Sonntag, September 8

Flugzeughersteller wie Pilatus und Dassault blicken auf glänzende Jahre zurück. Die Preise für gebrauchte Privatjets sind aber ins Rutschen geraten. Und auch der Klimaschutz könnte dem ultimativen Luxus über den Wolken gefährlich werden.

Käufer von Privatjets haben besondere Ansprüche. Zu den wichtigsten Kriterien gehört für solche Personen, die meist sowohl beruflich als auch privat viel unterwegs sind, wie weit ein Flugzeug ohne Zwischenlandung fliegen kann. Von Genf, London oder Paris nonstop nach Dubai fliegen zu können, gilt dabei als Mindestreichweite. Reiche Inder oder Chinesen machen in der Regel noch grössere Distanzen zur Bedingung.

Pilatus offeriert für den PC-24 mehr Leistung

Auch die Frage, wie viel Gepäck geladen werden kann, spielt eine wichtige Rolle. Personen, die mehrere Millionen Dollar für die Anschaffung eines Jets sowie gut und gerne 1000 Franken pro Flugstunde zahlen können, reisen nicht nur mit Handgepäck. Neben einer grossen Garderobe nehmen sie gerne auch Haustiere oder Sportausrüstungen wie Ski und Velos mit.

Der Schweizer Flugzeughersteller Pilatus offeriert für die neuste Version seines Geschäftsflugzeugs PC-24 300 Kilo mehr Ladegewicht und – bei der Reichweite – 200 zusätzliche nautische Meilen, umgerechnet 370 Kilometer. Das sei eine substanzielle Steigerung und komme im Markt gut an, sagt Markus Bucher, der die Geschäfte der Firma bereits seit 2013 führt. Zusammen mit anderen Vertretern der Branche ist er diese Woche nach Genf gereist, um bestehende und potenzielle Kunden zu treffen.

Doppelbett in der Kabine

Jeweils im Spätfrühling findet am Genfer Flughafen während dreier Tage das Stelldichein der Geschäftsfliegerei in Europa, die Messe Ebace, statt. Die verwöhnte Klientel von Privatjets Jahr für Jahr von neuem zu beeindrucken, ist eine Herausforderung. An den Ständen in den Messehallen der Palexpo präsentieren Flugzeughersteller Teile der Kabine neuer Modelle in Originalgrösse. Besucher werden mit Champagner und feinen Häppchen verwöhnt. Zudem lassen sich ganze Flugzeuge und Helikopter für den privaten Gebrauch auf dem Rollfeld begutachten.

Die Ausstattung der Kabine spielt beim Kaufentscheid ebenfalls eine zentrale Rolle. Für nicht wenige Kunden, so hört man in der Branche, sei sie gar das wichtigste Kriterium. So überrascht es nicht, dass der französische Flugzeughersteller Dassault Aviation an einer Medienkonferenz nicht nur herausstreicht, dass sich sein neuer Privatjet vom Typ Falcon 6X durch «Ruhe, einen angenehmen Druck und Helligkeit in der Kabine» auszeichne. «Das Flugzeug ist auch geräumig», schwärmt der Leiter der Sparte Civil Aircraft, Carlos Brana. «Wer will, kann sich nach der Arbeit auf einem ziemlich breiten Bett ausruhen.»

Der Falcon 6X erhielt im vergangenen August die lang ersehnte Zertifizierung. Es habe eine Weile gedauert, räumt Brana ein. Mit dem neuen Flugzeug lassen sich ohne Zwischenstopp Strecken zwischen Europa und dem Nahen Osten oder innerhalb Nord- und Südamerikas zurücklegen. Das erste Exemplar wurde im Februar dem Zürcher Unternehmen Cat Aviation ausgeliefert, das auf Charterflüge mit Privatjets spezialisiert ist und in diesem Markt in Europa zu den führenden Anbietern zählt.

Zukunftsmarkt Asien

Die Firma Dassault, die nach einer langen Durststrecke dank zusätzlichen Bestellungen für ihren Kampfjet Rafale auch in der militärischen Luftfahrt Auftrieb verspürt, verspricht sich vom Falcon 6X gute Absatzchancen. Zudem arbeitet sie an der Entwicklung eines noch grösseren Privatjets für die Bedienung von Langstrecken, des Falcon 10X. Sie hofft, damit dereinst auch den asiatischen Markt besser bedienen zu können.

Noch ist Asien für die Hersteller von Privatjets von untergeordneter Bedeutung. Mit Abstand am gewichtigsten sind als Absatzmarkt die USA. Fast zwei Drittel der 24 000 düsengetriebenen Geschäftsflugzeuge sind in Amerika immatrikuliert. Der zweitwichtigste Markt – mit fallender Tendenz – ist Europa.

Weniger Nachfrage aus Deutschland

Pilatus verzeichnete 2023 ein weiteres Rekordjahr. Der Umsatz stieg um 10 Prozent auf 1,5 Milliarden Franken. Der Bestelleingang erreichte ebenfalls 1,5 Milliarden Franken, bildete sich gegenüber dem Vorjahr aber um 7 Prozent zurück. Das Unternehmen bekommt verstärkt die Konjunkturschwäche in Europa zu spüren. So hat sich jüngst die Nachfrage nicht nur aus dem kriselnden Deutschland, sondern auch aus den Benelux-Staaten abgeschwächt.

Asien bildet für Pilatus ebenfalls noch einen kleinen Markt und trägt weniger als 10 Prozent zum Konzernerlös bei. Generell werde Asien aber immer wichtiger, sagt Bucher. Einer starken Nachfrage erfreuten sich Geschäfte in Indien. Der Konzernchef von Pilatus weist zudem darauf hin, dass China im zurückliegenden ersten Quartal den Luftraum für die Geschäftsfliegerei geöffnet habe. Auf diesen Schritt musste die Branche lange warten.

Die gesamte Branche der Privatjet-Hersteller blickt auf mehrere glänzende Jahre zurück. Bucher erklärt sich dies damit, dass wohlhabende Personen seit der Pandemie noch stärker als zuvor die Vorzüge des Reisens abseits der Massen entdeckt hätten. «Die verbreiteten Verspätungen bei Linienflügen schrecken viele ab. Auch die überfüllten Terminals vieler Flughäfen wirken alles andere als einladend.»

Occasionen werden günstiger

Die Auftragsbücher der Hersteller von Privatjets, zu denen auch die US-Konzerne Textron (Cessna, Beechcraft) und General Dynamics (Gulfstream) sowie der kanadische Anbieter Bombardier und Embraer aus Brasilien zählen, waren in den vergangenen Jahren derart gut gefüllt, dass man sich in der Branche gegenseitig kaum weh tat. Mittlerweile machen sich die meisten Anbieter aber auf einen Abschwung gefasst. «Der Wettbewerb wird zurückkommen. Wir sind nicht mehr weit davon entfernt», sagt Bucher überzeugt.

Pilatus konnte den Preis für die neuste Version des PC-24 nochmals erhöhen. Er beträgt nun 13,5 Millionen Dollar. Vor zehn Jahren, als das Flugzeug erstmals an der Messe Ebace zum Kauf angeboten worden war, waren es 8,9 Millionen Dollar gewesen – rund ein Drittel weniger. Im Geschäft mit gebrauchten Jets sind die Preise aber bereits ins Rutschen geraten. Am stärksten seien die Nachlässe bei älteren Flugzeugen, sagt Bucher.

Verunsicherung vor den US-Wahlen

Für Nervosität sorgen in der Branche neben den Zinserhöhungen, welche die Finanzierung auch von Flugzeugen deutlich teurer gemacht haben, die bevorstehenden Wahlen in einer Reihe grosser Absatzmärkte – insbesondere in den USA. Man habe in fast jedem US-Wahljahr eine Verschlechterung bei der Stimmung unter potenziellen Käufern von Privatjets gesehen, konstatiert Rolland Vincent vom Marktforschungsunternehmen Jetnet. «Viele Kunden warten in solchen Zeiten lieber ab, als ihr Checkbuch zu zücken.»

Kein Thema mehr für die Branche ist Russland. Wohlhabende Russen, denen ihre Jets nicht luxuriös genug sein konnten, hatten manchen Herstellern bis zum Kriegsausbruch in der Ukraine lukrative Aufträge verschafft. Nun könnten keinerlei Flugzeuge mehr in Russland verkauft werden, sagt Vincent. Der Wegfall von Geschäften mit russischen Kunden hat, wie aus Branchenkreisen zu vernehmen ist, Bombardier am stärksten getroffen.

Zu wenig Biotreibstoff

Mittel- bis langfristig droht der Branche wohl am meisten Gegenwind wegen umweltpolitischer Auflagen. Die Geschäftsfliegerei ist insgesamt nur ein kleiner Verursacher von CO2-Emissionen. Aber sie sieht sich, wie Branchenvertreter an der Ebace noch und noch beklagten, zunehmend im Visier von Umwelt- und Klimaschützern. Diese würden Flugreisen – und erst recht solche von kleinen Grüppchen in Privatjets – am liebsten verbieten.

Zwar hofft die Branche, mit speziell für die Luftfahrt entwickelten Biotreibstoffen ihren guten Willen bei der Verringerung von CO2-Emissionen unter Beweis stellen zu können. Das Problem ist jedoch, dass die Nachfrage nach solchem Flugbenzin das Angebot bei weitem übersteigt. Noch in weiter Ferne befinden sich – trotz intensiven Forschungsanstrengungen vieler Flugzeughersteller und Startups – klimafreundlichere Antriebsarten wie Hybrid-, Elektro- und Wasserstoffmotoren.

«Viele Regulatoren wissen nicht einmal, was wir alles tun, um unsere Umweltbilanz zu verbessern», sagte Holger Krahmer, der neue Generalsekretär des europäischen Branchenverbands EBAA. Der ehemalige deutsche FDP-Abgeordnete im EU-Parlament gestand zugleich ein, dass sich die Geschäftsfliegerei in der Vergangenheit politisch zu wenig Gehör verschafft habe. «Wir waren eine ruhige Branche.» Dies könnte sich nun rächen. Bloss schwerreichen Kunden nachzurennen und Antworten auf deren vielfältige Wünsche zu suchen, dürfte das Geschäft mit Privatjets langfristig nicht sichern.

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