Freitag, Oktober 18

Mit Alexander Stubb haben die Finninnen und Finnen den ehemaligen Ministerpräsidenten zum Präsidenten gewählt. Doch nicht nur die politische Erfahrung spielte bei der Wahl eine Rolle.

Der neue Präsident Finnlands ist das Gegenteil von dem Bild, das die Finnen von sich selbst haben. Alexander Stubb – 55 Jahre alt, Finnlandschwede und Mitglied der konservativen Sammlungspartei – gilt als sprachgewandt und sozial, als jemand, der gerne netzwerkt und der souverän auftritt. Eigenschaften, die ein Präsident gut gebrauchen kann.

In der Stichwahl am Sonntag holte Stubb 52 Prozent der Stimmen und besiegte damit den Kandidaten der grünen Partei, Pekka Haavisto. Stubb wird die Nachfolge von Sauli Niinistö antreten. An der Medienkonferenz am Sonntag sagte Stubb, dass er es als seine Aufgabe sehe, «Finnland in die Welt zu tragen».

Als Ministerpräsident gescheitert

Stubbs politische Karriere in Finnland begann durch einen Zufall. 2008 musste der damalige Aussenminister Ilkka Kanerva zurücktreten, weil er etwas zu intime Nachrichten mit einer erotischen Tänzerin ausgetauscht hatte. Stubb sass zu dieser Zeit im EU-Parlament in Brüssel und hatte keinerlei Erfahrung mit finnischer Politik. Nach Kanervas Rücktritt ging es plötzlich schnell: 24 Stunden später war Stubb Aussenminister.

Er ist nicht nur ein glühender Befürworter der EU, sondern sprach sich schon damals für einen Nato-Beitritt Finnlands aus. Damit gehörte er damals zu einer kleinen Minderheit von etwa 20 Prozent. Das kollektive Umdenken fand erst 2022 statt, als Russland in die Ukraine einfiel. Als Aussenminister handelte sich Stubb den Ruf eines Schnelldenkers ein. Was bei einigen für Bewunderung sorgte, brachte Stubb auch Kritik ein. Es heisst, dass er oft zuerst spreche, bevor er nachdenke.

2014 wurde er zum Ministerpräsidenten gewählt, und in Finnland herrscht breite Einigkeit darüber, dass er in dieser Funktion versagt hat. Das sagt auch Stubb selbst. Für Unmut sorgte nicht nur sein Auftritt in kurzen Hosen und Sandalen an einer Medienkonferenz über die Situation in der Ukraine. Schwerer wog, dass Stubb – damals auch Chef der konservativen Sammlungspartei – orientierungslos wirkte und innerhalb seiner Regierung und Partei in die Kritik geriet. Unter ihm scheiterte unter anderem eine geplante Gesundheits- und Sozialreform. Das Thema begleitet Finnland bis heute.

Nach nur knapp einem Jahr räumte Stubb seinen Posten als Ministerpräsident und wurde Finanzminister. 2016 musste er als Parteichef zurücktreten und kehrte der finnischen Politik für eine Weile den Rücken, um als Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank in Luxemburg zu arbeiten. Eine von Stubbs schärfsten Kritikerinnen war seine Parteikollegin und die heutige Aussenministerin Elina Valtonen. Sie war es, die Stubb 2016 als Parteichef herausforderte. Gewählt wurde schliesslich der heutige Ministerpräsident Petteri Orpo. Das Trio Stubb, Orpo und Valtonen wird nun die finnische Aussenpolitik führen.

Sexuelle Orientierung als Kriterium für Nichtwahl

Für das Wahlergebnis waren nicht nur die politischen Positionen oder die aussenpolitische Erfahrung der beiden Kandidaten ausschlaggebend. Der zweite Kandidat, Pekka Haavisto, ist seit 27 Jahren mit Antonio Flores liiert. Offenbar haben in Finnland, das noch vor kurzem den Ruf eines weltoffenen Wohlfahrtsstaates hatte, ziemlich viele Bürgerinnen und Bürger ein Problem mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften.

40 Prozent von Stubbs Wählern gaben in einer Umfrage von «Helsingin Sanomat» an, dass Haavistos sexuelle Orientierung für einen Präsidenten unpassend sei. Für 30 Prozent war dies sogar der wichtigste Grund, Haavisto nicht zu wählen. Eine Umfrage der Universität Helsinki war bereits zuvor zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen. Demnach war für einen Drittel des Stimmvolkes Haavistos Partner Flores der Grund, ihn nicht zu wählen.

Alexander Stubb wird in den nächsten sechs Jahren eine wichtige Aufgabe übernehmen. Finnland ist erst gerade der Nato beigetreten und muss seine Rolle im Militärbündnis noch finden. Der Präsident leitet in Finnland die Aussenpolitik und ist oberster Chef der Armee. Hinter der 1340 Kilometer langen Ostgrenze steht ihm der russische Präsident Wladimir Putin gegenüber. Es bleibt zu hoffen, dass Stubb als Präsident noch durch andere Qualitäten punkten kann als durch die Beziehung mit einer Frau.

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