Ein Referendum über höhere Beiträge kommt an die Urne.

Wer bei der Prämienverbilligung einzig an ein Sozialwerk für Geringverdiener denkt, liegt nicht ganz richtig. Das System wendet sich zwar in der offiziellen Sprachregelung nach wie vor an Personen «in wirtschaftlich bescheidenen Verhältnissen», tatsächlich aber hat es längst den oberen Mittelstand erreicht.

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Dies zeigen Zahlen des Kantons Zürich aus dem Jahr 2023: Damals konnte eine Familie mit drei Kindern sogar mit einem Einkommen von über 180 000 Franken einen Antrag stellen. Für 2025 liegt die Einkommensgrenze etwas tiefer, aber immer noch bei knapp 160 000 Franken. Vielen Empfängern der Prämienverbilligung geht es finanziell so gut, dass sie sich Zusatzversicherungen leisten können.

Rund 450 000 Zürcherinnen und Zürcher erhalten einen Beitrag an die Krankenkasse – also nicht ganz jeder dritte Einwohner des Kantons. Entsprechend hoch ist die Gesamtsumme, welche jedes Jahr ausbezahlt wird. Für 2025 hat der Kanton Zürich rund 1,3 Milliarden Franken budgetiert, dies bei einem Staatshaushalt von knapp 20 Milliarden Franken.

Alimentiert wird die Prämienverbilligung gemeinsam vom Bund und von den Kantonen, wobei die beiden Blöcke im Fall des Kantons Zürich nicht genau gleich gross sind. Der Anteil des Kantons liegt bei 92 Prozent des Bundesbeitrags.

Am Montag hat das Zürcher Kantonsparlament nun entschieden, dass der Kantonsanteil auf 100 Prozent angehoben werden soll. Zürich soll also künftig gleich viel zahlen wie der Bund. Die Folge sind zusätzliche Ausgaben von etwa 50 Millionen Franken pro Jahr.

Die Erhöhung des Kantonsbeitrags geht auf eine parlamentarische Initiative von SP, Grünen, AL und EVP zurück. Sie hatten ursprünglich sogar gefordert, den Zürcher Anteil auf 120 Prozent zu erhöhen. Ein Kantonsbeitrag, der gleich hoch ist wie jener des Bundes, ist aus ihrer Sicht ein Kompromiss. Unterstützt werden sie von der Mitte und von der GLP.

Auch Rickli lehnt den Betrag ab

Ganz anders sehen es FDP und SVP. Die beiden bürgerlichen Parteien haben bekanntgegeben, dass sie gegen die Erhöhung der Zürcher Beiträge das Kantonsratsreferendum ergreifen. Die beiden Parteien wollen also eine Volksabstimmung über die Zahlungen erzwingen.

«Die Erhöhung wird grosse Auswirkungen auf die Kantonsfinanzen haben. Die 50 Millionen Franken sind Steuergelder von uns allen», sagte Lorenz Habicher (SVP, Zürich) am Montag im Kantonsrat. Der FDP-Fraktionspräsident Claudio Zihlmann (Zürich) ergänzte, die Vorlage verfehle das Ziel, Einkommensschwachen zu helfen. «Sie werden praktisch leer ausgehen», sagte er. Die Gelder würden stattdessen vor allem an Personen mit hohen Einkommen fliessen.

Als das Geschäft im Januar in einer ersten Runde beraten wurde, warnte auch die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (SVP) vor der Erhöhung des Beitrags. Die Verteilung der Mittel erfolge nicht bedarfsgerecht, sondern nach dem Giesskannenprinzip. «Es würden zusätzliche Personen mit höheren Einkommen, profitieren, die das gar nicht nötig hätten», sagte sie damals.

Der Grund für diese unerwünschte Umverteilung von unten nach oben liegt in der starren Ausgestaltung der Prämienverbilligung: Der Kanton bezahlt Personen mit einem geringen Einkommen heute schon den maximalen Beitrag.

Werden nun mehr Mittel in das System gepumpt, dann erhalten die Geringverdiener kein zusätzliches Geld – sie sind ja schon auf dem Höchstbetrag. Stattdessen werden Gelder in Einkommensklassen gepumpt, die bis jetzt nur einen kleinen oder gar keinen Beitrag erhalten hatten. Deshalb kann es passieren, dass, wie 2023, sogar Familien mit 180 000 Franken Einkommen plötzlich anspruchsberechtigt sind.

Aus linker Sicht ist das kein Grund, höhere kantonale Beiträge abzulehnen. Die Prämienverbilligung sei kein Almosen, sondern ein Teil der sozialen Abfederung, sagte Brigitte Röösli (SP, Illnau-Effretikon) im Parlament. Jeannette Büsser (Grüne, Horgen) ergänzte, dass nur Obwalden, Nidwalden, Graubünden und Appenzell-Innerrhoden noch knausriger seien als der Kanton Zürich. Es sei kleinlich und geizig, die 50 Millionen Franken mit einem Referendum zu bekämpfen.

Der nächste Systemwechsel kommt

Verkompliziert wird die Angelegenheit, weil das System mit den Prämienverbilligungen in den nächsten Jahren sowieso umgekrempelt wird. Der Auslöser liegt auf der Bundesebene: Im letzten Juni kam eine eidgenössische Initiative an die Urne, welche die Krankenkassenprämien auf maximal zehn Prozent des Einkommens beschränken wollte.

Die Initiative wurde zwar abgelehnt, umgesetzt wird dafür ein indirekter Gegenvorschlag. Dieser verpflichtet die Kantone dazu, einen Mindestbeitrag an die Prämienverbilligung zu leisten. 2026 tritt die neue Regelung in Kraft; bis 2028 dürfte sie Mehrkosten von rund 200 Millionen Franken für den Kanton Zürich mit sich bringen.

Genau weil die neue, teurere Regelung schon ab 2026 komme, sei es absurd, jetzt noch ein Referendum über die 50 Millionen Franken durchzuführen, sagte die Grüne Jeannette Büsser.

Ob ein Referendum wirklich so absurd ist, das werden die Zürcherinnen und Zürcher an der Urne entscheiden. Und bei ihnen können die Bürgerlichen mit einem gewissen Wohlwollen rechnen: In den letzten Jahren sind mehrere Vorlagen im Kanton Zürich gescheitert, welche eine Ausweitung der Prämienverbilligung verlangt hatten.

Die auch national chancenlose Prämienentlastungsinitiative (2024) wurde im Kanton Zürich mit 55 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt. Zwei kantonale Vorlagen, «Raus aus der Prämienfalle» (2021) und «Prämienverbilligung jetzt» (2011), wurden sogar mit über 60 Prozent Nein-Stimmen verworfen. Besonders relevant für die jetzige Diskussion ist die Prämienfallen-Vorlage von 2021. Diese forderte nämlich genau das, was die Bürgerlichen jetzt bekämpfen wollen, also eine Erhöhung der Zürcher Kantonsbeitrags auf 100 Prozent des Bundesbeitrags. Das Vorhaben blieb sogar in der linken Stadt Zürich chancenlos.

Wann die höheren Kantonsbeiträge an die Prämienverbilligung an die Urne kommen werden, ist noch unbestimmt. Es dürfte aber noch dieses Jahr sein.

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