Montag, Oktober 7

Im 1MDB-Skandal werden die zwei angeklagten Gründer der Genfer Investmentfirma Petrosaudi zu sieben und sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

Das Bundesstrafgericht hat den Direktor der Firma Petrosaudi zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren wegen Betrugs, ungetreuer Geschäftsbesorgung und qualifizierter Geldwäscherei verurteilt. Sein Stellvertreter wurde zu 6 Jahren Gefängnis verurteilt. Die beiden sollen rund 1,8 Milliarden US-Dollar aus dem malaysischen Staatsfonds 1Malaysia Development Berhad (1MDB) veruntreut haben.

Die Strafkammer des Bundesstrafgerichts in Bellinzona hat heute das Urteil gegen die zwei Führungskräfte der Genfer Investmentfirma Petrosaudi verkündet. Die Staatsanwaltschaft forderte für den Direktor von Petrosaudi, einen Doppelbürger mit Schweizer und Saudi-Arabischem Pass, eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren. Für seinen Stellvertreter, einen schweizerischen-britischen Staatsangehörigen, wurden neun Jahre gefordert. Die Angeklagten hatten auf Freispruch plädiert.

Die Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien suggeriert

Gegenüber der NZZ zeigte sich der Sprecher von 1MDB zufrieden. «Wir begrüssen das heutige Urteil des Bundesstrafgerichts. Es bedeutet, dass die beiden Verurteilten die Verantwortung übernehmen müssen für ihre Rolle beim Betrug und der Täuschung des malaysischen Volkes.» Weiter lobte der 1MDB die Schweizer Behörden für ihre Arbeit.

Das Gericht ordnete zudem an, dass alle Vermögenswerte der beiden Verurteilten im Umfang von 240 Millionen Dollar in der Schweiz und in Grossbritannien konfisziert und dem Staatsfonds zurückerstattet werden.

Beim 1MDB-Skandal handelt es sich um einen der grössten Finanzskandale der jüngeren Wirtschaftsgeschichte. Der Fall geht zurück auf das Jahr 2006. Damals gründeten ein selbständiger Genfer Vermögensverwalter mit den beiden Verurteilen und einem saudischen Prinzen die Firma Petrosaudi.

Angestrebt wurden Beteiligungen im Öl- und Gasgeschäft, doch das Geschäft kam nicht richtig auf Touren. Im Jahr 2009 gelang dann doch noch der Durchbruch. So zeigte sich der Berater des damals neu gegründeten malaysischen Staatsfonds 1MDB, Jho Lowan, an einer Kooperation mit Petrosaudi interessiert. Das angebliche Ziel des malaysischen Staats war es, durch den Fonds mittels globaler Investitionen hohe Gewinne zu realisieren – und diese an die malaysische Bevölkerung zu verteilen.

Mit Petrosaudi hatte der Berater Low die ideale Partnerfirma für seine Geschäfte gefunden – allerdings sahen diese dann ganz anders aus. «Der Name der Firma Petrosaudi wirkte sehr offiziell. Und ein saudischer Prinz als Mitgründer beeindruckte», erinnerte sich der Genfer Vermögensverwalter in einem langen Gespräch mit «Die Wochenzeitung» am 12. März 2020.

Im August 2009 gründeten 1MDB und Petrosaudi ein Joint Venture. Petrosaudi brachte dazu Rechte für Ölförderungen in Argentinien und Turkmenistan ein, während 1MDB eine Milliarde US-Dollar auf ein Konto der Genfer Filiale der US-Bank J. P. Morgan einzahlte.

Beim Joint Venture sei es den Beteiligten von Anfang an nur um die eigene Bereicherung gegangen, schreiben die beiden «Wall Street Journal»-Journalisten Tom Wright und Bradley Hope in ihrem Buch «Billion Dollar Whale». So seien die von den Gründern in Petrosaudi eingebrachten Ölförderrechte mit 2,5 Milliarden Dollar Wert zu hoch eingeschätzt worden. Der 1MDB-Fonds zahlte zusätzlich zur Milliarde weitere 700 Millionen Dollar auf ein Bankkonto der damaligen Privatbank Coutts in Zürich ein. Angeblich sollte damit Petrosaudi ein Kredit zurückbezahlt werden. Tatsächlich wurde das Konto aber von 1MDB-Berater Low kontrolliert.

Partys, Villen und Luxusjachten

Und Low bediente sich daraus. Er feierte ausufernde Partys, kaufte Immobilien, eine Jacht und tätigte Investitionen im Filmgeschäft. Insgesamt zweigten Low und sein Umfeld rund 4,5 Milliarden Dollar aus dem Staatsfonds ab.

Den Petrosaudi-Gründern wurde vorgeworfen, dass sie sich vom 1MDB-Fonds fürstlich bezahlen liessen. So sollen im Oktober 2009 vom Konto der RBS Coutts 85 Millionen Dollar an den nun verurteilten Direktor geflossen sein. Dabei handelte es sich angeblich um Gebühren, die er für das Zustandekommen des Deals einstrich.

Drei Monate später sollen weitere 68 Millionen an den Petrosaudi-Direktor geflossen sein. Dieser habe dann von seinem Konto 33 Millionen Dollar an seinen Stellvertreter überwiesen. Auch an den saudischen Prinzen sollen 77 Millionen Dollar überwiesen worden sein.

Die Geschichte wurde bekannt, als sich der Genfer Vermögensverwalter, entschied, als Whistleblower an die Öffentlichkeit zu gehen. 2011 verliess er Petrosaudi, nahm aber Daten der Firma mit. Gegenüber der «Wochenzeitung» sagte er, dass er diese vor seinem Abgang bewusst verlangt habe, um beweisen zu können, dass er angesichts der «dubiosen Geldquellen von Petrosaudi» nichts Unrechtes getan habe. Die beiden nun verurteilten Gründer von Petrosaudi bestreiten diese Version.

Sicher ist, dass im Jahr 2014 die britische Journalistin und Umweltaktivistin Clare Rewcastle Brown erfuhr, dass der Vermögensverwalter vertrauliche Daten anbot. Rewcastle Brown recherchierte schon länger zu 1MDB. Es gab Gerüchte, dass der malaysische Staatsfonds ein Vehikel des damaligen Ministerpräsidentem Najib Razak sei, um dessen Wahlkampf zu finanzieren.

Recastle Brown traf sich mit dem Vermögensverwalter und stellte fest, dass die Daten echt waren. Doch der Vermögensverwalter bestand auf einer Entschädigung in der Höhe von 2 Millionen Dollar. Der Verleger der malaysischen Zeitung «The Edge» kaufte dem Vermögensverwalter die Daten schliesslich im Februar 2015 ab.

Nachdem der Skandal publik wurde, kam es zu Vertuschungsversuchen durch den damaligen malaysischen Premierminister Razak. Letztlich aber nahmen Behörden in den USA, in Malayisa und schliesslich auch in der Schweiz die Ermittlungen auf. Razak wurde in Malaysia im Jahr 2020 zu zwölf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, seine Haft wurde im Februar 2024 um die Hälfte reduziert. Der frühere Berater Jho Lowan ist untergetaucht und befindet sich weiterhin auf der Flucht.

Im Zusammenhang mit dem 1MDB-Skandal stellte sich heraus, dass eine Reihe von Schweizer Banken die Sorgfaltspflicht nicht eingehalten hatten. Die Finma sprach gegen die Tessiner BSI, die Falcon Bank, Coutts, die Rothschild Bank und die Schweizer Niederlassung der J. P. Morgan Bussen aus. Mängel wurden auch bei der UBS sowie der Bank Edmond de Rothschild festgestellt.

Bruno Manser Fonds machte Druck

Wohlgemerkt wäre der Skandal ohne Akteure aus der Schweiz nie richtig ans Licht gekommen. Der Bruno-Manser-Fonds erfuhr aus malaysischen Quellen von der Korruption und erstattete 2014 in der Schweiz Anzeige. Die Bundesanwaltschaft eröffnete im November 2017 ein Strafverfahren. Ein Jahr später wurde auch gegen den Whistleblower eine Untersuchung eingeleitet. Ihm droht eine Anklage wegen Industriespionage, in Malaysia wird er hingegen als Held gefeiert.

Während der dreiwöchigen Hauptverhandlung diesen April vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona standen sich zwei diametral entgegengesetzte Lesarten der Vorgänge gegenüber.

So vertrat die Staatsanwältin des Bundes die Ansicht, dass die beiden nun Verurteilten eine Vielzahl von Tricks anwendeten, um die Führungskräfte des Fonds zu täuschen. So sei fälschlicherweise der Eindruck erweckt worden, Petrosaudi verfüge über Rechte an riesigen Ölfeldern in Turkmenistan. Laut Bundesanwaltschaft hätten sich die beiden zudem mit Führungspersonen des malaysischen Fonds verschworen, so dass keine strengen Kontrollen durchgeführt wurden.

Die Anwälte bemühten sich, die engen Beziehungen des Petrosaudi-Direktors zu Mitgliedern der königlichen Familie zu belegen. Einer der Verteidiger betonte, dass Saudi-Arabien eine absolute Monarchie sei, in der dem König alles gehöre. Ein Name wie Petrosaudi hätte nicht ohne die Zustimmung des Staates verwendet werden dürfen. Die Verteidigung unterstrich zudem, die Ölrechte von Petrosaudi hätten tatsächlich existiert. Wenn leichtsinnig gehandelt worden sei, dann auf der Seite des malaysischen Staatsfonds.

Die drei Richter folgten offenbar mehrheitlich den Argumenten der Staatsanwaltschaft.

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