Die Sommerlatschen reizen Nerven, brechen Zehen, und manchmal morden sie auch.

Man sieht es ihnen nicht an. Die Flipflops verstecken ihre Arglist hinter dem verspielten Namen, tarnen ihre Heimtücke mit fröhlichen Farben, bemänteln ihre Niedertracht mit dem schlichten Design. Wegen ihrer simplen Bauweise gelten sie als Tanga unter den Fussbekleidungen. Was kann ein derart einfacher Schuh einem schon antun? Doch unsere Gutgläubigkeit wird gnadenlos bestraft. Vielleicht wären wir weniger naiv, wenn wir sie bei ihrem deutschen Namen nennen würden: Zehentrenner!

Wo Flipflops auftreten, kommt es früher oder später zu Sehnenentzündungen, Hautausschlägen, tauben Fusssohlen. Es gibt einen Grund, weshalb der Nervus peroneus profundus im Jargon der Mediziner Flipflop-Nerv heisst. Und selbst wem die Badeschlappe den Zeh bricht, sollte sich glücklich schätzen, denn manchmal trachtet sie uns auch nach dem Leben. Der Tod kommt auf lauten Sohlen.

Wer mit der Geschichte der Mode vertraut sei, schreibt Vaclav Smil in seinem Buch «Size. How It Explains the World», wisse: «Die Missachtung der Funktion – geleitet vom Versuch, sich selbst auszudrücken und andere zu beeindrucken – hat häufig Vorrang vor Komfort und Effizienz.» Was ihre Verbreitung betreffe, seien die Flipflops das Paradebeispiel für diese falschen Prioritäten: eine Verirrung des Schuhdesigns.

Dabei hatte vor 6000 Jahren alles so vielversprechend begonnen. Aus dieser Zeit stammen die ersten Zeugnisse von Zehensandalen in Form von ägyptischen Wandmalereien. Flipflops waren wohl die ersten Schuhe überhaupt und eine der nützlichsten Erfindungen der Menschheitsgeschichte. Den Körper dort zu schützen, wo er zwangsläufig immer wieder mit dem Boden in Berührung kommt, war ein grosser Schritt.

Fast jedes Volk, das in warmen Gegenden lebte, erfand seine eigenen Sandalen – aus Papyrus, aus Palmenblättern, aus Tierhäuten. Im antiken Griechenland verlief der Steg zwischen erstem und zweitem Zeh, im alten Rom zwischen zweitem und drittem, in Mesopotamien zwischen drittem und viertem. Abgesehen von diesen unterschiedlichen Positionen des Riemens verstrichen Jahrtausende ereignislos in der Geschichte der Flipflops.

Die Wende trat nach dem Zweiten Weltkrieg ein, als amerikanische und australische Soldaten sogenannte Zori aus Japan als Geschenke nach Hause brachten: Zehensandalen, häufig aus Reisstroh, später aus Gummi gefertigt. Sie waren in Japan besonders weit verbreitet, weil man dort die Schuhe immer auszieht, bevor man ein Haus betritt. Schuhe mit Schnürsenkeln, die man ständig hätte binden und lösen müssen, wären unpraktisch gewesen.

Vom Pool auf den Laufsteg

In den USA fasste die Neuheit aus Japan schnell Fuss. Zuerst in farbigen Versionen als Strandschuh. In dieser Zeit erhielt die Zehenpantolette, wie sie in Deutsch auch heisst, ihren auffälligen Namen: Flipflop nach dem typischen Geräusch der Sohlen. Dieses Geräusch ist so wichtig, dass am Nationalen Flipflop-Tag, der in den USA in diesem Jahr auf den 29. Mai fällt, «ausschliesslich Schuhe anerkannt werden, die beim Gehen einen Flipflop-Sound erzeugen und auf die Fusssohlen schlagen, wenn wir zum Strand oder zum Pool gehen».

Wenn Flipflops tatsächlich nur zwischen Strand und Pool zum Einsatz kämen, könnte man ihre Fehltritte als Ausrutscher abtun, doch mittlerweile machen sie nicht einmal mehr vor dem Laufsteg oder dem Weissen Haus halt. Die Schuhe von Surfern und Hippies haben den Alltag der Amerikaner erobert. In Brasilien wurden sie als Havaianas zu den charakteristischen Schuhen in den Armenvierteln. So richtig populär machten die Flipflops aber Anfang 2000er Jahre die Modemacher, als sie die billigen Zehensandalen zum Trend erklärten.

Der Kampf der Sittenwächter gegen Flipflops an Schulen und Hochzeiten blieb erfolglos. Im Sommer 2005 war es noch ein Skandal, dass die Frauen des Lacrosse-Teams der Northwestern University bei einer Einladung im Weissen Haus Flipflops trugen. Acht Jahre später wurde Barack Obama zum ersten Anführer der freien Welt, von dem ein Bild mit Flipflops geschossen wurde.

Der Aufstieg in die Luxusmode war nicht aufzuhalten. Heute brüstet sich die Manufaktur Toehold aus Las Vegas damit, am 4. Januar 2024 die teuersten Leder-Flipflops aller Zeiten verkauft zu haben: Ein Kunde liess sich ein Paar Badeschlappen aus der Haut eines himalajischen Krokodils 4588 Franken kosten. Dagegen gibt es die Flipflop Empire von Hermès zum Schnäppchenpreis von 970 Franken. Dafür muss man in Kauf nehmen, dass sie potthässlich sind.

Mit dem Erfolg des Armeleuteschuhs wurde allerdings auch klar, dass die Flipflops ein orthopädischer Albtraum sind. Die Liste möglicher Schäden ist lang: Verstauchungen, Fersensporne, Hammerzehen, Nervenstörungen, Sehnenentzündungen. Genaue Zahlen gibt es kaum, aber dass Google mehr als sechs Millionen Webseiten findet, in denen gleichzeitig die Begriffe Flipflops und Schmerz auftauchen, ist kein gutes Zeichen. Die Schuhe zwingen ihren Trägern einen unnatürlichen Gang auf. «Wenn man sich die Gesetze der Schwerkraft und des Gehens vergegenwärtigt, verstossen Flipflops gegen alle», mahnte ein amerikanischer Fussspezialist schon 2001.

In einer britischen Untersuchung wurde erhoben, dass im Jahr 2010 in Grossbritannien 200 000 Verletzungen auf das Tragen von Flipflops zurückzuführen waren. Damalige Kosten: 40 Millionen Pfund. Acht Jahre zuvor waren es erst 55 000 Verletzungen gewesen.

Laufen Japaner langsamer wegen der Flipflops?

Die Wissenschafterin Ko Tada vermutet sogar, dass sich das Tragen von Flipflops im Erfolg – oder besser Misserfolg – japanischer Athleten zeigt. In ihrer Masterarbeit von 1997 verglich sie die Gehverhalten von japanischen und amerikanischen Männern. Sie fand Unterschiede, die wohl daher rührten, dass die japanischen Männer im Gegensatz zu den Amerikanern als Kinder häufig Flipflops trugen – wie es in Japan üblich ist. Die Folgen: Japanische Männer gehen selbst barfuss so, als würden sie Flipflops tragen. Sie bremsen das Schwingen des Oberschenkels, weil sie gewohnt sind, aufzupassen, dass die Flipflops nicht davonfliegen.

Zudem neigten die Japaner dazu, den Fuss flach aufzusetzen, während die Amerikaner mit der Ferse abrollten. Vielleicht erkläre das, warum Japan in der Leichtathletik nur wenige Spitzenläufer habe, sagte Tada der «New York Times». Eine steile These aus einer Masterarbeit, die auf zehn Versuchspersonen beruht, aber dass Flipflops den Gang verderben, weil man sie bei jedem Schritt festkrallen muss, ist belegt. Die «Auswirkungen von Flipflops auf die Kinematik der unteren Gliedmassen beim Gehen» können alleine deshalb keine guten sein, weil sie Gegenstand einer medizinischen Facharbeit waren.

Der profane Sturz dürfte eine der Hauptgefahren der Flipflops sein, jedenfalls werden Seniorenfachstellen nicht müde, vom Tragen abzuraten. Wie viele Oberschenkelhälse auf ihre Rechnung gehen, ist ungewiss. Doch die Gefahr bedroht alle Generationen. In den Cinque Terre erzwangen Flipflop-Wanderer so viele Rettungseinsätze, dass die Behörden die Badeschuhe auf Wanderwegen verbieten. Wer erwischt wird, bezahlt bis zu 2500 Euro Busse. Damit könnte man sich glatt einen Krokodil-Flipflop von Toehold leisten.

Doch wie jede Gefahr ist natürlich auch diese für einige Dummköpfe Ansporn, das Risiko zu suchen. Zum Beispiel für den Youtuber Kevin Lee, der im Sommer 2023 verzweifelt um Aufmerksamkeit buhlte, indem er das 3600 Meter hohe Barrhorn im Kanton Wallis in Badehose und Flipflops bestieg. Hinunter schaffte er es nicht mehr allein. Ein Kollege musste ihm mit anderen Schuhen entgegengehen.

Ebenfalls im vergangenen Jahr absolvierte ein Läufer den Austin-Marathon in 3 Stunden 46 Sekunden – in Flipflops. Damit war er eine halbe Stunde langsamer als ein anderer Mann – ja, es sind immer Männer, die solche Dinge tun –, der in Crocs lief. Der bei «Guinness World Records» eingetragene 100-Meter-Rekord in Flipflops liegt übrigens bei 12,10 Sekunden.

Flipflops und Auto: ein Rezept für das Desaster

Das volle Potenzial der Verheerung entfalten Flipflops aber erst im Kontakt mit schweren Maschinen. Geeignete Partner sind Aufzüge, Rolltreppen und besonders Autos. Autounfälle mit der Beteiligung von Flipflops sind derart häufig, dass wir nur von den originellsten oder schrecklichsten erfahren. Von jener Frau etwa, die es vor einem Laden in Cohasset, Massachusetts, fertigbrachte, ihr SUV auf zwei parkierte Autos zu fahren, weil ihre Flipflops am Gaspedal hängen blieben. Oder von jenem britischen Playboy, der mit seinem Rolls-Royce in Mallorca durch das Schaufenster in einen Lebensmittelladen krachte.

Dann gibt es noch die tragischen Fälle: Der 66-jährige Motorradfahrer in Kaohsiung, Taiwan, drei Rentnerinnen in Voorheesville, New York, oder das neunjährige Mädchen in Manchester, England: alle gestorben an einem Flipflop zwischen den Pedalen. Wie viele Menschenleben der Schuh wirklich auf dem Gewissen hat, werden wir nie erfahren. Versicherungen erfassen Unfälle normalerweise nicht «in diesem Detaillierungsgrad», wie die Pressestelle der Axa schreibt.

Dass sich mit Flipflops die Reaktionszeit verlängert und der Druck auf das Bremspedal verringert, zeigt eine Studie aus dem Jahr 2016. Vor allem sehr lange Reaktionszeiten traten ausschliesslich bei Flipflops auf. In einigen Fällen dauerte es drei Sekunden, bis das Bremspedal voll getreten war.

Auch eine Umfrage der englischen Versicherungsgesellschaft Sheilas’ Wheels, die sich an Frauen richtet, identifizierte Flipflops als die häufigsten Unfallverursacher unter den Schuhwerken. Aus den Antworten von 1055 Fahrerinnen rechnete die Versicherung 2013 hoch, dass es in England zu 1,4 Millionen Autounfällen wegen ungeeigneter Schuhe kommen müsse – besonders wegen Flipflops. 27 Prozent der Befragten erinnerten sich an ein Missgeschick, das die Zehensandale verursacht hatte, 7 Prozent an einen Unfall oder einen Fastunfall.

Dass Menschen, die Flipflops tragen, nicht die hellsten sind, zeigt aber eine andere Zahl: 20 Prozent der Befragten gaben an, weiterhin in Schuhen zu fahren, die zuvor schon beinahe einen Unfall herbeigeführt hatten. Wahrscheinlich war es von Anfang an eine schlechte Idee, eine Maschine aus dem 20. Jahrhundert mit einem Schuh aus dem alten Ägypten zu bedienen.

In den meisten Ländern sind Flipflops zum Autofahren zwar nicht explizit verboten, aber wenn man in einen Unfall verwickelt wird, kann man trotzdem zur Rechenschaft gezogen werden. In Grossbritannien kann das den Gegenwert von zwei Krokodil-Flipflops kosten.

Das Ende der Popularität ist für Flipflops nicht in Sicht. Nicht nur weil die Schauspielerin Jennifer Lawrence am Cannes-Filmfestival im vergangenen Jahr beim Gang über den roten Teppich Flipflops trug, sondern auch, weil Bequemlichkeit und Preis – wenn es nicht Krokoleder sein muss – alle anderen Argumente schlägt. Das haben sogar jene Institutionen eingesehen, die beheben müssen, was der gefährlichste Schuh der Welt anrichtet. In den Spital-Packlisten für Patienten tauchen neben Impfausweis und Zahnbürste zuverlässig Flipflops auf.

Exit mobile version