Mittwoch, Januar 15

Der Fernsehsender Fox News spaltet nicht nur die USA, sondern auch seine Miteigentümer. Die Kinder von Rupert Murdoch kämpfen gegen ihren Vater um die Kontrolle seines Medienimperiums.

Alle glücklichen Familien sind einander ähnlich, jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich. Und dann – das hat Leo Tolstoi bei seinem berühmten Auftakt von «Anna Karenina» nicht wissen können – gibt es noch die Familie Murdoch.

Der australische Medienmogul Rupert Murdoch hat über sieben Jahrzehnte und drei Kontinente hinweg ein Firmenreich aufgebaut, das seinesgleichen sucht. Zahlreiche einflussreiche Zeitungen, darunter das «Wall Street Journal» und führende Boulevardzeitungen, gehören dazu, ebenso der Buchverlag Harper-Collins und das rechte Fernsehnetzwerk Fox News. Seit Jahrzehnten versucht Murdoch, der mittlerweile 93 Jahre alt ist, dafür zu sorgen, dass dieses Reich ihn überdauern wird.

Erfolg im Geschäft, Streit in der Familie

Bei diesem Unterfangen muss der Patriarch, der sich im Geschäft so erfolgreich gezeigt hat, aber immer wieder Rückschläge einstecken, denn seine Kinder sind sich nicht einig, was aus dem Imperium werden soll. Die Murdochs sollen sogar die beliebte Fernsehserie «Succession» inspiriert haben, in der die Sprösslinge unter der Nase des alternden Patriarchen mit- und gegeneinander intrigieren.

Über die jüngste Episode im vorgezogenen Erbstreit der Murdochs hat vorletzte Woche die «New York Times» berichtet. Die Zeitung beruft sich auf verschlossene Gerichtsakten, die belegen, dass die Familie derzeit vor Gericht um die Zukunft der Unternehmen kämpft.

Drei der vier Kinder aus Rupert Murdochs ersten zwei Ehen sollen sich dagegen wehren, dass der Vater die strategische Kontrolle über die Gruppe einzig seinem älteren Sohn, Lachlan, zuhalten will. Lachlan soll dafür sorgen, dass die politische Ausrichtung insbesondere von Fox News erhalten bleibt – während die anderen Kinder zwar weiterhin finanziell profitieren würden, aber keinen Einfluss mehr auf die operativen Entscheidungen hätten.

Rupert Murdoch argumentiert gemäss der «Times», dies sei im besten finanziellen Interesse aller Beteiligten. Die Statuten des eigentlich unveränderbaren Familien-Trusts sollen die Möglichkeit für Anpassungen enthalten, wenn diese allen Beteiligten zugutekommen und in guter Absicht erfolgen. Genau das sollen drei der Kinder von Murdoch und ihre jeweiligen Rechtsvertreter aber heftig bestreiten.

Einflussreiche Medien

Wie es zum Streit kam, ist rasch erzählt: Vor einem Vierteljahrhundert trennte sich Rupert Murdoch von seiner zweiten Frau, Anna, mit der er 32 Jahre lang verheiratet war und drei Kinder hatte. Im Zuge der Scheidung setzte Murdoch einen Trust auf, also eine Stiftung nach angelsächsischem Recht, an dem seine vier Kinder aus den ersten zwei Ehen zu je einem Viertel beteiligt waren.

Die Stiftung wird nach Rupert Murdochs Tod über ihre Stimmrechte de facto sowohl Fox Corporation und damit den Fernsehsender Fox News als auch die News Corporation kontrollieren. Hinzu kommen die weiteren Besitztümer der Familie, etwa zahlreiche Immobilien. In der News Corporation sind die Printmedien der Murdochs gebündelt, allen voran das «Wall Street Journal», das Murdoch 2007 kaufte, die «New York Post» und die britischen und australischen Blätter, die in ihren jeweiligen Heimmärkten grossen Einfluss haben.

Murdoch hatte mit seiner dritten Frau, Wendi Deng, später noch zwei Kinder. Diese sind am finanziellen Erfolg der Murdoch-Unternehmen beteiligt, haben aber kein Stimmrecht im Trust – allerdings müssen auch deren Interessen im Rechtsstreit berücksichtigt werden.

Der Familienzwist bewegt in der englischsprachigen Welt ganz besonders, weil die Murdoch-Medien seit Jahrzehnten sehr viel Einfluss auf sich vereinen. Murdoch, der das Rampenlicht selbst nicht unbedingt sucht, galt als Mann, der Politiker an die Spitze bringen – oder aber abstürzen lassen – konnte.

Eine spezielle Rolle hat dabei, insbesondere in den USA, das Fernsehnetzwerk Fox News eingenommen. Eigentlich hatte Rupert Murdoch in den 1990er Jahren CNN kaufen wollen, was ihm nicht gelang. Also liess er Roger Ailes, einen durchtriebenen Polit- und Medienmanager, der seit Richard Nixon zahlreiche republikanische Präsidentschaftskandidaten begleitet hatte, ein neues Fernsehnetzwerk aufbauen.

Fox positionierte sich bald als bestimmende rechtskonservative Kraft im Land. Es war das laute, polternde Gegengewicht zu anderen Netzwerken wie dem zu ähnlicher Zeit gegründeten MSNBC, das einen jungen Techie-Vibe versprühte und sich eher auf der linksliberalen Seite einordnete. Fox News machte Fernsehen für all jene, die mit den «liberalen Eliten» der Ost- und Westküste wenig anfangen konnten. Es produzierte günstiger als CNN, zahlte seinen Star-Moderatoren aber fürstliche Gehälter.

Der Journalist Michael Wolff, der Rupert Murdoch schon lange begleitet, schrieb in seinem jüngsten Buch 2023, dass Murdoch das Zeitungsgeschäft eigentlich näherlag als die TV-Welt und dass er Ailes im Tagesbetrieb folglich viele Freiheiten liess. Finanziell ging das lange Zeit auf.

Doch Fox verfolgte, spätestens seit dem Aufstieg Donald Trumps, einige sehr kontroverse rechte Positionen. Damit spaltete der Sender nicht nur die Amerikaner in leidenschaftliche Befürworter und Gegner – sondern auch die Besitzerfamilie selbst.

Gemäss Michael Wolff ist Rupert Murdoch ein Konservativer alten Schlags und passt damit gar nicht ins Lager des lauten, aufschneiderischen Trump. Aber was sollte er als Geschäftsmann gegen die hohen Einschaltquoten und Gewinne sagen, die ihm Trump und seine Stars bei Fox – besonders Sean Hannity und später auch Tucker Carlson – garantierten?

Lachlan, der ältere der beiden Murdoch-Söhne, soll sich mit der Ausrichtung des Fernsehsenders arrangiert haben, während der jüngere Sohn, James – der in der Schweiz später als Investor der Messe Basel bekannt geworden ist –, stark daran Anstoss nahm.

Ein Machtvakuum

2016 warfen mehrere Fox-Mitarbeiterinnen Roger Ailes sexuelle Belästigung vor; der mächtige Chef wurde rasch und unzeremoniell aus dem Reich, das er aufgebaut hatte, hinausgeworfen. Ein knappes Jahr später starb Ailes. Er war ein enorm kontroverser TV-Chef, aber selbst seine Kritiker erkannten, dass sein abrupter Abgang ein Führungsvakuum bei Fox erzeugen könnte.

Die Murdochs hatten unterschiedliche Ideen, was mit dem Netzwerk geschehen sollte. 2018 verkauften sie einen Grossteil des Fox-Imperiums für 71 Milliarden Dollar an Disney, allen voran das berühmte Film- und TV-Studio 20th Century Fox.

Fox News selbst wollte der Mickey-Maus-Konzern jedoch nicht übernehmen. Der Fernsehsender blieb ein Spaltpilz für die Eigentümerfamilie.

Trump wuchs über Fox hinaus

Das hatte auch viel mit Donald Trump zu tun. Die Beziehung zwischen Fox News und dem ehemaligen US-Präsidenten ist und war kompliziert. Einerseits hatte Fox Trump zweifellos dabei geholfen, die Präsidentschaft 2016 überhaupt zu erlangen. Moderatoren wie Hannity und Carlson vertraten während seiner Amtszeit für längere Zeit unmissverständlich seine Positionen.

Aber Fox machte eine ähnliche Erfahrung wie die alte Garde der Republikanischen Partei: Trump brachte ihnen zunächst Erfolg, wuchs ihnen aber rasch über den Kopf. Er wurde eine derart starke Marke im rechten Lager, dass nicht er von Fox abhängig war, sondern umgekehrt.

Als Fox bei den Wahlen 2020 bemerkenswert früh Joe Biden als Sieger im Gliedstaat Arizona ausrief, überwarf sich Trump mit dem Sender. Später fand Trumps zeitweiliger Konkurrent Ron DeSantis viel Support bei Fox, vor allem bei der Primetime-Sendung von Laura Ingraham. Zahlreiche Republikaner, die Trump nach der verlorenen Wahl loswerden wollten, scharten sich damals hinter den Gouverneur Floridas – der die Vorwahlen der Republikaner dann aber deutlich verlor.

Dazwischen näherten sich Fox und Trump aber auch immer wieder an, was andere Probleme mit sich brachte. Der Sender sprang auf, als Trump seine völlig unbelegte These entwickelte, dass die Wahlmaschinen bei der Präsidentschaftswahl 2020 gefälscht worden seien. Der Hersteller dieser Maschinen, Dominion, verklagte den Sender daraufhin wegen Verleumdung. 2023 einigten sich die Parteien auf einen für Murdoch teuren Vergleich: Fox News musste Dominion 788 Millionen Dollar zahlen.

Kein ruhiger Lebensabend

Der Ausgang des Familienstreits wird die Ausrichtung von Fox News in Zukunft beeinflussen. Würden Rupert und Lachlan gewinnen, bliebe vorerst wohl vieles beim Alten. Die Erbengruppe um James Murdoch müsste sich bei einem Sieg überlegen, wie sie Fox News politisch umpolen wollte, ohne dass die Einschaltquoten einbrechen.

Eine Einigung wäre möglich, wenn sich eine Seite auszahlen liesse. Die Stiftung verfügt über derart viele werthaltige Anlagen, dass keiner der Beteiligten finanziell darben muss. Fox Corporation hat einen Marktwert von etwa 18 Milliarden Dollar, News Corporation 15 Milliarden Dollar. Aber vorerst scheinen die Fronten verhärtet. Ein ruhiger Lebensabend im Kreis seiner Familie bleibt dem Patriarchen Rupert Murdoch, all seinen Anstrengungen zum Trotz, vorenthalten.

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