Donnerstag, Oktober 10

Anfang April sind in Westafrika wohl Hunderte Menschen aufgrund einer mehrtägigen Hitzewelle ums Leben gekommen. Klimaforscher warnen davor, dass sich solch heftige Wetterereignisse künftig häufen würden.

In Mali herrscht derzeit die heisseste Zeit des Jahres. Die Malierinnen und Malier haben sich an die sengende Wärme zwischen März und Juni gewöhnt. Doch auf die Temperaturen, die Anfang Monat im Land herrschten, war selbst die malische Bevölkerung nicht vorbereitet.

In der Stadt Kayes im Westen des Landes hatte das Thermometer am 3. April 48,5 Grad angezeigt – und damit für einen Rekord gesorgt. Eine solch hohe Temperatur war in der Geschichte Malis noch nie zuvor gemessen worden. Auch für Afrika sind es bedeutsame Werte: Es ist die höchste jemals im April gemessene Temperatur auf dem Kontinent.

Bilder aus Kayes zeigten Menschen, die sich im Fluss Senegal abzukühlen versuchten. Die Behörden rieten dazu, körperliche Aktivitäten in der Sonne zu unterlassen und täglich mindestens 1,5 Liter Wasser zu trinken. An den Schulen wurde der Unterricht ausgesetzt.

Über hundert Todesfälle innert vier Tagen

Die Sahelzone und ein Streifen im südlichen Westafrika litten Anfang April unter einer fünftägigen Hitzewelle. Mehrere Staaten meldeten extreme Temperaturen. Am stärksten war die Hitzewelle neben Mali in Burkina Faso. In beiden Ländern wurden auch in der Nacht noch 30 Grad Celsius gemessen. In der malischen Hauptstadt Bamako verzeichnete das Gabriel-Toure-Spital zwischen dem 1. und dem 4. April laut eigenen Angaben 102 Todesfälle. Im Vorjahr waren es im gesamten Monat April 130 Todesfälle gewesen. Laut dem Spital war rund die Hälfte der Todesopfer über 60 Jahre alt.

Wie viele der Toten auf das extreme Wetter zurückzuführen sind, ist nicht bekannt. Das Land veröffentlicht entsprechende Daten nach mehreren Militärputschen in den vergangenen Jahren nicht mehr. Das Klimazentrum des Roten Kreuzes und der Rote Halbmond schätzten die Zahl der Todesopfer durch die Hitzewelle jedoch «auf Hunderte, wenn nicht Tausende».

Für die malische Bevölkerung kam erschwerend hinzu, dass es im Land kaum Zugang zu Elektrizität gibt. Während der Hitzewelle kam es zudem zu Stromausfällen, Klima- und Kühlanlagen fielen aus. Das machte es für die Bevölkerung umso schwieriger, mit den extremen Temperaturen umzugehen. Doch auch der religiöse Fastenmonat Ramadan erschwerte den Menschen die Bedingungen in der Hitze, wie ein Bericht der World Weather Attribution (WWA) zeigt.

Wetterdaten und Klimamodelle ausgewertet

Wissenschafter der WWA haben sich in den vergangenen Wochen mit dem Wetterereignis beschäftigt und am Donnerstag eine entsprechende Studie publiziert. Sie heben verschiedene Faktoren hervor, die die Auswirkungen der Hitze verschlimmert haben. Einer davon ist der Fastenmonat Ramadan. In Westafrika und in der Sahelzone leben viele Muslime, und die hohen Temperaturen fielen auf das Ende des Fastenmonats. «Die unerbittliche Hitze am Tag und in der Nacht war für die tagsüber fastenden Menschen besonders gefährlich», heisst es im Bericht. Weiter hätten die schwelenden Konflikte, die Armut, der eingeschränkte Zugang zu sicherem Trinkwasser und die angespannten Gesundheitssysteme die Auswirkungen verschlimmert.

Um die Auswirkungen der extremen Temperaturen auszuwerten, analysierten die Wissenschafter Wetterdaten und Klimamodelle. Dazu verglichen sie die Fünf-Tage-Durchschnittswerte der Höchsttemperaturen in zwei Gebieten. Einerseits in den südlichen Regionen von Mali und Burkina Faso, wo die Hitze am extremsten war. Andererseits in einem grösseren Gebiet, das Regionen in mehreren westafrikanischen Staaten von Nigeria bis nach Senegal umfasst. Dort wurden in den Tagen ebenfalls Temperaturen über 40 Grad gemessen.

In ihrer Analyse führen die Wissenschafter die grosse Intensität der Hitzewelle auf den menschengemachten Klimawandel zurück. Sowohl Beobachtungen als auch Modelle zeigten, dass die extremen Temperaturen ohne die bisherige globale Erwärmung von 1,2 Grad Celsius unmöglich gewesen wäre, heisst es im Bericht. «Studien wie diese zeigen eindeutig, dass sich das Klima weiter erwärmen wird, wenn auf der Welt weiterhin fossile Brennstoffe verbrennt werden», wird die Klimaforscherin Friederike Otto in einer Mitteilung der WWA zitiert.

Hitzewellen werden häufiger, länger und heisser

In Mali und Burkina Faso zeigen sich die Auswirkungen des Klimawandels laut WWA besonders gefährlich. In den Hauptstädten Bamako und Ouagadougou schreite die Urbanisierung voran. Der Verlust von Grünflächen verstärke den städtischen «Wärmeinseleffekt». Beide Länder verfügten nicht über sogenannte Hitzeaktionspläne. Solche Dokumente sehen bei gefährlich hohen Temperaturen entsprechende Notfallmassnahmen vor. Sie sind äusserst wirksam zur Verringerung von hitzebedingten Todesfällen während Hitzewellen.

In beiden Ländern seien die Höchsttemperaturen in den vergangenen Jahren tagsüber um 1,5 Grad und nachts um 2 Grad angestiegen. Während der fünftägigen Hitzewelle hätten sich die Tagestemperaturen zusätzlich um 1,4 Grad erhöht. «Das mag nicht wie ein grosser Anstieg klingen, doch für viele Menschen hat diese zusätzliche Hitze über Leben und Tod entschieden», wird die Klimaforscherin Kiswendsida Guigma in der Mitteilung von WWA zitiert.

Eine Hitzewelle wie die jüngste ist laut den Forschenden heute selbst mit der globalen Erwärmung zwar immer noch selten. In der westafrikanischen Region sei alle dreissig Jahre mit ähnlich hohen Temperaturen zu rechnen. Eine mehrtägige Hitzewelle mit Todesopfern wie in Mali und Burkina Faso sei alle 200 Jahre zu erwarten. Die WWA rechnet jedoch damit, dass ähnliche Ereignisse künftig zehn Mal so oft vorkommen werden, sollte die globale Erwärmung in den kommenden Jahren auf 2 Grad Celsius über vorindustrielles Niveau ansteigen. «Der Klimawandel führt dazu, dass Hitzewellen auf der ganzen Welt häufiger, länger und heisser werden.»

Exit mobile version