Dienstag, Februar 4

Vor allem einkommensschwache Familien sollen davon profitieren.

Die Verbilligung des öffentlichen Verkehrs ist ein wichtiges politisches Thema im Kanton Zürich. So wird in der Stadt Zürich eine SP-Initiative zur Abstimmung kommen, welche ein städtisches ÖV-Abonnement für 365 Franken pro Jahr fordert. Heute kostet ein solches rund 800 Franken.

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Auch auf kantonaler Ebene gibt es Bestrebungen, die Abonnementskosten für Bahnen, Trams und Busse zu senken. Die Alternative Liste hat im Kantonsparlament eine Motion eingereicht, welche günstigere Preise für tiefe und mittlere Einkommen im Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) verlangt.

Gianna Berger ist AL-Kantonsrätin aus Zürich und die Urheberin des Vorstosses. Sie sagt: «Das Leben ist deutlich teurer geworden. Die Fixkosten steigen, die Mieten, die Krankenkasse, der öffentliche Verkehr.» Davon seien Familien bis in den Mittelstand betroffen, und nun gelte es, auch bei den ÖV-Kosten anzusetzen.

Berger schwebt ein System vor, das ähnlich wie die Prämienverbilligung bei der Krankenkasse funktioniert, also ein Automatismus, der ab einer bestimmten Einkommensschwelle greift.

Denkbar ist, dass anspruchsberechtigte Familien personalisierte ZVV-Gutscheine erhalten – oder eine Gutschrift auf ein gekauftes Abonnement. «Es kann jedenfalls nicht die Idee sein, dass die Familien mit ihren Bankauszügen an den Bahnschalter gehen müssen», sagt Berger. Und natürlich sei sie auch offen für eine generelle Senkung der ZVV-Tarife. «Alles, was den Menschen entgegenkommt, ist gut.»

Ein Kind bezahlt im ZVV so viel wie ein junger Erwachsener

Die ZVV-Tarife sind tatsächlich vergleichsweise hoch. Wenn sich eine Familie (2 Elternteile, 2 Kinder unter 16 Jahren) mit ZVV-Jahresabonnements der 2. Klasse für alle Zonen eindecken will, dann bezahlt sie dafür 7916 Franken. Würde die Familie hingegen vier Generalabonnements der SBB erwerben, würde sie dies 7705 Franken kosten, also rund 200 Franken weniger.

Die Jahreskarten für die ganze Schweiz inklusive Grossraum Zürich sind also günstiger als die Jahreskarten für den Grossraum Zürich alleine. Man könnte es auch so formulieren: Die SBB verkaufen Familien ein günstigeres ZVV-Abo als der ZVV selbst – willkommen im Preiswirrwarr des Schweizer ÖV-Systems.

Die Diskrepanz entsteht, weil das SBB-GA für Familien stark vergünstigt ist. Wenn die ganze Familie mit Generalabonnements ausgestattet werden soll, muss nur ein einziger Erwachsener ein GA zum vollen Preis erwerben (3995 Franken). Das Abonnement für den zweiten Elternteil kostet noch etwas mehr als die Hälfte (2290 Franken), das Abo für die Kinder sogar nur je 710 Franken.

Beim ZVV hingegen bezahlen Erwachsene für alle Zonen 2295 Franken, Kinder 1663 Franken. Den ZVV interessiert es nicht, ob jemand in der Familie schon ein Abonnement hat – es wird immer der volle Preis fällig. Der Verbund kennt nicht einmal Sondertarife für die Jüngsten: Das Abo für ein sechsjähriges Kind kostet gleich viel wie eines für einen jungen Erwachsenen bis 25.

Laut Zürcher Verkehrsverbund sind nur etwa zehn Prozent aller ZVV-Abos für alle Zonen ausgestellt – und nur für diese vergleichsweise kleine Gruppe lohnt sich ein Blick auf die GA-Tarife der SBB. Es gebe zurzeit keine Pläne für zusätzliche Vergünstigungen für Familien, heisst es beim ZVV weiter.

Dass die Tarife sind, wie sie sind, sei politisch bedingt, sagt die ZVV-Mediensprecherin Cristina Maurer. «Die Ticketpreise im ZVV werden durch die öffentliche Hand subventioniert, und der ZVV muss mit seinen Abo-Einnahmen einen bestimmten Kostendeckungsgrad erreichen, der auf politischer Ebene durch den Kantonsrat festgelegt wird.» Im Gegensatz dazu werde das GA durch eine schweizweite Mischkalkulation finanziert.

Man könnte auch sagen, dass beim ZVV die Kostenwahrheit grösser ist. Und bei den SBB der Druck besonders hoch, günstige Abo-Preise anzubieten: Eine für 2023 geplante Erhöhung der GA-Preise fiel viel weniger stark aus als geplant, nachdem der Preisüberwacher interveniert hatte.

Studie zeigt keine Verlagerung weg vom Auto

Mit ihrer Motion zur Vergünstigung der Abonnements will die AL auch etwas für die Umwelt tun. Die Partei schreibt, die Verlagerung auf den öffentlichen Verkehr fördere die Erreichung der Klimaziele des Kantons Zürich.

Doch es gibt ein Problem: Es findet zwar durchaus eine Verlagerung statt, aber nicht eine, die der Umwelt viel bringt. Es sind nämlich nicht die Autofahrer, die dank günstigeren Tickets auf Bahn, Tram und Bus umsteigen, sondern die Fussgänger und Velofahrer. Dies gerade in den grossen Städten. Zu diesem Schluss ist die Zürcher Stadtregierung gekommen, die sich im Rahmen der 365-Franken-Initiative mit dieser Frage beschäftigt hat.

Die Stadt Zürich hat dazu diverse Untersuchungen aus anderen Städten konsultiert, etwa aus Wien. Das Resultat ist immer das gleiche: Wird der öffentliche Verkehr verbilligt, dann gehen die Einwohner seltener zu Fuss und nehmen weniger oft das Velo.

So gesehen sind günstige Tarife sogar nachteilig für das Klima, denn auch wer den Bus oder das Tram nimmt, belastet die Umwelt stärker als ein Fussgänger oder eine Radfahrerin. Für die Gesundheit der Einwohner sind günstige ÖV-Tarife ebenfalls negativ, weil sie sich weniger bewegen.

Ungeachtet solcher Bedenken sind andere Länder und Regionen mit der Vergünstigung ihrer Tarife schon viel weiter: In Luxemburg sind Trams und Busse bereits seit 2020 für alle Nutzer kostenlos. Seit dem 1. Januar können Passagiere auch in der serbischen Kapitale Belgrad ohne Ticket einsteigen. Die Millionenstadt hat etwa gleich viele Einwohner wie der ganze Kanton Zürich.

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