Mittwoch, November 6

Annalena Baerbock hat Menschen bewirtet, die das Land hassen, dessen Sicherheit angeblich deutsche Staatsräson ist. Ihre Taktik, das Abendessen zu vertuschen, wird zum Skandal im Skandal.

Es ist kein Jahr her, da haben die Grünen wieder einmal ihre Vorstellung von Transparenz in der Politik kundgetan: «Gute Politik braucht den lebendigen Dialog zwischen Politiker*innen und den vielen gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Interessen mit ihren vielfältigen Praxiserfahrungen und Perspektiven. Der muss aber transparent und offen sein und darf nicht hinter verschlossenen Türen stattfinden.» So steht es auf der Website der grünen Bundestagsfraktion in einem grundsätzlich und auch an Eigenlob nicht knapp gehaltenen Text.

Die Transparenz soll aber offenbar nur für andere gelten. Kein Minister mauert in der sich nun unsanft dem Ende zuneigenden Ampelregierung so sehr wie die Grüne Annalena Baerbock. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist ein Dinner, bei dem die Aussenministerin am 12. September 19 Leute bewirtete.

Es gab Fingerfood für 661 Euro 50, ein paar Flaschen Softdrinks und Wasser, knapp 1900 Euro hat der Abend gekostet. Die Problematik liegt nicht in den Kosten begründet. Sondern, erstens, in den Gästen, von denen man bis jetzt weiss, dass sie teilgenommen haben, und, zweitens, in Baerbocks strikter Geheimhaltung der weiteren Gäste; wie auch und zunehmend in der Begründung der Geheimhaltung.

Ein Abend gegen die «Sprachlosigkeit»

Zu den Gästen ist zu sagen, dass der Abend im Auswärtigen Amt über Monate hinweg geplant wurde. Bereits im Mai entstand ein internes Papier: «Konzept Nahost-Salon». Ziel des Abends sollte es sein, «Sprachlosigkeit zwischen Lagern zu überwinden». Unklar ist, warum das Auswärtige Amt glaubte – und womöglich glaubt es das immer noch –, dass derlei Gesprächsrunden zu seinem Aufgabengebiet gehören.

Jedenfalls herrscht zumindest im politisch-medialen Berlin eher mehr Sprachlosigkeit, seit einige Teilnehmer des Abends bekannt machten, dass sie bei der Aussenministerin zu Gast waren. Zum Beispiel Alena Jabarine: Die freie Journalistin machte nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 die Opfer zu Tätern, verbreitet in der Hardcore-palästinensischen Community munter Verschwörungstheorien («auf keinen Fall deutsche Medien konsumieren»), insinuiert Vergleiche zwischen dem nationalsozialistischen Deutschland damals und Israel heute und wird bisweilen direkt antisemitisch, wenn sie zum Beispiel Karikaturen verbreitet, auf denen Juden so aussehen, wie sie dereinst im «Stürmer» dargestellt worden sind.

Mit dabei war auch Emilia Roig, eine Aktivistin, die die radikale «woke» Ideologie der sogenannten Intersektionalität vertritt. Ihr Hass auf Israel ist legendär – allwissend in Bezug auf die vermeintlichen Fehler des Landes, aber noch nie im Land gewesen. Selbst im «Spiegel», einem Magazin, das Israel oft an der Grenze dessen kritisiert, was als legitime Kritik an Land und Regierung noch akzeptabel ist, wurde Roig Antisemitismus nachgewiesen und vorgeworfen.

Feministinnen, denen zu jüdischen Opfern nichts einfällt

Jabarine und Roig sind laute Stimmen im politischen Diskurs. Sie veröffentlichen ihre Gedanken permanent auf Instagram und sind eng eingebunden in ein fragwürdiges, weil radikales Netzwerk, das die Aussenministerin umgibt. Unter ihnen sind vor allem Feministinnen, die andauernd Opfer in Gaza beklagen, aber keinen Kommentar dazu abgegeben haben, dass Hamas-Terroristen israelische Frauen zu Tode vergewaltigt haben, als Sexsklaven entführt und unter dem Applaus Tausender Zivilisten öffentlich vorgeführt haben.

Benötigen solche Aktivistinnen wirklich «einen Raum», in dem «Sprachlosigkeit überwunden» wird, wie das Amt sein Projekt intern im typischen Grünen-Duktus anpries? Vor allem: Warum haben Personen, die Israel hassen und deren Aussagen immer wieder ins Antisemitische kippen, einen Platz am Tisch der deutschen Aussenministerin und Zugang zu einer Spitzenbehörde des Landes? Während man im Innenministerium an Vorschlägen arbeitet, wie Hamas-Freunde ausgeschafft werden können, lädt das Aussenministerium Personen mit nicht wesentlich anderen Positionen zum Abendessen ein.

Weitere Gäste, deren Teilnahme inzwischen bekannt ist, sind der Musiker Michael Barenboim, der Präsident der Freien Universität Berlin Günter Ziegler und der Philosoph Omri Boehm. Das Auswärtige Amt wird nicht müde, darauf hinzuweisen, dass Gäste aus «sowohl jüdischen als auch muslimischen Gemeinschaften» dabei waren. Die bisher bekannten Teilnehmer, die jüdisch sind oder aus Israel kommen, sind allerdings alle als härteste Kritiker des Staates oder seiner Politik bekannt.

«Unser Freund von der Hamas»

Als Omri Boehm zum Beispiel vor wenigen Monaten eine Rede in Wien hielt, sorgte das für massiven Streit. Ein Sponsor der Veranstaltung sprang ab. Auch das Wiener Jüdische Museum sagte die Kooperation ab. Darüber berichtete unter anderem die «TAZ». Kritiker haben Boehm zuvor Israelfeindlichkeit, selbst Relativierung des Holocaust vorgeworfen. Bei der deutschen Aussenministerin ist Boehm willkommen – und dient schlimmstenfalls als eine Art Feigenblatt: Seht, auch jüdische, selbst israelische Personen waren zu Gast!

Waren auch Vertreter des jüdischen Lebens eingeladen, die die Sorgen und Ängste vieler jüdischer Gemeinden seit dem 7. Oktober 2023 widerspiegeln? Eine stichprobenartige und unvollständige Umfrage unter jüdischen Institutionen in Deutschland verlief bisher negativ.

Anwesend bei Baerbocks Dinner war unterdessen auch Luise Amtsberg, Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung und eine Parteifreundin der Aussenministerin. Amtsberg hat erst im Oktober mit dem aktivistischen Journalisten Tilo Jung ein langes Gespräch geführt. Jung ist vor allem dafür bekannt, im Gazastreifen einst ein Interview mit Terroristen geführt zu haben, von denen er einen als «unseren Freund von der Hamas» bezeichnete.

Bereits vor dem Abendessen unternahm das Team der Ministerin alles Mögliche, um die Teilnehmer geheim zu halten. In den internen Unterlagen heisst es mehrfach: «Alle Teilnehmenden sind ausdrücklich auf vollkommene Vertraulichkeit des Austauschs hingewiesen worden.»

Nun, da mehrere Redaktionen versuchen, die Namen der Gäste zu recherchieren, verweist das Amt auf «Sicherheitsinteressen der Teilnehmer». Damit setzt es das Erleben von Muslimen und Juden auf eine problematische Weise gleich. Ja, beide Gruppen sind von Diskriminierung betroffen, und beides ist unerträglich. Gleichzeitig aber sind Juden, insbesondere seit dem Terrorangriff auf Israel und gerade in Deutschland, massiven verbalen und teilweise körperlichen Angriffen ausgesetzt. Beschmierte jüdische Kindergärten, Attacken gegen einzelne Personen und grosse Demonstrationen, an denen immer wieder das Ende Israels oder gar das Ende der Juden gefordert wird, sind Alltag in Deutschland. Und: Viele der Angreifer und Demonstranten sind Muslime.

Unredliche Gleichsetzung von Muslimen und Juden

Zum Vergleich: Keine einzige jüdische oder israelische Demonstration in Deutschland hat jemals zum Hass aufgerufen; es ist kein oder nahezu kein Fall bekannt, in dem ein Jude einen Muslim angegriffen hätte. Die Gleichsetzung der beiden Gruppen in Baerbocks Argumentation wie auch in dem Konzept für ihr Abendessen ist deshalb unredlich.

Ein zweites Argument für die strikte Geheimhaltung, so erklärt es das Auswärtige Amt, seien «die Sicherheitsinteressen» Deutschlands sowie ein möglicher «Reputationsverlust der Bundesrepublik». Dieser Hinweis allerdings macht es nicht weniger, sondern nur noch mehr dringlich, zu erfahren, wer bei der Ministerin alles zu Tisch sass.

Während die Aussenministerin mauert, schickte sie in diesen Tagen einen Abgesandten aus ihrem engsten Zirkel zur Verleihung des Shimon-Peres-Preises in Berlins Rotem Rathaus. Den Preis erhielten israelische Organisationen. Der von Baerbock entsandte Staatssekretär Tobias Lindner, ebenfalls ein Grüner, fand, wie immer, die richtigen Worte, auf die aber zu selten die richtigen Taten folgen. Er erinnerte an die «historische Verantwortung» Deutschlands und mahnte: «keine Toleranz für Hass.»

Ausser es gibt ein Abendessen im Auswärtigen Amt.

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