Donnerstag, Oktober 3

Der Wirtschaftsprüfer des untergegangenen Immobilienentwicklers Evergrande will offenbar eine Senior-Managerin aus Grossbritannien zur neuen China-Chefin machen.

Die Unruhe bei PwC in China ist gross. Noch in diesem Jahr dürften die chinesischen Finanzaufsichtsbehörden den Wirtschaftsprüfer, der die Jahresabschlüsse des untergegangenen Immobilienentwicklers Evergrande geprüft hat, mit einer saftigen Geldbusse belegen. Ausserdem droht PwC eine Suspendierung auf dem chinesischen Markt.

Wohl um das Schlimmste zu verhindern, will PwC jetzt eine Senior-Managerin aus London zur neuen China-Chefin machen. Das jedenfalls berichtet die Zeitung «Financial Times».

Hermione Hudson, die in diesem Jahr als Kandidatin für die Leitung des Grossbritannien-Geschäfts von PwC unterlegen war, soll für PwC demnächst die Zügel in China in die Hand nehmen.

PwC, einer der sogenannten Big Four der global tätigen Wirtschaftsprüfer, stand jahrelang in den Diensten von Evergrande. Der Immobilienentwickler brach 2021 unter einer Schuldenlast von mehr als 300 Milliarden Dollar zusammen. Im Januar ordnete ein Hongkonger Gericht die Liquidierung von Evergrande an. Das Unternehmen war an der Börse der früheren britischen Kronkolonie kotiert.

Evergrande soll seine Bilanzen geschönt haben

Chinesische Behörden wollen herausgefunden haben, dass Evergrande zuvor seine Bilanzen geschönt hatte. Das Unternehmen soll seinen Umsatz um bis zu 80 Milliarden Dollar zu hoch angesetzt haben.

PwC droht eine heftige Geldbusse. Laut Informationen aus Branchenkreisen steht eine Summe von bis zu 3 Milliarden Yuan, umgerechnet fast 360 Millionen Franken, im Raum. Ausserdem dürften die chinesischen Finanzaufsichtsbehörden den Wirtschaftsprüfer für sechs Monate suspendieren.

Die Behörden werfen PwC vor, bei den Jahresabschlüssen für Evergrande nicht sauber gearbeitet zu haben. Der Wirtschaftsprüfer hatte ab 2009 für den Immobilienkonzern aus Südchina gearbeitet.

In Erwartung einer schmerzhaften Geldbusse hat PwC bereits damit begonnen, sich von Mitarbeitern in China zu trennen. Mehrere staatliche Unternehmen haben dem Wirtschaftsprüfer die Mandate entzogen.

Gravierende Folgen für börsenkotierte Unternehmen

Ursprünglich wollte Peking sein Urteil bereits im Frühjahr bekanntgeben. Jetzt wird der 16. Oktober genannt. Sollten die Behörden PwC suspendieren, hätte dies gravierende Folgen für zahlreiche chinesische börsenkotierte Unternehmen, die mit dem Wirtschaftsprüfer zusammenarbeiten. Denn dann könnten diese Firmen ihre Jahresabschlüsse nicht mehr pünktlich vorlegen. Das hätte zur Folge, dass deren Aktien vom Handel ausgesetzt werden müssten.

Die chinesischen Behörden hatten bei den internationalen Wirtschaftsprüfern in den vergangenen Jahren verstärkt darauf gedrängt, Chinesen zu Chefs des China-Geschäfts zu machen. Erst im Juli hatten die PwC-Partner Daniel Li mit der Leitung der Aktivitäten im Reich der Mitte betraut. Welche Rolle Li künftig haben wird, ist unklar. Über die Ernennung Hudsons dürfte die chinesische Regierung jedenfalls kaum erfreut sein.

Gesetz zur Spionageabwehr macht PwC zu schaffen

Hudson gehört zur globalen Führungsmannschaft von PwC. Dort hat sie den Posten des Chief Risk Officer inne und ist ausserdem für Fragen zu Regularien zuständig. Hudson stand im April auf der Shortlist für die Leitung des Grossbritannien-Geschäfts. Doch sie unterlag bei der Abstimmung unter den Partnern Marco Amitrano, dem Chef des Beratungsgeschäfts bei PwC in Grossbritannien.

Das China-Geschäft der internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ist in den vergangenen Jahren immer schwieriger geworden. So haben die chinesischen Behörden in jüngster Zeit eine Reihe neuer Gesetze erlassen, die die Beschaffung und die Weitergabe von Informationen erschweren.

Dazu zählen unter anderem des Gesetz zur Spionageabwehr und das Gesetz zum Transfer von Daten ins Ausland. Der Chef einer global tätigen Beratungsgesellschaft sagte der «Financial Times», niemand aus seiner Branche habe komplette Informationen über sein China-Geschäft. Der Grund dafür seien die lokalen Partner. Diese machten oftmals Druck auf die Berater, keine Informationen weiterzugeben.

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