Shayne Coplan sieht in den Ermittlungen eine Retourkutsche der Demokraten, weil Polymarket-Nutzer früh auf einen Sieg von Donald Trump setzten.
Am Mittwochmorgen Lokalzeit haben Ermittler des FBI die New Yorker Wohnung des Polymarket-Gründers und -Chefs Shayne Coplan durchsucht und sein Handy beschlagnahmt. Die Wettplattform hat zuletzt rund um die Wahl von Donald Trump für Furore gesorgt, weil ihre Nutzer viel früher als Umfrageinstitute und Medien auf einen Sieg des Republikaners setzten.
Die Behörden haben noch keine Gründe für die Hausdurchsuchung genannt. Es ist nicht klar, ob gegen Coplan selbst oder gegen Polymarket ermittelt wird. Die Nachrichtenplattform Axios vermeldete unter Berufung auf eine Quelle aus dem Justizvollzug, dass die FBI-Durchsuchung von einem Gericht autorisiert worden sei.
Coplan selbst hat sich auf der Nachrichtenplattform X zur Hausdurchsuchung geäussert. Der 26-Jährige vermutet, es handle sich um eine Retourkutsche der demokratischen Regierung, weil diese glaube, Polymarket stehe den Republikanern nahe.
It’s discouraging that the current administration would seek a last-ditch effort to go after companies they deem to be associated with political opponents. We are deeply committed to being non-partisan, and today is no different, but the incumbents should do some self-reflecting…
— Shayne Coplan 🦅 (@shayne_coplan) November 13, 2024
Auch ein Sprecher von Polymarket sagte dem «Wall Street Journal», dass es sich «offensichtlich um eine politische Vergeltungsaktion der scheidenden Regierung gegen Polymarket handelt». Dies, weil Polymarket einen Markt betrieben habe, der die Präsidentschaftswahlen 2024 korrekt prognostiziert habe.
Im Visier der Aufsichtsbehörden
Die Begründung wirkt etwas eigenartig. Polymarket hat allerdings zahlreiche traditionelle Umfragefirmen blossgestellt, deren Resultate auf einen viel engeren Wahlausgang zwischen Kamala Harris und Donald Trump hindeuteten. Für viel Wirbel sorgte auch die Geschichte, dass ein erfahrener Trader aus Frankreich mit zahlreichen Wetten auf einen Trump-Sieg 85 Millionen Dollar gewonnen haben soll.
Polymarket ist schon in der Vergangenheit mit amerikanischen Behörden im Streit gelegen, andere digitale Prognosemärkte wie Predictit oder Kalshi ebenfalls. Denn eigentlich dürften die Amerikaner Polymarket gar nicht nutzen: 2022 hatte die Commodity Futures Trading Commission (CFTC) entschieden, dass Polymarket für das Anbieten eines Derivatehandels gar nicht zugelassen ist. Das Unternehmen wurde daraufhin gebüsst.
Die Plattform, deren Betreiberfirma in Panama domiziliert ist, hat amerikanische Nutzer seither von ihrer Website ausgesperrt. Doch umgehen viele das Verbot, indem sie ein VPN nutzen und ihren Datenverkehr über einen Drittstaat umleiten. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Amerikaner weiterhin einen grossen Teil der Nutzerbasis von Polymarket bilden.
Die CFTC hat zwar kürzlich entschieden, Wetten auf Wahlergebnisse zuzulassen, allerdings nur für Plattformen, die eine Bewilligung der Aufsichtsbehörde haben. Polymarket gehört nicht dazu.
Die Plattform kann gar nicht kontrollieren, wer ihre Nutzer sind und woher sie kommen, weil die Auszahlungen anonymisiert und automatisiert über eine Ethereum-Blockchain und ein Krypto-Konto abgewickelt werden. Polymarket ist zudem weder ein Casino noch ein eigentlicher Wettanbieter, tritt also selbst nie als Gegenpartei der Wetten auf. Die Nutzer schliessen diese untereinander ab.
Beliebt und umstritten
Die Anonymität schafft rechtlich schwierige Fragen. Polymarket lässt weiterhin zu, dass Amerikaner über die Plattform gewisse Absicherungsgeschäfte tätigen, trotz dem Entscheid der CFTC von 2022.
Anonyme Plattformen wie Polymarket ermöglichen auch Insiderhandel: Führungskräfte von Apple könnten beispielsweise ihr Wissen über strategische Ziele versilbern, indem sie bei der laufenden Wette mitbieten, ob Apple 2024 in den KI-Anbieter Open AI investieren wird. Insiderhandel an Wertpapierbörsen wie der New York Stock Exchange ist strafbar. Etablierte Börsen treffen viele Vorkehrungen, um Tätern auf die Schliche zu kommen. Auf Prognosemärkten wie Polymarket lassen sich jedoch keine Wertschriften handeln, weswegen sie in den USA bisher weniger streng reguliert waren.
Im Zuge der jüngsten Trump-Wetten kam vor allem die Frage wieder auf, ob Marktmanipulation auf Polymarket möglich ist. Zwei Research-Firmen kamen zum Schluss, dass auf der Plattform zahlreiche sogenannte «Wash Trades» stattfänden. Dabei erzeugen Händler die Illusion, dass Märkte sehr hohe Volumen aufweisen, indem sie sich selbst wiederholt und oft gleichzeitig als Käufer und Verkäufer betätigen. Allerdings ist Polymarket wegen seiner Blockchain-Architektur sehr transparent, was die Handelsaktivität seiner Accounts anbelangt. Man weiss einfach nicht, wem diese gehören.
Ein Tummelfeld für wettfreudige Männer
All diese Fragen haben den Erfolg von Polymarket bisher kaum beeinträchtigt. Shayne Coplan hat die Plattform erst 2020 gegründet, und doch ist sie zum bedeutendsten Prognosemarkt herangewachsen. Unter anderem hat sich der Tech-Unternehmer Peter Thiel im grossen Stil am Startup beteiligt.
Polymarket ist nutzerfreundlich gestaltet. Es lässt sich Geld auf alles Mögliche setzen, am beliebtesten sind Vorhersagen zu Ereignissen in Sport, Politik und der Krypto-Welt: Wird der Bitcoin-Kurs vor dem Wochenende 100 000 Dollar übersteigen? Wird Elon Musk Teil von Donald Trumps Regierung? Werden die Boston Celtics 2025 erneut zum NBA-Champion gekürt?
Die Auswahl der beliebtesten Themen zeigt, dass junge, technologieaffine Männer die eifrigsten Nutzer sind. Es ist genau die demografische Gruppe, die Donald Trump vor der Wahl am eifrigsten umworben hat. Das mag manche Demokraten verärgern; ein Grund für eine Hausdurchsuchung wäre es noch lange nicht.