Wer nachhaltig speisen will, sollte Lachs meiden. Andere Fische und Meeresfrüchte sind unbedenklicher. Ein Leitfaden für einen umweltbewussten Konsum.
Leserfrage: Welchen Fisch und welche Meeresfrüchte kann ich noch mit gutem Gewissen essen?
Ernährungsgesellschaften empfehlen, pro Woche ein bis zwei Portionen Fisch zu essen, um den Bedarf an Omega-3-Fettsäuren und anderen Nährstoffen zu decken. Aber woher soll man so viel Fisch nehmen? Im Sommer sorgte eine australische Studie für Aufsehen. Sie zeigte, dass die jährliche Erhebung der Fischbestände regelmässig zu optimistisch ausfällt. Laut den Ergebnissen sind 50 Prozent der Bestände weltweit überfischt.
Lange hielt man die Fischzucht für eine gute Lösung. Sie deckt mittlerweile gut die Hälfte der weltweiten Nachfrage ab. Bald merkte man aber, dass sie die Überfischung nicht mindert und zudem neue Probleme schafft. Viele kennen die Bilder der riesigen Zuchtfarmen, in denen sich Hunderttausende Fische auf engem Raum in Käfignetzen im Meer tummeln. Krankheiten und Verletzungen machen den Tieren zu schaffen. Ihre Exkremente, Medikamente und Krankheitserreger strömen ins Meer und belasten die bedrohten Wildfische zusätzlich.
Ein grosses Problem ist zudem die Fütterung: Räuberische Fische wie Dorade und Lachs fressen andere Fische. Deshalb werden 22 Prozent der wild gefangenen Fische an Zuchtfische verfüttert.
Aber es gibt auch positive Beispiele der Zucht. Miesmuscheln und Austern müssen nicht gefüttert werden, sie filtern das Wasser, und ihre Ernte stört das Ökosystem wenig. Auf wild gefangene Muscheln sollte man dagegen verzichten, weil beim Fang meist der ganze Meeresboden umgepflügt wird. Die biozertifizierte Schweizer Fischzucht hat ebenfalls einen guten Ruf. Hier sollte man aber auf Fischarten setzen, die nur wenig oder keinen Fisch im Futter brauchen, wie Karpfen, Wels, Pangasius oder Forelle. Wem das Tierwohl besonders am Herzen liegt, kann Wildfisch aus Schweizer Gewässern essen. Allerdings deckt das nur einen winzigen Teil der Nachfrage.
Die deutsche Verbraucherzentrale publiziert jedes Jahr eine Liste mit Meeresfischen und Meeresfrüchten, die man mit gutem Gewissen essen kann. Seit der letzten Aktualisierung Ende 2024 stehen auf der Liste, die «Guter Fisch» heisst, aber nur noch neun Fischarten, zum Beispiel Flunder und Scholle aus der Ostsee, weisser Thun aus dem Indischen Ozean, hinzu kommen Miesmuscheln aus der Zucht.
Der Meeresbiologe Rainer Froese vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (Geomar) hat die Liste initiiert. Er sagt: «Ausschlaggebend für eine Aufnahme ist nicht nur die Bestandsgrösse, sondern auch die Fangmethode. Zudem werden nur Fische aufgenommen, die in Deutschland in relevanten Mengen gegessen werden.» Fische aus Aquakulturen werden bewusst nicht aufgeführt. «Die Belastung der Umwelt ist zu gross. Zudem essen die Leute vor allem Raubfische wie Lachs und Dorade, aber da geht mehr Fisch rein, als rauskommt», sagt Froese.
Der WWF sieht es pragmatischer. Er arbeitet für die Liste mit dem Geomar zusammen. Er publiziert aber noch einen «Fischratgeber». Dieser ist viel umfangreicher. Man findet dort auch Fische, die nur zweite Wahl sind oder die ganz gemieden werden sollten. Und es werden auch Fische aus zertifizierten Zuchtbetrieben empfohlen.
Nachhaltigkeit ist meist nicht nachvollziehbar
Das Problem beider Listen ist, dass sie im Alltag nicht unbedingt weiterhelfen. Im Laden sind die Informationen zu Fanggebieten und -methoden oft ungenau. Zum Beispiel steht auf einer Thunfischdose, der Fisch sei mit «Haken und Leinen» gefischt, was auch die nicht akzeptablen Langleinen einschliesst. Bei dieser Technik sterben häufig Tiere, die der Fischer gar nicht fangen wollte. Als akzeptabel gelten nur Handleinen und Angelleinen.
Da eine genaue Beurteilung oft nicht möglich ist, empfiehlt der WWF, kleinere Fische zu essen, weil sie weniger anfällig für die Überfischung seien, und auf Bio- und Umweltsiegel (MSC, ASC) zu achten. Diese gewährleisten ein Mindestmass an Nachhaltigkeit. Das ASC-Siegel ist für die Zucht, was das blaue MSC-Siegel für die Fischerei ist. Darüber hinaus gibt es für die Zucht Bio-Labels, bei denen noch strengere Kriterien gelten.
Allerdings wird der Marine Stewardship Council (MSC) oft für seine laxen Kriterien kritisiert. Die Grenzwerte für eine nachhaltige Fischerei seien zu tief angesetzt, sagt der Geomar-Forscher Froese. Er würde auch gern kleinere Fische für den menschlichen Verzehr vorschlagen, aber das gehe nicht. «Die Bestände von Hering, Sardine oder Sardellen sind zwar absolut grösser als zum Beispiel Kabeljau-Bestände, aber sie werden trotzdem überfischt.»
Wem es also ums gute Gewissen geht, der hält sich besser an die kurze Liste der Verbraucherzentrale und isst Fisch nur selten. Wer gelegentlich auch einmal andere Fische wie Dorade oder Meeresfrüchte wie Garnele geniessen will, kann sich an den WWF-«Fischratgeber» halten und Produkte wählen, welche die für eine Beurteilung relevanten Informationen auch wirklich aufführen.