Die Stadt Zürich erhält jedes Jahr 400 Millionen Franken aus einem kantonalen Ausgleichstopf. Die Zahlung sei nicht mehr gerechtfertigt, sagt der FDP-Kantonsrat und Adliswiler Stadtrat Mario Senn.

Mario Senn, was haben Sie gegen die Stadt Zürich?

Gar nichts. Weshalb meinen Sie?

Die Stadt erhält jedes Jahr rund 400 Millionen Franken aus einem Ausgleichstopf, den die Gemeinden im Kanton Zürich füllen. Sie stellen diesen Zentrumslastenausgleich mit einem neuen Vorstoss im Kantonsparlament infrage. Weshalb gönnen Sie der Stadt das Geld nicht länger?

Wir fordern von der Kantonsregierung zuerst einmal eine saubere Auslegeordnung mit belastbaren Zahlen. Ich bestreite nicht, dass die Stadt Zürich aufgrund ihrer Zentrumsfunktion gewisse Lasten trägt, die andere Gemeinden nicht kennen – namentlich im Bereich der Sicherheit oder im Sozialen. Vergessen geht aber, dass die Stadt auch einen grossen Nutzen aus ihrer zentralen Lage zieht.

Woran machen Sie das fest?

Man sieht es an den seit Jahren steigenden Steuereinnahmen von natürlichen und juristischen Personen. Die Stadt lockt Firmen und gute Steuerzahler an – ohne grosses Zutun, einfach, weil in der Stadt ökonomisch die Post abgeht. Es gibt einen positiven Zentrumssog. Ich finde, ein fairer innerkantonaler Finanzausgleich sollte künftig sowohl Zentrumslasten als auch -nutzen einberechnen. Das bisherige Gesetz gehört entsprechend reformiert, es basiert auf jahrzehntealten Zahlen.

Früher galt Zürich als sogenannte A-Stadt mit überdurchschnittlich vielen Armen, Arbeitslosen und Alten. 1996 kam eine Untersuchung zu dem Schluss, dass die staatlichen Ausgaben pro Bewohner in der Stadt rund 1000 Franken höher sind als im Umland. Sie sagen, dass sich das fundamental geändert hat?

Wenn wir die Steuerentwicklung anschauen, dann definitiv. Die erwähnten A-Probleme beobachte ich heute eher in den Agglomerationen. Dazu kommt, dass alle Gemeinden im Kanton in den letzten Jahren stark entlastet worden sind.

Sie sprechen den neuen Soziallastenausgleich und Änderungen im Strassengesetz an.

Ja, da wurden Kosten von insgesamt 300 Millionen Franken pro Jahr von den Gemeinden zum Kanton verschoben. Allein das rechtfertigt schon eine Überprüfung des Finanzausgleichs. Weitere als «Lasten» verstandene Angebote in der Stadt Zürich, die aber erheblich zur Standortgunst beitragen, werden heute schon massgeblich von Kanton und Bund getragen. Denken Sie an die Hochschulen, den öffentlichen Verkehr oder das Opernhaus. Die Stadt steht heute also finanziell sehr gut da. Gleichzeitig gibt es gewisse Abschottungstendenzen . . .

Inwiefern?

Vor allem in der Verkehrspolitik. Stichworte sind Tempo 30, Parkplatz- und Spurabbau. Da fragt man sich manchmal schon, ob die Stadt ihre Zentrumsfunktion überhaupt noch wahrnehmen möchte . . .

Eine Reform des heutigen Finanzausgleiches wäre aber eine gewaltige Übung. Lohnt sich das?

Wichtig ist, dass wir eine Debatte darüber führen; diese wollen wir mit unserem Postulat anregen. Die Stadt Zürich erhält jedes Jahr fix 400 Millionen Franken aus einem Sondertopf, Winterthur als zweite grosse Stadt auch über 80 Millionen. Soll das unhinterfragt immer so weitergehen, obwohl sich die Bedingungen stark geändert haben? Ich finde das widersinnig. Auf Bundesebene gibt es beim Härtefallausgleich auch eine Regelung, dass Sonderlastenbeiträge auslaufen, wenn sich ein Kanton verbessert.

Vor ein paar Jahren machte schon die SVP einen Anlauf für eine Reform; sie wollte gar eine kantonale Volksinitiative lancieren. Dies im Rahmen ihrer Kampagne «gegen Schmarotzer-Politik der links-grünen Städte». Die Bemühungen verliefen aber im Sand. Warum soll es der FDP nun gelingen?

Als Freisinnige sind wir in der Stadt, auf dem Land und in den Agglomerationen ziemlich gleichmässig vertreten. Wir haben keine Schlagseite wie die SP, die in den Städten eine Macht ist, oder die SVP, die auf dem Land sehr stark ist. Als die SVP mit der Idee kam, unterstellte man ihr Polemik gegen die Stadtbevölkerung. Wir betonen, dass wir ein System schaffen wollen, das für alle im Kanton Zürich fair sein soll. Heute ist es zum Beispiel schwer vermittelbar, weshalb Zürich und Winterthur eine Sonderstellung haben, regionale Zentren wie Uster, Dietikon oder Dübendorf aber beispielsweise nicht.

Sie selbst sind Stadtrat in Adliswil – auch so eine mittelgrosse Agglo-Gemeinde . . .

Ja, aber ich verfolge mit unserem Vorstoss keine Eigeninteressen. Adliswil zahlt heute weder in den innerkantonalen Finanzausgleich ein, noch bezieht es Geld daraus. Mir geht es darum, einen Systemfehler zu beheben.

Weshalb braucht es den Druck aus dem Parlament? Wieso ist der bürgerliche Zürcher Regierungsrat nicht schon längst selbst aktiv geworden?

Bis jetzt war der Leidensdruck wohl noch nicht so gross. Der Kanton hat zurzeit aber weniger finanziellen Spielraum. Darum kann ich mir vorstellen, dass der Regierungsrat unseren Ball aufnehmen wird.

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