Mittwoch, Februar 26

Christian Dussey ist nie glücklich geworden als Direktor des Schweizer Nachrichtendiensts. Sein frühzeitiger Abgang ist eine weitere Blamage für die VBS-Vorsteherin Viola Amherd.

Als vor drei Jahren die russische Armee in die Ukraine einfiel, stand der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) ohne Führung da. Wenige Monate zuvor hatte sich die VBS-Vorsteherin Viola Amherd mit Jean-Philippe Gaudin überworfen. Amherds Vorgänger im VBS, Guy Parmelin, hatte sich mit Gaudin am Telefon fast jeden Abend über die geopolitische Lage ausgetauscht. Von Amherd hingegen hörte Gaudin monatelang nichts – ein unmöglicher Zustand für einen Nachrichtendienstchef.

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Es war dann ein externer Headhunter, der damit beauftragt wurde, einen neuen Nachrichtendienstchef zu finden – ein bis dahin nicht bekanntes Vorgehen. Die Wahl fiel auf Christian Dussey, einen Diplomaten aus Genf, der zuletzt den Botschafterposten in Teheran besetzt hatte. Mit dem Nachrichtendienstgeschäft hatte Dussey seit fast dreissig Jahren nichts mehr zu tun gehabt.

Das Fremdeln von Amherd

Weil Viola Amherd mit geheimdienstlicher Arbeit fremdelte, spielte Dusseys fehlende Erfahrung aber keine Rolle. Gleichzeitig mit der Besetzung Dusseys verordnete die VBS-Vorsteherin dem NDB einen Totalumbau. Die zwei klassischen Tätigkeitsfelder, die Beschaffung von Informationen und deren Analyse, sollten durch neue Organisationsformen ersetzt werden. «Teams of teams», Impact-Center oder agile Prozesse hiessen die neuen Zauberworte: Je nach Aufgabe sollten Mitarbeiter aus verschiedenen Abteilungen ad hoc zusammenarbeiten.

Für die Umsetzung dieser eingreifenden Reorganisation mussten Mitarbeiter abgezogen werden, die dann im Tagesgeschäft fehlten. Und damit auch ja kein Stein auf dem anderen blieb, wurden sämtliche Kaderstellen neu ausgeschrieben, auch die bisherigen Amtsinhaber mussten sich neu bewerben.

Die Konsequenz war eine markant erhöhte Fluktuation des Personals – und die Unzufriedenheit der kantonalen Polizeien, der wichtigsten Partner des NDB. «Der Nachrichtendienst ist inzwischen mehr mit sich selbst beschäftigt als mit der Sicherheit des Landes», sagte vor einem Jahr das Kadermitglied einer Kantonspolizei in der NZZ. Den NDB bei laufendem Betrieb total umzukrempeln, sei keine gute Idee gewesen, bilanzierte er.

Als nach einer Aussprache zwischen dem NDB-Direktor und den Kommandanten der Kantonspolizeien keine spürbare Besserung eintrat, griff die VBS-Vorsteherin Viola Amherd im vergangenen Sommer erneut zu einem aussergewöhnlichen Mittel: Sie stellte Christian Dussey einen Coach zur Seite. Marc Siegenthaler, stellvertretender Generalsekretär im VBS, sollte ihn entlasten und insbesondere den Transformationsprozess begleiten. Andere sprachen von einer Degradierung Dusseys.

Verheerende Bilanz

Am Montag dieser Woche, nach rund einem halben Jahr im Amt, zog Marc Siegenthaler eine verheerende Bilanz. Wie ein Insider berichtet, redete er an einer Mitarbeiterversammlung Klartext: Den Transformationsprozess bezeichnete er als Misserfolg. Die Reorganisation, die den NDB zuletzt übermässig beschäftigte, erklärte Siegenthaler in dieser Form für gescheitert.

Entsprechend geharnischt fielen die Reaktionen der Mitarbeiter aus. In einer Fragerunde, die auf die Mitarbeiterinformation folgte, soll die Geschäftsleitung des NDB regelrecht mit kritischen Fragen bombardiert worden sein. Nach fast drei Jahren mühseliger und offenbar weitgehend unproduktiver Transformation hatte sich grosser Frust angestaut.

Seltsam kleinlaut soll Christian Dussey auf die geballte Kritik seiner Mitarbeiter reagiert haben. Was diese nicht wussten, machte tags darauf die NZZ publik: Der NDB-Direktor hatte seine Stelle bereits im Januar gekündigt. Die Belegschaft, die ihm am Montag noch persönlich gegenüberstand, erfuhr von Dusseys Kündigung aus den Medien.

In einem Geschäft, wo persönliche Kontakte zentral sind, gibt ein NDB-Direktor nun zum zweiten Mal hintereinander seinen Abgang nach nur drei Jahren im Amt bekannt. Das bleibt nicht ohne Folgen, denn bis ein Nachrichtendienstchef das Vertrauen seiner ausländischen Partner gewonnen hat, dauert es in der Regel eine Weile.

Während Gaudin nach seiner Kündigung bereits nach wenigen Wochen in die Privatwirtschaft wechselte, will Dussey noch mehr als ein Jahr auf seinem Posten ausharren, bis Ende März 2026.

Ob das im Sinne des geschundenen NDB ist, wird wohl schon bald der Nachfolger der abtretenden VBS-Vorsteherin entscheiden müssen. Es ist eine von vielen Baustellen, mit denen sich, nach aktuellem Stand, wohl Markus Ritter oder Martin Pfister, die beiden Bundesratskandidaten der Mitte-Partei, wird befassen müssen.

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