als hyperaktiven Verfechter von Trumps aggressiven Strafzöllen entpuppt. Im Oktober vertrat er die Meinung, sie seinen lediglich ein Drohmittel, um Verhandlungen zur Beseitigung von Handelshemmnissen zu erzwingen. Nun sagt er, sie würden umgesetzt.

Das Handelsministerium erweiterte am 25. März die «entity list» um über fünfzig chinesische Unternehmen. Es handelt sich um weitere Exportsperren für amerikanische Komponenten für Quanten-Computing, Überschallflugzeuge und Nukleartechnologie.

Elon Musk, Sonderberater im Weissen Haus: Seine Firma Tesla betreibt eine Gigafabrik in Schanghai und erzielt über ein Drittel ihrer Umsätze in China. Er pflegt als CEO Kontakte zur chinesischen Regierung. Im Fall eines eskalierenden Handelskriegs könnte Tesla von Vergeltungsmassnahmen betroffen sein. In einer Videoansprache am Parteitag der italienischen Lega plädierte Musk kürzlich für den Freihandel mit der EU. Er ist der Einzige im Trump-Orbit, der offen gegen die Zollpolitik Position bezieht. Er attackierte Trumps Wirtschaftsberater Peter Navarro und postete ein Video von Milton Friedman, in dem der Ökonom die Relevanz von Lieferketten erklärt. Laut «Washington Post» versuchte Musk Trump nach der Talfahrt der Börsen zu einer Kehrtwende zu überreden – offensichtlich vergeblich.

Und auf wen hört Präsident Trump?

Es gehört zu Trumps Regierungsstil, dass er in seiner Entourage Vertreter unterschiedlicher Meinungen gegeneinander antreten lässt. Er entscheidet, auf welche Stimmen in seinem Umfeld er hört – und wem er gerade sein Ohr leiht. Auffallend ist derzeit, dass selbst die Wall-Street-Banker in der Regierung, Bessent und Lutnick, die Handelszölle von Trump verteidigen. Die Zoll-Falken haben im Moment klar die Oberhand im China-Team von Trump.

Der nationalkonservative Ökonom Oren Cass, der gute Beziehungen zum Weissen Haus pflegt, vermutet auf der Blog-Plattform Substack, dass Donald Trump die meisten der «reziproken Zölle» nach Verhandlungen fallenlassen werde. Permanent würden der generelle Zoll von 10 Prozent auf allen Importen sein sowie hohe Zölle für China. Denn der Trump-Regierung sei es ernst mit der vollständigen ökonomischen Entkoppelung von China. Das klingt weniger disruptiv.

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