Die Münchner müssen sich in Frankfurt mit einem 3:3 begnügen. Der Trainer Vincent Kompany fordert Ruhe. Der Spieler Thomas Müller sagt: «In dieser Krise befinde ich mich sehr gerne.»
Wie lange werden sie noch dauern, die Flitterwochen des FC Bayern und seines neuen Trainers Vincent Kompany? Fussball-Ästheten dürfte jedenfalls gefallen, was die Münchner gegenwärtig bieten, denn das ist bedingungslos offensiv. Auftreten wie ein Heimteam, das war die Devise der Bayern auch in Frankfurt beim vormaligen Tabellenzweiten, der selber grosse Ambitionen hegt.
Am Ende hiess es 3:3. Ein Match, in dem die Münchner alles zeigten, was sie in diesen Wochen auszeichnet – im Positiven, aber auch im Negativen. Engagiert, robust und äusserst dominant: Das sind die positiven Attribute. Doch es zeigte sich eben auch jene Anfälligkeit, die die Bayern binnen einer Woche zwei Siege kostete.
Die Gegner sind effizienter als die Bayern
Am Wochenende davor spielte der FC Bayern trotz drückender Überlegenheit nur 1:1 gegen den Meister Leverkusen, es war ein Match auf hohem Niveau, der eigentlich hätte gewonnen werden müssen. In der Champions League unterlagen die Münchner bei Aston Villa mit 0:1. Auch hier waren sie von den Spielanteilen her drückend überlegen, doch der Gegner war einfach effizienter.
Insofern war der Match gegen die Eintracht weit mehr als blosse Routine. Denn die Frankfurter präsentieren sich in blendender Verfassung, und dies offenbarte sich auch in der ersten Halbzeit: Schnell gingen die Münchner durch Kim in Führung, die Omar Marmoush, der zurzeit beste Mittelstürmer der Bundesliga, prompt ausglich.
Einen Rückstand durch Hugo Ekitiké konnten die Bayern noch vor der Pause durch Dayot Upamecano egalisieren. Als dann Michael Olise die Führung zum 3:2 gelang, sahen die Münchner wie die sicheren Sieger aus. Noch in der Nachspielzeit suchten sie das entscheidende vierte Tor. Dann durchkreuzte wiederum Marmoush die Pläne, mit einem rasanten Gegenstoss in der 94. Minute, bei dem er kaltblütig vollstreckte.
Was als Spitzenspiel angekündigt wurde, war mehr als nur das: Es war ein Spektakel. Und genau dieser Umstand dürfte der Bayern-Führungsetage einige Sorgen bereiten. Denn was der Trainer Vincent Kompany praktiziert, ist in seiner Bedingungslosigkeit in der Liga einzigartig. Und ebenso hoch ist das Risiko, das die Bayern eingehen.
Was allerdings für den Belgier spricht, ist die Stimmung innerhalb des Teams. Als Thomas Müller nach dem Spiel vor das Mikrofon des Senders Dazn trat, sagte er unverdrossen: «Frankfurt kann maximal vier Tore schiessen. Wenn wir es so 15 Mal spielen, werden wir es 13 Mal gewinnen. Es war ein Genuss, wie wir den Gegner eingeschnürt hatten.»
Ebenso überzeugt von der Spielanlage ist der Trainer selber. Kompany überbot Müllers Prognose, wonach dieses Spiel bei 15 Versuchen 13 Mal gewonnen würde: «Ich würde sagen: sogar 14 Mal», sagte Kompany. «Lasst uns einfach ganz ruhig bleiben. Was die Spieler gezeigt haben, war eine tolle Leistung.»
15 Spiele, 14 Siege?
Der Glaube daran, dass sich die Dinge fügen, ist in München also gross. Dass Fachleute diesen Spielstil durchaus diskutabel finden, versteht sich von selbst. Und Meinungen sind im Fussball nun einmal ziemlich volatil. Jüngst erst hatte Lothar Matthäus, Deutschlands renommiertester TV-Experte, den Fussball Kompanys in den höchsten Tönen gelobt. Matthäus verstieg sich sogar zu der Behauptung, das Bayern-Spiel sei besser als zu Zeiten Pep Guardiolas.
Nur kommen solche Urteile nicht selten aus einer Begeisterung, die dem Augenblick geschuldet ist. Denn was Kompany fehlt, um seine Idee vom Fussball ohne grosse Reibungsverluste auf den Platz zu bringen, ist gegen halbwegs ebenbürtige Gegner schlichtweg eine Verteidigung auf allerhöchstem Niveau.
Gegen Aston Villa mussten die Bayern einen Gegentreffer nach einem Konter hinnehmen, ähnlich wie beim 3:3 von Marmoush. Der Gegentreffer in der Champions League wurde dem Torhüter Manuel Neuer angelastet, doch die Bayern zahlen im Grunde den Preis für ihr risikobehaftetes Spiel. Kompany ist bereit, dieses Wagnis einzugehen. Auf Nachfrage erklärte er nach dem Match gegen Aston Villa, der Münchner Fussball zeige seine Persönlichkeit.
Die Leverkusener sind ausser Tritt geraten
Noch ist Kompany dabei, die Abläufe seiner Mannschaft zu optimieren und ein System zu erschaffen, in dem dieses Risiko weitgehend eliminiert wird. Er befindet sich damit auf dem gegenteiligen Weg der Konkurrenz, die die Bayern in diesem Jahr fordern möchte, zu der auch der Meister Leverkusen gehört.
Beim Team um den Schweizer Führungsspieler Granit Xhaka harzt es etwas. Was in der vergangenen Saison perfekt funktionierte, hat an Souveränität eingebüsst. Beim 2:2 gegen Holstein Kiel am Samstag gaben die Leverkusener eine Führung von zwei Toren aus den Händen – und die Reaktionen auf das Remis hätten nicht unterschiedlicher sein können gegenüber dem Auftritt des Rekordmeisters FC Bayern.
Während beim Titelverteidiger Zweifel aufkommen, herrscht in München die Überzeugung, alles richtig zu machen. «Ihr interpretiert die Ergebnisse», entgegnete Thomas Müller den TV-Analytikern. «Wir haben halt mal nicht gewonnen. Aber in dieser Krise befinde ich mich sehr gerne.»