Freitag, September 20

Die Erzrivalen treffen am Samstagabend in Basel im Klassiker aufeinander. Beide Vereine müssen sich fragen, wie sie trotz vielen Spielerwechseln ihr Publikum weiter an sich binden können.

Manchmal ist es ganz einfach im Fussball: Schenk den Leuten einen Star, und sie finden alles plötzlich wieder wunderbar. Dieses alte Rezept hat der FC Basel vor kurzem angewandt, als er Xherdan Shaqiri in dessen Jugendklub zurückholte. Die Wirkung der Aktion war beträchtlich: Die Verpflichtung des angejahrten Ballkünstlers versetzte das Basler Publikum in Euphorie.

Die Welle des Glücks bekam den schönen Namen «Shaq-Effekt». Dieser äusserte sich nicht nur in publizistischen Purzelbäumen über Vater-Sohn-Beziehungen, in gefühlstriefender Erinnerungsprosa oder gar darin, dass Shaqiris Ankunft als Antidot «gegen Klimaerwärmung, Krieg in der Ukraine, islamistische Attentate» gefeiert wurde wie in der «Weltwoche». Der «Shaq-Effekt» machte sich auch in handfesten Zahlen bemerkbar.

Einige tausend Basler versammelten sich beim Stadion St.-Jakob-Park, als Shaqiri vorgestellt wurde. Die Trikot-Verkäufe explodierten dank der neuen Nummer 10. Als sich Shaqiri gegen Yverdon erstmals auf die Ersatzbank setzte, schauten statt knapp 20 000 Zuschauer mehr als 30 000 zu. Als Shaqiri beim Stand von 2:0 nach 66 Minuten den Rasen betrat, verwandelte sich das Stadion in einen Tempel der Freude.

Eine Mannschaft ist keine Casting-Show für Transfers

Solche Momente fehlten in den letzten Jahren im St.-Jakob-Park. Der FC Basel war in der Zeit unter dem Präsidenten Bernhard Burgener und seinem Nachfolger David Degen vor allem mit sich selber beschäftigt. Das Publikum ärgerte sich über die juristischen Winkelzüge bei der Übernahme, es fragte, ob der FCB zu einer gewöhnlichen Aktiengesellschaft werde und nicht mehr ein Verein sei, an dem alle Leute teilhaben könnten. Sportlich ging es abwärts, vor einem Jahr war der FCB Tabellenletzter. Ausserhalb der Fankurve verlor er seine Bedeutung als Institution und wurde den Leuten gleichgültig. Nicht einmal mehr das Abstiegsgespenst verbreitete Schrecken.

Grund dafür war nicht nur der sportliche Kriechgang. Sondern auch das Personal auf dem Rasen, das kam und ging wie auf einem Marktplatz – und oft gar nicht wusste, für welchen Klub gegen wen es gegen den Ball tritt. Kaum hatten die Anhänger den Namen des neuen Spielers mit der Rückennummer XY gelernt, war er bereits wegtransferiert. Oder er verschwand auf der Ersatzbank. Das schafft keine Identifikation. Und es wächst ohnehin keine Mannschaft zusammen, wenn die Spieler von irgendwoher kommen und irgendwohin gehen, indem sie in erster Linie das eigene Heil in einem Transfer zu einem Klub suchen, bei dem es mehr Geld zu verdienen gibt.

Wer erinnert sich noch an Riccardo Calafiori, wie sich der italienische Verteidiger im Letzigrund kurz nach der Einwechslung aus Angst vor einer Verletzung auf den Boden legte und drei Tage später einen Vertrag in Bologna unterschrieb? Oder an Renato Veiga, der nach seinem ersten Match für den FCB von der Champions League fabulierte, ohne dass den Portugiesen zu interessieren schien, dass sein Team das Schlusslicht der Liga war?

Heute erinnert man sich deshalb an die Calafioris und Veigas, weil allein die beiden Spieler dem FC Basel gegen 30 Millionen Franken in die Kasse gespült haben. Die Beispiele stehen für den Spagat, den der FCB-Präsident David Degen als ehemaliger Spielervermittler mit seiner Personalpolitik versucht hat: auf der einen Seite mit Transfers möglichst viel Geld zu verdienen und mit den Einnahmen den Klub bis 2026 auf ein gesundes finanzielles Fundament zu stellen – das scheint zu gelingen. Auf der anderen Seite geht das auf Kosten des Publikumsinteresses. Wer fiebert schon anstatt für eine Mannschaft für ein anonymes Transfer-Casting, das zudem in sportlicher Hinsicht ziemlich erfolglos war?

Wie nachhaltig ist der «Shaq-Effekt»?

Die Heimholung Shaqiris zeigt, dass sich Degen offenbar überzeugen liess, dass der FCB nicht nur Weiterverkaufs-Aktien im Angebot haben sollte, sondern auch Identifikationsfiguren. Nebenbei ruft der «Shaq-Effekt» Erinnerungen wach an die Heimholung von Alex Frei, Marco Streller, Benjamin Huggel, Matias Delgado, Valentin Stocker oder Fabian Frei in den Jahren der Dauererfolge unter dem früheren Präsidenten Bernhard Heusler.

Gleichzeitig rückt in der allgemeinen Euphorie die Entsorgung von verdienten älteren Spielern wie Michael Lang oder zuletzt FCB-Rekordspieler Fabian Frei in den Hintergrund, nur Taulant Xhaka sitzt von den Altvorderen noch immer grummelnd auf der Ersatzbank. Die Verabschiedung des Captains Fabian Frei im St.-Jakob-Park am Samstagabend dürfte denn auch frei sein von Bitterkeit, weil das Publikum die Aufmerksamkeit auf Shaqiri richtet.

Offen ist, wie viel Shaqiri der Mannschaft auf dem Platz helfen kann. Allein die Antwort auf diese Frage wird Fans und Medien in den kommenden Monaten beschäftigen.

Offen ist auch, ob Degen die Mischung von potenziellen Identifikations-Spielern wie Dominik Schmid, Albian Ajeti oder Leon Avdullahu mit den vielen Zuzügen optimieren will und dem Trainer Fabio Celestini schon im Winter wieder die halbe Mannschaft auswechselt. Der «Shaq-Effekt» kann so plötzlich verpuffen, wie er den FCB ergriffen hat. Aber das kümmert gegenwärtig wenig.

Wie sieht sich der FCB selber? Ein Mitarbeiter des Klubs antwortet entwaffnend direkt, dass beim mehrfachen Meister und Cup-Sieger natürlich die Zeit wieder einmal reif sei für ein schönes Double.

Der FCZ wird mit harter Hand umgebaut

Von dieser fröhlichen Nüchternheit ist man im FC Zürich derweil weit entfernt. Versucht der FCB die kalte Transfermaschine ins Gleichgewicht mit den sportlichen Ambitionen und den Publikumsbedürfnissen zu bringen, versucht der FCZ, Meister des Jahres 2022, gerade das Gegenteil: Endlich dorthin zu kommen, wo er mit Spielerverkäufen Geld verdient, wie der FCB oder YB. Man wolle in zwei oder drei Jahren dort sein, wo die Basler und Berner jetzt seien, hiess es aus der FCZ-Führung schon Ende des letzten Jahres. Man wolle «weg vom ständigen Auf und Ab», sagte der Präsident Ancillo Canepa.

Pressekonferenz zum Saisonstart 2024/2025

Zu diesem Zweck hat sich Canepa als Sportchef Milos Malenovic ins Haus geholt, wie Degen ein mit allen Wassern gewaschener Spielervermittler. Nach der letzten Saison mit viel Rumpeln hat auch Malenovic nach dem Beuteschema der jungen, transferträchtigen Spieler das Kader umgebaut – und zudem die Staff fast vollständig ausgewechselt.

Mit dem Cheftrainer Ricardo Moniz hat ein harter Ausbildner das Sagen, der auch ungewöhnliche Massregelungen nicht scheut. Moniz beorderte beispielsweise einen verdienten FCZ-Spieler wie Jonathan Okita nach der Einwechslung gleich wieder vom Platz, weil dem Niederländer etwas nicht passte. Der junge Stürmer Labinot Bajrami, erst im Frühling mit einem Profivertrag ausgestattet, wurde nach einem ähnlichen Vorfall gleich zum FC Winterthur geschickt. Und wo sind die FCZ-Spieler aus dem eigenen Nachwuchs, derentwegen man ins Stadion gehen möchte?

Aus der Auswahl von zehn Stürmern kann man Okita zuschauen, wie er zum Schatten seiner selbst geworden ist – oder Daniel Afriyie, wie er stagniert. Die anderen Angreifer wirken austauschbar. Nur die routinierten Antonio Marchesano, Nikola Katic und der Goalie Yanick Brecher scheinen sichere Werte zu sein. Moniz kann für sich bis jetzt in Anspruch nehmen, dass er noch kein Spiel gegen eine Schweizer Mannschaft verloren hat.

Vieles ist neu im FCZ, doch ist es auch besser? Die Fans der mächtigen Südkurve sind weiter damit beschäftigt, sich selbst zu feiern, solange die Resultate einigermassen stimmen. Im Umfeld herrscht gespannte Ruhe, was aus dem neuen FCZ wird. Nach einer erfolgreichen Transfermaschine sieht es in diesem Klub im Moment nicht aus – nur nach einer kalten.

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