Mittwoch, Oktober 2

Vor dem Fernsehduell der «running mates» lagen die Vorteile beim volksnahen Demokraten Tim Walz. J. D. Vance machte sich als Trumps «Kampfhund» vor allem bei Frauen unbeliebt. In der Debatte gab er sich nun moderat – bis am Ende die Frage zur Wahllüge kam.

Als Donald Trump sich J. D. Vance im Juli zum Vize-Kandidaten nahm, sah der Wahlkampf noch ganz anders aus. Vance’ erwartete Kontrahentin beim Fernsehduell vom Dienstag sollte eigentlich Kamala Harris sein. Nun aber musste er sich am Dienstag mit Tim Walz duellieren: dem volksnahen und schlagfertigen Gouverneur von Minnesota, einem ehemaligen Lehrer und Football-Coach, einem einstigen Offizier der Nationalgarde und Waffenbesitzer, einem bodenständigen Demokraten, der zu Beginn seiner politischen Karriere einen Kongresssitz in einem konservativen Wahlkreis gewann.

Vor dem Fernsehduell am Dienstag zeichneten die Umfragen ein schlechtes Bild für Vance. Bei den Wählern und auch in der eigenen Partei ist der 40-jährige Senator derzeit unbeliebter als Walz. In den vergangenen Wochen und Monaten sorgten vor allem seine abschätzigen Kommentare aus früheren Interviews über kinderlose Frauen für Schlagzeilen. Zudem schürte er fremdenfeindliche Ängste, indem er bewusst Lügen über haitianische Einwanderer verbreitete, die angeblich die Haustiere der Einheimischen verzehrten. Vance bestätigte damit seinen Ruf als Trumps bester Zauberlehrling und «Kampfhund».

Walz beginnt nervös

In der Fernsehdebatte versuchte er, sich nun möglichst zahm und moderat zu geben. Dies gelang ihm auch ziemlich überzeugend. Walz war zu Beginn sichtlich nervös und mit der ersten Frage zur Eskalation im Nahen Osten überfordert. Die Moderatorinnen des Fernsehsenders CBS wollten wissen, ob die Vize-Kandidaten nun einen israelischen Angriff auf Iran unterstützen würden. Walz rang um eine klare Antwort und blieb sie schliesslich schuldig. Vance war auch nicht restlos überzeugend. Israel wisse selbst, was nun am besten sei, und Amerika sollte dabei an seiner Seite stehen, meinte er. Gleichzeitig verwies er darauf, dass es solche grossen Konflikte unter Trump nicht gegeben habe, weil die amerikanische Abschreckung funktioniert habe.

Natürlich landete Vance auch ein paar spitze Attacken gegen Walz. Der frühere Bestsellerautor und Yale-Absolvent ist rhetorisch beschlagen: «Ehrlich, Tim, du hast einen harten Job, weil du Katz und Maus spielen musst.» Er müsse vorgeben, dass Trump nicht für steigende Löhne und eine tiefe Inflation gesorgt habe, und gleichzeitig Harris’ «schrecklichen Leistungsausweis» verteidigen. Immer wieder verwies Vance darauf, dass die demokratische Präsidentschaftskandidatin schöne Pläne ankündige, aber in den vergangenen vier Jahren nichts davon umgesetzt habe.

Vance machte Harris für die «offene Grenze» zu Mexiko und die vielen Migranten für die Wohnungsnot in den USA verantwortlich. Aber er bezeichnete die Einwanderer nicht wie Trump als Mörder oder Vergewaltiger. Er hätte vielleicht auch die katzenfressenden Haitianer nicht erwähnt, wenn Walz sie nicht ins Spiel gebracht hätte.

Als es um das epidemische Problem der Waffengewalt in den USA ging, erzählte Walz von seinem 17-jährigen Sohn. Dieser habe eine Schiesserei in einem Gemeinschaftszentrum miterlebt, wo er Volleyball gespielt habe. «Solche Dinge vergisst du nie.» Vance zeigte Mitgefühl mit dem Sohn: «Das tut mir leid, und ich hoffe, es geht ihm gut.»

Seine besten Momente hatte Walz, als es um das Recht auf Abtreibung ging. Vance verteidigte Trumps Position, dass nun die Wähler in den einzelnen Gliedstaaten darüber entscheiden sollten. Die USA seien ein sehr diverses Land; was für einen Staat gut sei, könne für einen anderen nicht passen. Für die Frauen gehe es hier um ein nicht verhandelbares Grundrecht, konterte Walz. Dann erzählte er die Geschichte von Amber Thurman. Sie reiste 2022 vom restriktiven Georgia ins liberale North Carolina für eine Abtreibung. Sie schaffte es nicht rechtzeitig zu ihrem Termin für eine operative Abtreibung und erhielt stattdessen Abtreibungspillen. Zurück in Georgia, kam es zu Komplikationen, im Spital zögerten die Ärzte, ihr zu helfen. Thurman starb. «Hätte Amber Thurman in Minnesota gelebt, wäre sie heute am Leben», meinte Walz. Vance antwortete darauf: «Ich bin damit einverstanden, dass Thurman immer noch am Leben sein sollte.»

Ein Schock zum Schluss

Vance spielte seine Rolle gut. Doch dann kam die Frage zu Trumps Wahlniederlage 2020. Vance hatte früher gesagt, dass er als Vizepräsident das Resultat nicht zertifiziert hätte. «Würden Sie die kommende Wahl auch anfechten, selbst wenn alle Gouverneure das Resultat zertifizieren würden?», wollte die Moderatorin wissen. Vance wich aus. Die echte Gefahr für die Demokratie sei Harris, sie betreibe eine «Zensur von industriellem Ausmass». Walz hakte nach: «Hat er (Trump) die Wahl verloren?» Vance blieb erneut eine Antwort schuldig. Bis zu diesem Moment habe er die Debatte genossen, meinte Walz. Aber jetzt sei er schockiert. Walz erklärte, warum Trump im Gegensatz zu 2020 nun mit einem anderen Vizepräsidenten antritt: «Weil Mike Pence die Wahl zertifizierte, ist er heute nicht hier auf dieser Bühne.»

Insgesamt war es eine ausgeglichene Debatte. Während Vance die Erwartungen übertraf, überzeugte Walz nicht restlos. Der sonst so schlagfertige Politiker brachte seine Argumente nicht immer auf den Punkt und zeigte sich nicht so angriffslustig wie auch schon. Der Demokrat hatte aber das bessere Ende für sich. Auf das knappe Rennen um das Weisse Haus dürfte die Debatte jedoch kaum einen Einfluss haben. Harris hatte ihr Rededuell gegen Trump zwar klar gewonnen. Aber in den Umfragen konnte sie sich danach nicht entscheidend absetzen.

Exit mobile version