Donnerstag, Mai 15

Fielmann fertigt und verkauft Brillen und hat sich damit eine sehr gute Marktposition erarbeitet. Im Börsenkurs hat sich das noch nicht umfassend niedergeschlagen. Zu Recht?

Die Unsicherheit über die US-Zollpolitik versetzt die Finanzmärkte weiterhin in Unruhe. Daher sollten Unternehmen gefragt sein, die stetige Erträge liefern und eine sehr gute Marktposition haben. Die Hamburger Optikerkette Fielmann gehört dazu. Nur: Warum profitiert der Aktienkurs seit langem nicht davon?

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Mit dem Verkauf von Brillen ist das Unternehmen seit seiner Gründung im Jahr 1972 gewachsen. In Ländern wie Deutschland und der Schweiz dominiert es als Marktführer, weltweit ist Fielmann zum drittplatzierten Optikanbieter geworden. Inzwischen verkaufen die Hamburger in ihren über 1200 Filialen auch Hörgeräte.

Fielmann profitiert auf der einen Seite von der alternden Gesellschaft, der den Absatz von Brillen und Hörgeräten anschiebt. Auf der anderen Seite ist das Unternehmen Nutzniesser des Always-On-Zeitgeists, der sich in stetig steigenden Handynutzungszeiten und der damit steigenden Verbreitung schlechter Augen auch bei jungen Menschen niederschlägt. Generationenübergreifend gilt: 2020 zum Beispiel waren 30% der Weltbevölkerung kurzsichtig. 2050 sollen es schon 50% sein, notiert das International Myopia Institute (IMI). Gut für Fielmann, die rund zwei Drittel des Umsatzes mit verschriebenen Brillen machen.

Für 2025 sagen die von Bloomberg erfassten Analysten daher ein Umsatzwachstum von knapp 9% voraus. 2026 und 2027 sollen es je 5% werden.

Dazu kommt: Brillen sind vergleichsweise konjunkturresilient. Zwar handelt es sich streng genommen ebenso um Konsumgüter wie Sneaker. Doch im Unterschied zum modischen Nice-to-have ist die Brille meist ein medizinisches Must-have. Das stabilisiert die Nachfrage auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten.

Entsprechend stetig stieg der Umsatz über 10 Jahre mit Ausnahme des Pandemiestartjahres 2020.

Rund zwei Drittel seines Umsatzes macht Fielmann in Deutschland, aber ein wachsender Auslandsanteil ist Ziel der Leitstrategie «Vision 2025». Gerade die USA bieten für Optiker Chancen: Dort muss man oft wochenlang auf einen Termin warten und bekommt dann kaum Brillen ohne Zuzahlung angeboten. «Ein Riesenmarkt, doch nicht einfach für deutsche Unternehmen, etwa wegen der Mentalität», sagt Andreas Strobl, Fondsmanager des Berenberg Aktien Mittelstand und bei Fielmann investiert. «Aber spannend.» Daher hat Fielmann Unternehmen wie die US-Optikerketten SVS Vision (2023) und Shopko Optical (2024) übernommen und mit Eyevious Style einen Spezialisten für den Online-Brillenkauf (2023).

Fielmann vertreibt seine Brillen vor allem in Filialen. Nur 4% des Umsatzes wird derzeit online erzielt. Doch das Unternehmen investiert in technische Lösungen, um den Omnichannel-Vertrieb zu stärken. Fielmann spricht von zweistelligen Millionenbeträgen, die dort investiert worden seien.

Weil unverzichtbare Dienste wie das Vermessen der Augen nicht online möglich sind, läuft der Grossteil des Geschäfts derzeit vor Ort. Nach dem Augencheck will das Unternehmen mit guter Beratung, passenden Produkten und günstigen Preisen Kunden an sich binden. Sollte später etwa eine Gleitsichtbrille zum Kauf anstehen, geht der Kunde zur vertrauten Marke und steigert Umsatz und Kundenzufriedenheit weiter. Derzeit würden 90% wieder eine Fielmannbrille kaufen. Die zunehmende Digitalisierung, wie sie die «Vision 2025» vorsieht, soll mit einem wachsenden Portfolio an Werkzeugen den Schritt hin zu Fielmann noch einfacher machen.

Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) wächst seit 2022. Noch deutlicher ist der Sprung im Quartalsvergleich: 2024 vermeldete Fielmann nach den ersten drei Monaten ein Ebitda von 113 Mio. €, 2025 waren es schon 144 Mio..

An der Börse indes hat Fielmanns Strategie in der vergangenen Dekade nicht verfangen, anders als die des deutlich grösseren Konkurrenten Essilor Luxottica.

Die eigenen Ansprüche an die Profitabilität gerade in den vergangenen Jahren sorgen bei Analysten für hochgezogene Augenbrauen. Immerhin hatte das Unternehmen in seiner «Vision 2025» unter anderem formuliert, eine Ebitda-Marge von 25% erwirtschaften zu wollen. «Der Markt hat immer infrage gestellt, ob Fielmann die selbst gesteckten Ziele bei der Marge erreichen kann», sagt Fondsmanager Strobl. «Nun schaut es so aus, als würde das gelingen.» Tatsächlich vermeldete Fielmann für das erste Quartal einen Wert von 25,6% und sorgte damit dafür, dass der Börsenkurs über 54 € stieg.

Nun gilt es nachzulegen. Denn für offiziell erfüllt erklärt hat Fielmann die Anforderungen der «Vision 2025» noch nicht. Das solle, so hiess es auf der Bilanzpressekonferenz am 30. April in Hamburg, erst auf der Hauptversammlung am 10. Juli geschehen. Dort soll dann auch die «Vision 2035» vorgestellt werden.

Bis dahin bleibt die Frage, wie dauerhaft machbar das Margenziel ist. Die von S&P Capital IQ erfassten Analysten gehen davon aus, dass in den Jahren 2025, 2026 und 2027 bestenfalls eine 24 vor dem Komma der Ebitda-Marge steht, nicht aber jene 25.

Dazu kommt: Die Umbauphase des Vertriebs hin zu Omnichannel koste erst einmal viel Geld, sagt Dirk Schmitt, Fondsmanager bei Wagner & Florack. Deshalb schauen die Analysten ohnehin bereits kritischer auf das Unternehmen.

Weiter zur Skepsis beitragen mag auch die Tatsache, dass das Unternehmen in Sachen Guidance lange wenig detailliert auftrat. Man werde die Ziele erfüllen, hiess es immer wieder, ohne aber konkreter zu werden, sagt Fondsmanager Strobl.

Immerhin scheint die Konzernspitze nun mehr Wert auf die Finanzkommunikation legen zu wollen. Marc Fielmann ist seit 2019 CEO des Unternehmens. An seiner Seite steht seit 2023 Steffen Bätjer als Finanzchef. Er hat zuvor unter anderem in der Private-Equity-Branche gearbeitet. Dazu ist seit Anfang Mai mit Patrick Möller ein neuer Investor-Relations-Chef als Ansprechpartner für Grossanleger an Bord. Möller hat zuvor bei New Work gearbeitet (früher bekannt als der Linkedin-Konkurrent Xing). Nun dürfte es einen etwas anderen Kommunikationsstil geben, sagt Fondsmanager Strobl.

Auch inhaltlich geschieht einiges, um die Marge zu steigern. So erhöht Fielmann seit Jahren den Anteil der zentral gefertigten Brillen. Derzeit liegt er bei gut 70% und soll weiter steigen.

Wichtig ist für Fielmann von jeher der reibungslose Ablauf in der Filiale, damit jede möglichst viele Brillen pro Tag verkauft. Man verdiene an der einzelnen Brille weniger als die Konkurrenz, aber die Masse mache es, hiess auf der Bilanzpressekonferenz.

Entsprechend versucht das Unternehmen auch, abschreckende Preisanhebungen zu vermeiden. Immerhin punktet der Preisführer gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten bei den Kunden.

Die US-Expansion birgt durchaus Risiken. Zollschranken oder ein an Kraft verlierender Dollar zählen nicht dazu, weil die Fertigung der Brillen auch dort in der Regel zentral erfolgt. Gerade jetzt sei das ein interessanter Aspekt, sagt Fondsmanager Strobl.

Allerdings muss Fielmann erst einmal wirklich in den USA Fuss fassen. Noch könne man darüber kein umfassendes Urteil fällen, sagt Thilo Kleibauer, Analyst bei Warburg Research. Die ersten Zahlen indes lesen sich vielversprechend: Zwischen 2023 und 2024 wuchsen die US-Umsätze um über 500% auf 197 Mio. €. Die dortige Ebitda-Marge lag 2023 noch bei -7,4%, 2024 dann schon bei 9,9%.

USA beim Umsatzwachstum vorn

Ein technisches Hindernis bremst den SDax-Wert an der Börse: Der geringe Streubesitz von rund 27% kann abschreckend wirken. Denn der Grossteil der Anteile liegt weiterhin bei der Gründerfamilie. Viele Grossinvestoren halten wohl wegen der geringen Handelsvolumina Abstand, aus Sorge, eine grössere Position nicht zeitnah wieder verkaufen zu können.

Fielmann ist beim Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV, zum geschätzten Gewinn der kommenden zwölf Monate) niedriger bewertet als im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre.

Ein ähnliches Bild zeigt die Relation von Unternehmenswert und Ebitda (EV/Ebitda).

An der Börse gibt es kaum Unternehmen, deren Geschäftsmodell dem von Fielmann entspricht. Am Ähnlichsten ist der schwedische Omnichannel-Optiker Synsam. Allerdings bestehen auch hier Unterschiede: Synsam konzentriert sich auf die nordischen Länderund ist ausserdem deutlich kleiner.

EssilorLuxottica wiederum ist deutlich grösser als Fielmann und auf die Produktion von Brillen unter Marken wie Ray-Ban fokussiert. Verkauft werden die Produkte sowohl online als auch über Optikketten wie Apollo oder Luxoptica.

Mangels weiterer Brillenhersteller und -händler lohnt auch der Vergleich mit den Hörgeräteherstellern Sonova und Demant, ebenfalls Profiteure der alternden Gesellschaft. Das dänische Unternehmen Demant vertreibt seine Produkte weltweit. Die Schweizer Sonova ist in über 100 Ländern mit unterschiedlichen Marken wie Phonak, Unitron oder AudioNova präsent.

Im Vergleich zu den beiden nordischen Firmen ist Fielmann etwas höher bewertet. Allerdings bleiben die Prognosen für das Umsatzwachstum für Demant für 2025 und 2026 (0% und 5%) hinter denen von Fielmann zurück (9% und 5%). Auch beim geschätzten Gewinn je Aktie liegt Fielmann für 2025 mit 34% von den Analysten erwartetem Wachstum sehr weit vor Demant mit 2%. Synsam wiederum ist nicht so international aufgestellt wie Fielmann. Beides rechtfertigt einen gewissen Aufschlag.

Fazit: Fielmann profitiert vom wachsenden Brillenmarkt und baut diese Position weiter aus: Sei es mit einem effizienteren Ablauf in den Filialen in Europa, sei es durch die Expansion in die USA. Dazu kommt die Resilienz gegen US-Zölle. Die Aktie profitiert, wenn dort das hierzulande bewährte Fielmann-Rezept aufgeht. Sollte das nicht so schnell wie angepeilt funktionieren, kann Fielmann Vorteile aus seiner sehr guten Marktposition in Deutschland ziehen und indirekter Nutzniesser einer Finanzwende sein, welche die hiesige Konjunktur ankurbelt.

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