Dienstag, Oktober 8

Es ist schnell, es ist praktisch, und die Menschen mögen, wie es schmeckt: warum Fast Food weiter wächst.

Das Bild zeigt eine übergewichtige Frau, die auf einer Kühlbox am Strand sitzt. Die Kamera schneidet dann auf einen Mann, ohne Hemd und mit rundem Bauch. Die nächste Einstellung zeigt nochmals einen Mann, der auf einem Handtuch sitzt und vor sich Einkaufstüten mit Lebensmitteln aufgereiht hat. Eine Stimme aus dem Off sagt: «Amerika ist nun die fetteste Nation der Welt. Herzlichen Glückwunsch!»

So beginnt «Super Size Me», ein Dokumentarfilm aus dem Jahr 2004. Für ihn hat sich der Protagonist Morgan Spurlock während dreissig Tagen ausschliesslich von McDonald’s-Essen ernährt. Was zunächst verlockend klingt, hat bald fatale Folgen: Spurlocks Cholesterinwert schiesst in die Höhe, fahrig und lethargisch schleppt er sich durch den Tag, er nimmt elf Kilogramm zu. Die Botschaft, die Spurlock zu übermitteln versuchte, war so klar wie direkt: Fast Food macht erst krank, dann bringt es dich um.

«Super Size Me» war ein riesiger Erfolg. In den USA half der Film, eine kulturelle Gegenbewegung anzustossen. Besonders McDonald’s wurde als Symbol für die Hegemonie einer nimmersatten Konsumgesellschaft geächtet. Und nicht wenige sahen das Ende der Fast-Food-Industrie kommen.

Mehr Filialen, neue Marken

Zwanzig Jahre später ist davon nicht mehr viel übrig. Im Gegenteil: McDonald’s ist grösser denn je. Mehr als 42 000 Restaurants gibt es weltweit. Der Aktienkurs ist seit der Veröffentlichung von «Super Size Me» um mehr als 1000 Prozent gestiegen und erreichte im Januar dieses Jahres einen Rekordwert.

In Grossbritannien hat McDonald’s mit 200 geplanten neuen Restaurants gerade das grösste Expansionsprogramm seit mehr als zwanzig Jahren vorgestellt, Investitionssumme: eine Milliarde Pfund.

Und auch in der Schweiz läuft es für McDonald’s gut. Diese Woche wird in Genf die 181. Filiale eröffnet. Jedes Jahr kommen bis zu sieben neue Standorte hinzu, so will man bald die 200er-Marke knacken.

Den Umsatz gibt McDonald’s Schweiz nicht bekannt, dafür das Einkaufsvolumen. Im Jahr 2023 wurden 235 Millionen Franken für Lebensmittel ausgegeben, das sind fast 8 Prozent mehr als noch im Vorjahr.

Auch andere Fast-Food-Läden wachsen. Burger King, die Nummer zwei in der Schweiz, eröffnet jedes Jahr 5 neue Filialen und hat bald 100 Standorte. Die Sandwich-Kette Subway will in den nächsten sieben Jahren mehr als 70 Restaurants eröffnen. Und mit den amerikanischen Ketten Carl’s Jr., Taco Bell oder Five Guys kommen laufend neue Anbieter auf den Markt.

Fast Food forever? Scheint ganz so. Doch wie passt das in eine Zeit, in der der Staat Werbung für ungesunde Lebensmittel verbieten will und gesunde Ernährung durchaus auch kommerziell interessant geworden ist?

Weniger Restaurant, mehr Imbiss

Corsin Camenisch ist Gastronomieberater und Lebensmittelunternehmer. Er sagt: «Die Menschen essen immer häufiger auswärts, gleichzeitig wird die soziale Komponente des Essens weniger wichtig.» Gerade an den Wochentagen habe eine Verschiebung weg von der bedienten Gastronomie hin zu einer On-the-go-Verpflegung stattgefunden. Die Pandemie und das Arbeiten im Home-Office hätten das verstärkt. «Ein Mittagessen mit den Arbeitskollegen in einem Restaurant findet immer seltener statt.»

An seine Stelle ist eine neue Essenskultur getreten: Verpflegung ja, aber bitte schnell und unkompliziert. Und genau das ist der Anspruch und das Versprechen von Fast Food. Es passt auch in straffe Zeitpläne.

Laut einer Studie, die der Verband Gastrosuisse jährlich durchführen lässt, findet ein Viertel aller Ausser-Haus-Konsumationen in sogenannten Schnellverpflegungsrestaurants statt. Dazu gehören etwa Imbissstände, Take-aways und eben auch Fast-Food-Restaurants. Letztgenannte wiederum, zu denen die Studie die bekannten Burgerketten sowie Starbucks zählt, hatten laut Gastrosuisse im Jahr 2023 einen Marktanteil von 6,1 Prozent an allen Konsumationsfällen. Im Jahr 2019 lag dieser noch bei 4,7 Prozent. Das bedeutet, dass ungefähr jedes zwanzigste Essen auswärts in einem Fast-Food-Laden stattfindet.

Die Schweiz ist also längst keine Burger-vernarrte Nation, wie es etwa die USA sind. Und trotzdem wächst die Branche stetig. Das hat auch Coop erkannt. Der Detailhändler ist unter anderem an Burger King Schweiz und an der ebenfalls aus den USA stammenden Kette Popeyes beteiligt.

Traffic und Drive-in

Ökonomisch interessant sind Fast-Food-Ketten, weil sie klassische Systemgastronomen sind. Das heisst, die Unternehmen führen mehrere Standorte nach einem einheitlichen Konzept und bieten in allen Filialen die gleichen Produkte in der gleichen Qualität an. Ein Big Mac in New York schmeckt praktisch gleich wie ein Big Mac in Zürich.

Der Gastronomieberater Camenisch sagt: «Weil bei Fast Food die meisten Prozesse standardisiert sind, können die Betriebe die Rohstoffe in riesigen Volumen einkaufen.» Sie würden auch nicht das Risiko von ausufernden Kosten tragen, weil alles genau kalkuliert und organisiert ist. «Wenn man gute Mitarbeiter findet und der Standort passt, kann ein Fast-Food-Betrieb eigentlich nicht scheitern.»

Das weiss auch McDonald’s Schweiz. Man sei laufend auf der Suche nach Flächen für neue Restaurants, sagt der Finanzchef Thomas Mosimann. Ideal sei ein Standort im Einzugsgebiet, der, wie es Mosimann sagt, «Traffic» bringe. Einkaufszentren können solche Orte sein, aber auch Raststätten und Bahnhöfe. Oder es muss genug Platz für ein Drive-in vorhanden sein. Nach der Arbeit mit dem Auto das Abendessen abholen, auch das ist ein Teil der Essenskultur geworden.

Die Immobilien für diese Standorte kauft oder baut McDonald’s jeweils selbst. Das Restaurant wird dann über einen Franchisevertrag an den Lizenznehmer übergeben. Etwa vierzig von ihnen gibt es in der Schweiz. Damit kein Restaurant in die roten Zahlen gerät, kann McDonald’s als Dachfirma die Bücher der einzelnen Filialen einsehen.

Das Gesamtbild, das dadurch entsteht, stellt McDonald’s in einem Report vor. Darin steht dann etwa, wie viele Tonnen Rindfleisch eingekauft wurden (2023: 5373), wie viele Zutaten aus der Schweiz kommen (88 Prozent) und um wie viel der Zuckeranteil im Burgerbrot innert eines Jahres zurückgegangen ist (22 Prozent).

Es sind sorgfältig ausgewählte Informationen, die in dem sogenannten «Nachhaltigkeitsbericht» vorgestellt werden. McDonald’s weiss, was in der Öffentlichkeit gut ankommt und was schlecht. Den Begriff «Fast Food» zum Beispiel mag man im Unternehmen nicht. Der Finanzchef Mosimann spricht lieber von «Quick-Service-Restaurants».

Gegründet wurde McDonald’s 1940 von den Brüdern Richard und Maurice McDonald. Sie entwickelten eine innovative Art, um Hamburger schnell zuzubereiten – das Speedee-System.

Martin Parr / Magnum

Eine Mahlzeit für fünf Dollar

Und auch sonst betonen die Fast-Food-Ketten verstärkt ihre Bemühungen um Nachhaltigkeit und gesündere Menus. Einige Ketten schafften die Plastikdeckel und Strohhalme für die Getränkebecher ab, fast alle verzichten auf Zusatzstoffe in ihren Produkten. McDonald’s probiert derzeit, die Pommes frites weniger zu salzen, ohne dass sie zu sehr an Geschmack verlieren. Burger King Schweiz verweist auf seine Salate und vegetarischen Optionen. Und bei Carl’s Jr. heisst es, dass ein Burger bei ihnen auch ohne Brot bestellt werden kann: als kalorienreduzierter Salatwrap nämlich.

Doch ein anderes Thema drängt diese Bemühungen derzeit in den Hintergrund: die Teuerung. McDonald’s hat deswegen in vielen Ländern die Preise für seine Angebote nach und nach erhöht. Nun wirkt sich das auf den Konsum aus. Zum ersten Mal seit fast vier Jahren ging im zweiten Quartal 2024 der Umsatz in den USA zurück.

Für den Sommer hat der Konzern deshalb ein Fünf-Dollar-Menu bestehend aus einem Burger, Pommes frites, Chicken-Nuggets und einem Getränk auf die Speisekarte gesetzt. Das soll die Leute zurück in die Restaurants bringen.

Ein Film mit einem Schönheitsfehler

Zwanzig Jahre nach seinem Erscheinungsdatum steht «Super Size Me» immer noch exemplarisch für den ungesunden Lebensstil, den viele Leute mit Fast Food verbinden. Doch den Boom der Fast-Food-Ketten hat der Dokumentarfilm nicht gebremst. Und er hat auch einen Schönheitsfehler: Morgan Spurlock, der Macher des Films, hat vor einigen Jahren zugegeben, mehr als die Hälfte seines Lebens Alkoholiker gewesen zu sein. Auch vor und während des Drehs zu «Super Size Me» soll Spurlock Alkohol getrunken haben. Inwiefern das seine medizinischen Werte verfälscht hat oder nicht, ist nicht bekannt.

Im Mai dieses Jahres starb Spurlock im Alter von 53 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung.

McDonald’s hat ihn überlebt. Und ist heute grösser denn je.

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