Mittwoch, Januar 22

Sie sind die reichsten Klubs Europas – doch in der Champions League leiden Paris Saint-Germain und Manchester City an einem Parvenü-Komplex. Im Direktduell vom Mittwoch gilt für beide Vereine: verlieren verboten.

Die Champions League kommt in dieser Saison in einem neuen Format daher, und wie immer bei Neuem kam zunächst einmal Kritik auf: Es fehlten jede Übersichtlichkeit und die Vergleichbarkeit, war zu hören. Und überhaupt, im Mammutfeld von 36 Teilnehmern würde die Ligaphase doch erst recht zum Spaziergang für die Favoriten verkommen. Doch, heureka: Schon vor dem vorletzten Spieltag zeitigte die Erfindung einen beachtlichen Knalleffekt.

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Im Pariser Prinzenpark trifft am Mittwochabend (ab 21 Uhr) der 25. der Tabelle, Paris Saint-Germain, auf den 22., Manchester City. Wer verliert, dürfte es am letzten Spieltag kaum mehr in der eigenen Hand haben, wenigstens die Play-offs der ersten 24 Teams zu erreichen. PSG könnte bei einer Niederlage bereits am Mittwoch ausscheiden.

Die aus Katar subventionierten Franzosen haben in sechs Spielen erst sieben Punkte gewonnen. Mit Gegnern wie Arsenal, Atlético Madrid und dem FC Bayern wurden sie dabei auch Opfer der im neuen Modus tückischeren Auslosung. Der PSG-Coach Luis Enrique, der wie sein Gegenüber und früherer Mitspieler Pep Guardiola die Trainerkarriere in der zweiten Mannschaft des FC Barcelona begann, sagte vor dem «besonderen und besonders wichtigen Match»: «Ich glaube, keiner konnte vorhersagen, dass sich PSG und City in so einer Situation befinden würden.»

PSG und Manchester City reagieren mit Frust-Shopping auf ihre Krisen

Die aus Abu Dhabi alimentierten «Citizens» haben bisher nur einen Punkt mehr errungen. Das im Alltag über viele Jahre unangreifbare Guardiola-Team durchlebte vor Weihnachten eine geradezu unheimliche Baisse. Ein Imperium wankte, wie man das im heutigen Spitzenfussball kaum noch zu erleben dachte. Während wettbewerbsübergreifend dreizehn Partien mit nur einem Sieg purzelte das verunsicherte Team von Manchester City auch in der Champions League gefährlich die Tabelle herunter.

Auf ihre Krisen reagierten beide Klubs jüngst nach bewährter Manier: mit Frust-Shopping: Der PSG kaufte für 75 Millionen Euro den georgischen Flügelkünstler Khvicha Kvaratskhelia von der SSC Neapel. City gönnte sich für insgesamt 150 Millionen Euro die Verteidigertalente Abdukodir Khusanov (Lens) und Vitor Reis (Palmeiras) sowie den Angreifer Omar Marmoush (Frankfurt), wobei der Transfer des Letzteren noch nicht bestätigt ist. In der Champions League werden die Neuverpflichteten Manchester City allerdings erst bei einem Einzug in die K.-o.-Phase von Nutzen sein. Während der Ligaphase dürfen Vereine keine neuen Spieler einschreiben.

Der Krisengipfel der Petrodollar-Klubs ist aber nicht nur Werbung für das reformierte Champions-League-Format – in ihm kulminiert auch ein mittlerweile schon rund zwei Dekaden währender Trend: Trotz ihren lange unbegrenzten Möglichkeiten – erst seit kurzem bedeuten Verschärfungen der Financial-Fairplay-Regeln zumindest eine gewisse Einschränkung – tun sich neureiche Investorenklubs ausgerechnet in der elitären Champions League noch immer schwer.

PSG hat trotz gesamthaft 2,3 Milliarden Euro Transferausgaben in der seit 2011 währenden Ära unter katarischer Führung noch nie die Königsklasse gewonnen. Manchester City, das seit der Übernahme durch das Emirat aus Abu Dhabi 2,7 Milliarden für neue Spieler ausgegeben hat, triumphierte nur einmal, im Jahr 2023. Und selbst der Chelsea FC, der 2003 vom Oligarchen Roman Abramowitsch übernommen worden war und bisher 3,65 Milliarden in Transfers investierte, war mit seinen zwei Titeln (2012, 2021) auf kontinentalen Spielwiesen weniger erfolgreich als in der Heimat.

Es scheint angebracht, von einem Parvenü-Komplex dieser Klubs zu sprechen – Pep Guardiola, der City-Trainer, hat das selbst oft genug angedeutet. Seit seinem Antritt im Jahr 2016 hat er immer wieder betont, dass sein Team nicht mit historischen Granden wie Real Madrid, Barcelona, Bayern München oder Liverpool verglichen werden dürfe. «Wir haben keine vergleichbare Geschichte im Rücken», erklärte er etwa, um den psychologischen Faktor verständlich zu machen.

Manchester City fehlte die Gewohnheit der grossen Nächte, das Know-how in Momenten der Hochspannung. Das wurde anfangs selbst gegen Aussenseiter wie Monaco, Tottenham oder Lyon deutlich. Später zeigte sich gegen Real Madrid mehrfach, wie Guardiolas Analyse zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung wurde. Gegen die Spanier brachen die «Citizens» entweder kurz vor dem Ziel zusammen, etwa im Jahr 2022. Oder sie konnten ihre haushohe Überlegenheit nicht in Tore ummünzen wie im vergangenen Jahr.

Auch PSG scheiterte in den Jahren 2018 und 2022 zwei Mal am Traditionsklub aus Madrid, bisweilen aber auch unter grotesken Umständen an vermeintlich kleineren Gegnern. 2019 verspielte der Klub aus Paris vor eigenem Publikum einen Zwei-Tore-Vorsprung gegen ein ersatzgeschwächtes Manchester United, in der letzten Saison bekam er im Halbfinal gegen den Aussenseiter Borussia Dortmund nicht einmal ein Tor zustande.

National ist Geld allenfalls in Ausnahmefällen zu bezwingen. Gelegentliche Blackouts können die Kolosse aber über 38 Spieltage kompensieren. In Frankreich ist es angesichts fehlender finanzieller Konkurrenz erstaunlich genug, dass PSG in der vergangenen Dekade zwei Meisterschaften verpasste; Monaco triumphierte 2017, Lille 2021. Auch heuer führt Paris Saint-Germain wieder souverän die Tabelle an.

In England war es die Liaison zwischen der Trainerlegende Guardiola und dem möglicherweise betrügerischen Einsatz grenzenloser Ressourcen, die den «Citizens» eine Dividende von sechs Meisterschaften in den vergangenen sieben Jahren bescherte. Doch wenn es in Europa ernst wurde, half selbst rücksichtsloses Investment nur bedingt.

Der verhinderte Aufstand gegen die Macht der Tradition

Der Befund lässt sich mit verblüffenden Zahlen erweitern. Die zehn europäischen Klubs, die seit 2012 die negativsten Transfersalden verzeichnen (also Ausgaben abzüglich Einnahmen), haben in diesem Zeitraum zusammen nur zwei Champions-League-Trophäen gewonnen. Noch vor Paris, Chelsea und Manchester City auf den Plätzen zwei bis vier hat Manchester United mit einem Minus von knapp 1,5 Milliarden Euro die schlechteste Handelsbilanz – erreichte in all den Jahren aber nicht einmal einen Halbfinal.

ManU verpulverte sein Geld allerdings in einem hysterischen Zickzack; seit 2013 gewann der Klub nie mehr das Championat. PSG und ManCity dagegen treten in der Champions League mit dem Rückenwind heimischer Dominanz an. Ihr kontinentales Dilettieren ist vor diesem Hintergrund umso bemerkenswerter. Sollte es einer der beiden Scheich-Klubs nun tatsächlich nicht unter die 24 besten Teams Europas schaffen, so wäre das der bisher spektakulärste Rückschlag im verhinderten Aufstand gegen die Macht der Tradition.

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