Mittwoch, November 27

Dass die Staatsanwälte die Anklageschrift gegen Pierin Vincenz extern prüfen liessen, hat für breite Kritik gesorgt. Das Zürcher Obergericht erlaubt ihnen trotzdem, weiter an diesem Fall zu arbeiten.

Die Staatsanwälte im Fall Vincenz können vorerst aufatmen. Das Zürcher Obergericht hat entschieden, dass sie weiter an diesem derzeit grössten Strafrechtsfall in der Schweiz arbeiten dürfen. Dagegen hatten der frühere Raiffeisen-Banker sowie weitere Beschuldigte ein Ausstandsgesuch gestellt. Ihr Begehren begründeten sie damit, die involvierten Staatsanwälte seien befangen. Denn diese hatten die Anklageschrift durch eine externe Fachperson, den emeritierten Professor Andreas Donatsch, prüfen lassen. Eine weitere Kritik lautete, sie hätten diesen Schritt gegenüber den Parteien verschwiegen.

Die Beschwerdekammer des Obergerichts hat dieses Gesuch nun abgelehnt. Die kritisierte Vorgehensweise bedeute «keine Fehlleistung, die dazu führen würde, dass von einer Befangenheit der involvierten Staatsanwälte auszugehen wäre», schreibt das Gericht in einer Mitteilung und ergänzt, die Anforderungen an das Vorliegen einer Befangenheit seien relativ hoch.

Weiter hält das Gericht fest, dass es diesen Entscheid nicht als einen Persilschein für die kritisierte Praxis der Anklagebehörde versteht: «Im Ausstandsverfahren war allein über den Vorwurf der Voreingenommenheit der involvierten Staatsanwälte zu entscheiden, weshalb nicht abschliessend beurteilt werden musste, ob das bemängelte Vorgehen in keiner Weise beanstandet werden kann.»

«Trauerspiel für den Rechtsstaat»

Dass ein Professor als externer Sachverständiger die Anklageschrift geprüft hatte, sorgte sowohl unter Rechtsexperten als auch in der Politik für einiges Aufsehen. Der Freiburger Strafrechtsprofessor Marcel Niggli sprach von einem «No-Go», während Peter V. Kunz von der Universität Bern den Vorgang als «Trauerspiel für den Rechtsstaat» bezeichnete.

Auch im Zürcher Kantonsrat hatte die Praxis für Kritik gesorgt. Eine dringliche Interpellation verlangte von der Regierung Auskunft darüber, wer die Gesetzmässigkeit solcher externen Gutachten kontrolliert – was diese mit Verweis auf das laufende Verfahren indes verweigerte.

Das Bundesgericht muss entscheiden

Im Vorfeld zu diesem jüngsten Entscheid des Obergerichts sei die Nervosität in der Staatsanwaltschaft gross gewesen, heisst es aus informierten Kreisen. Hätte die Beschwerdekammer das Ausstandsgesuch effektiv bewilligt, so wäre für die Justiz in diesem seit bald sieben Jahren laufenden Verfahren ein immenser Reputationsschaden entstanden. Ohnehin dürfte das letzte Wort noch nicht gesprochen sein: Die Anwälte der Beschuldigten prüfen nach eigenen Angaben einen Weiterzug ans Bundesgericht.

Dort ist überdies ein weiterer Rekurs in der gleichen Causa hängig: Denn im Januar dieses Jahres hatte das Obergericht die Urteile der ersten Instanz gegen Pierin Vincenz und seine Mitbeschuldigten wegen mangelhafter Anklage wieder aufgehoben. Das Strafverfahren wurde zur Verbesserung an die Staatsanwaltschaft zurückgewiesen – ebenfalls ein höchst unüblicher Vorgang. Die Ankläger haben dagegen Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht. Dieser Entscheid wird für die kommenden Wochen erwartet.

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